Linde
Tilia
Bezeichnenderweise ist die vielbesungene Linde in ausgewachsenem Zustand zu groß für heute übliche Privatgärten. Der Baum kann viele Jahrhunderte überdauern und eine Höhe von bis zu 30 m erreichen. Er trägt herzförmige Blätter sowie alljulilich süß duftende Blüten, die wichtige Nahrungsquellen für Bienen darstellen und aus denen überdies schweißtreibender Heiltee hergestellt werden kann. Linden lieben sonnige Standorte mit kräftiger, tiefgründiger und feuchter Wurzelumgebung. Außerdem finden sich zahlreiche treffliche Reime auf "Linde", was dieVerbreitung des Baumes in der Lyrik begünstigt!
Die Linde in Gedichten ...
Tragödie
III
Auf
ihrem Grab da steht
eine Linde,
Drin pfeifen die Vögel und Abendwinde,
Und drunter
sitzt, auf dem grünen Platz,
Der Müllersknecht mit seinem Schatz.
Die Winde die wehen so lind und so schaurig,
Die
Vögel die singen so süß und so traurig,
Die schwatzenden Buhlen, die werden
stumm,
Sie weinen und wissen selbst nicht warum.
(von Heinrich Heine)
Als jüngst die Nacht dem sonnenmüden Land
Der Dämmrung leise Boten hat gesandt,
Da
lag ich einsam noch in Waldes Moose.
Die dunklen Zweige nickten so vertraut,
An
meiner Wange flüsterte das Kraut,
Unsichtbar duftete die Heiderose.
Und
flimmern sah ich, durch der Linde Raum,
Ein mattes Licht, das im Gezweige der
Baum
Gleich einem mächt´gen Glühwurm schien zu tragen.
Es sah so dämmernd
wie ein Traumgesicht,
Doch wußte ich, es war der Heimat Licht,
In meiner
eignen Kammer angeschlagen. (...)
(von Annette von Droste-Hülshoff)
Die Kleine
Und plaudernd hing sie mir am Arm;
Sie halberschlossen nur dem Leben;
Ich
zwar nicht alt, doch aber dort,
Wo uns verläßt die Jugend eben.
Wir wandelten
hinauf, hinab
Im dämmergrünen Gang der Linden;
Sie sah mich froh und leuchtend
an,
Sie wußte nicht, es könne zünden;
Ihr ahnte keine Möglichkeit,
Kein
Wort von so verwegnen Dingen,
Wodurch es selbst die tiefste Kluft
Verlockend
wird zu überspringen.
(von Theodor Storm)
Träumen XIV
Die Nacht liegt duftschwer
auf dem Parke,
und die Sterne schauen still,
wie schon des Mondes weiße
Barke
im Lindenwipfel landen will.
Fern hör ich die Fontäne lallen
ein
Märchen,
das ich längst vergaß,
und dann ein leises Apfelfallen
ins hohe, regungslose
Gras.
Der Nachtwind schwebt vom nahen
Hügel
und trägt durch alte
Eichenreihn
auf seinem blauen Falterflügel
den schweren
Duft vom jungen Wein.
(von Rainer Maria Rilke)
Die Brandstätte
Gemieden von dem
Frühherbstmorgen, der
mißtrauisch war, lag hinter den versengten
Hauslinden,
die das Heidehaus beengten,
ein neues, leeres. Eine Stelle mehr,
auf
welcher Kinder, von Gott weiß woher,
einander zuschrien und nach Fetzen haschten.
Doch
alle wurden still, so oft er,
der Sohn von hier, aus heißen, halb veraschten
Gebälken
Kessel und verbogne Tröge
an einem langen Gabelaste zog,
um dann mit einem
Blick, als ob er löge
die andern anzusehn, die er bewog
zu glauben, was
an dieser Stelle stand.
Denn seit es nicht mehr war, schien es ihm so
seltsam
phantastischer als Pharao.
Und
er war anders. Wie aus fernem Land.
(von Rainer Maria Rilke)
Kindheitserinnerung
Die Sonne scheint
einsam am Nachmittag,
Und leise entschwebt der Ton der Immen.
Im Garten
flüstern der Schwestern Stimmen -
Da lauscht der Knabe im Holzverschlag.
Noch
fiebernd über Buch und Bild.
Müde welken die Linden im Blau versunken.
Ein
Reiher
hängt reglos im Äther ertrunken,
Am Zaun
phantastisches
Schattenwerk spielt.
Die Schwestern gehen still ins Haus,
Und
ihre weißen Kleider schimmern
Bald ungewiß aus hellen Zimmern,
Und wirr
erstirbt der Büsche Gebraus.
Der Knabe streichelt der
Katze
Haar,
Verzaubert von ihrer Augen Spiegel.
Ein
Orgelklang
hebt fern am Hügel
Sich auf zum Himmel wunderbar.
(von Georg Trakl)