Der Kranich
Stoppelfeld, die
Wälder leer,
Und es irrt der Wind verlassen,
Weil kein Laub zu finden mehr,
Rauschend seinen Gruß zu fassen.
Kranich scheidet von der Flur,
Von der kühlen, lebensmüden,
Freudig ruft er´s, daß die Spur
Er gefunden nach dem Süden.
Mitten durch den Herbstesfrost
Schickt der Lenz aus fernen Landen
Dem Zugvogel seinen Trost,
Heimlich mit ihm einverstanden.
O wie mag dem Vogel sein,
Wenn ihm durch das Nebeldüster
Zückt ins Herz der warme Schein
Und das ferne Waldgeflüster!
Hoch im Fluge übers
Meer
Stärket ihn der
Duft
der Auen;
O wie süß empfindet er
Ahnung,
Sehnsucht
und Vertrauen!
Nebel auf die Stoppeln taut;
Dürr der Wald - ich duld es gerne,
Seit gegeben seinen Laut
Kranich, wandernd in die Ferne.
Hab ich gleich, als ich so
sacht
Durch die Stoppeln hingeschritten,
Aller Sensen auch gedacht,
Die ins Leben mir geschnitten;
Hab ich gleich am
dürren Strauch
Andres Welk bedauern müssen,
Als das Laub, vom Windeshauch
Aufgewirbelt mir zu Füßen;
Aber ohne Gram und Groll
Blick ich nach den Freudengrüften,
Denn das Herz im Busen scholl
Wie der
Vogel in den Lüften;
Ja, das Herz in meiner Brust
Ist dem Kranich gleich
geartet,
Und ihm ist das Land bewußt,
Wo mein Frühling
mich erwartet.
(Nikolaus Lenau;
13.8.1802 - 22.8.1850)