Czeslaw Milosz
Das
Gegenteil von Neugierde ist Langeweile
"Ich habe
in meinem Leben viele komplizierte Gedichte und anspruchsvolle Essays
wie 'Verführtes
Denken' oder 'West- und Östliches Gelände'
geschrieben. Dennoch bin ich sehr
skeptisch, wenn es um philosophische und literaturtheoretische
Terminologie
geht, die neuerdings so in Mode ist. Ich habe deshalb mein Leben lang
nach einer
einfachen Form gesucht. Das gilt auch für meine Lyrik. Ich
habe mich bemüht,
über komplizierte Fragen in einer kondensierten,
verständlichen, manchmal
sogar in einer scheinbar kindlichen Form zu sprechen."
(Czeslaw Milosz)
Czeslaw
Milosz wurde 1911 in Seteiniai, Litauen, geboren. Sein Werk
umfasst Gedichte, Romane und Essays; darüber hinaus war er als
Übersetzer tätig. Im Jahr 1980 erhielt Czesl
Seine Werke wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt.
Er war
Ehrenbürger Litauens und Krakaus.
Czeslaw Milosz verbrachte seine Jugend
in
Vilnius (Wilna), wo er Jura studierte und auch seine ersten
Gedichte veröffentlichte. Während der Deutschen
Besatzung lebte er in Warschau. Nach Kriegsende arbeitete er von 1945
bis 1950 als Polnischer Kulturattaché in den USA und in
Frankreich, bis er im Jahr 1951 nach Frankreich emigrierte. 1960 ging
er nach Berkeley, Kalifornien, wo er mehr als 20 Jahre lang als
Professor für Slawische Sprachen und Literatur tätig
war.
Seine Poesie ist reich an symbolischen Metaphern; Idylle und
Apokalypse, Heimat und Exil, Verwurzelung und Freiheit sind stets
gleichermaßen präsent. Czeslaw Milosz behandelte
religiöse wie philosophische Themen genreübergreifend.
Als Dichter und Übersetzer bewegte er sich gewitzt und gewandt
in der philosophischen Tradition, zwischen zeitgenössischen
amerikanischen Schriftstellern und der Heiligen Schrift. Sein
autobiografischer Roman "Tal der Issa", der das Heranwachsen und den
Verlust der Unschuld behandelt, erfreut sich bei seinen Lesern
besonderer Beliebtheit.
In
"Mein ABC. Von Adam und Eva bis Zentrum und Peripherie"
zeichnete Czeslaw Milosz ein detailreiches Selbstporträt in
Form einer Sammlung von schlichten, bisweilen scherzhaften Texten, in
denen er Orte, Menschen und Begriffe vorstellte, die in seinem Dasein
Bedeutung hatten. Das Ergebnis ist die beeindruckende Bilanz eines
ungewöhnlichen Lebenslaufes.
Czeslaw Milosz starb am 14. August 2004.
Eine kleine "Kostprobe" aus dem Werk des Schriftstellers:
VII. Glocken im Winter
Von jenseits der Berge
Siebenbürgens ritt ich
Durch Tannicht, Wildnis, Karpathengestein,
Ruhte bei einer Furt im Abendlicht,
(Um einen Weg zu finden, war ich allein,
Den Gefährten voraus, gesandt), mein Tier
Ließ ich grasen, vom Ledergeschirr löste
Ich das Buch des Bundes, dann schienen mir
Sanft das Abendrot und Branden der Ströme,
So dass mir, gebeugt über einen
Paulusbrief
Und im Anblick des ersten Sterns am Himmel,
Tiefer Schlaf weich den Kopf sinken ließ.
Ein Junge im kostbaren,
griechischen Kleid
berührt meine Schulter, dann beginnt er zu reden:
"Wie Wasser hastet Sterblichen die Zeit,
Ihren Abgrund musst' ich in seiner Tiefe erleben.
Denn ich war's, der in Korinth dem eigenen Vater die Frau nahm,
Mich schlug Paulus harsch mit wildem, wütendem Eifer,
Mir verbot er für immer, mit ihnen gemeinsam
Am Bruderstisch das Abendmahl zu feiern,
Von da an gehörte ich nicht mehr zur Heiligen Schar.
Zum armseligen Püppchen, der Versuchung ergeben,
Zog mich die sündige Liebe Jahr um Jahr,
Sollte ich doch in ewiger Verderbnis leben.
Doch aus der Asche riss mich in einem Blitz
Mein Herr und mein Gott, mir völlig unbekannt.
Unsere Wahrheiten gelten ihm nichts.
Auf jedem Fleisch ruht seine barmherzige Hand."
Unter dem großen Sternenhimmel erwacht,
Von unverhoffter Hilfe umgeben,
Nicht mehr aufs flüchtige Leben bedacht,
Trocknete ich mit einem Tuch mir die Tränen.
Ich war nicht nach Siebenbürgen geritten.
Ich hatte meiner Gemeinde keine Botschaften von dort gebracht.
Aber ich hätte es tun können.
Es handelt sich um eine Stilübung.
Die Vorvergangenheit
Unvollendeter Länder.
Aber das was ich jetzt erzähle,
ist nicht erfunden.
(Aus dem Polnischen von Ursula Kiermeier)