(...)
Darum wollen wir unser Subjekt zweiter Ordnung resp. Typ-2-Subjekt von nun an
als Homo zappiens (HZ) bezeichnen.
Noch einmal diese äußerst wichtige Konklusion: So wie der Fernsehzuschauer
umschaltet, wenn er beispielsweise den Werbeblock nicht sehen will, so wird
er seinerseits immerfort durch jähe, unberechenbare Technomodifikationen
des Bildes umgeschaltet. Als Homo zappiens wird er
selbst zum fernbedienten
Fernsehprogramm. Und in diesem Zustand verbringt er einen beträchtlichen
Teil seines Lebens.
Brüder im Kampf!
Die Lage des modernen Menschen ist nicht bloß beklagenswert, sie ist gewissermaßen
gegenstandslos, denn dieser Mensch ist so gut wie nicht vorhanden. Nichts ist
da, worauf man zeigen könnte und sagen: Da! Das ist der Homo zappiens.
Der HZ ist das Nachleuchten einer entschlafenen Seele; er ist ein Film, der
vom Drehen eines anderen Films handelt und im Fernsehen
gezeigt wird, und der Fernseher steht in einem unbewohnten Haus.
Zwangsläufig erhebt sich die Frage: Wie konnte der moderne Mensch in eine
solche Situation geraten? Wer zieht hier die Fäden und verwandelt den ohnehin
schon desorientierten
homo
sapiens in einen Festmeter Vakuum im Zustand des HZ?
Die Antwort ist natürlich klar, sie lautet
niemand.
Doch wollen wir es nicht beim bitteren Konstatieren der absurden Situation bewenden
lassen. Um zu einem tieferen Verständnis zu gelangen, sollten wir uns zunächst
der Tatsache erinnern, daß Fernsehen vor allem deshalb existiert, weil
es als Werbeträger funktioniert, also mit Geldbewegungen verbunden ist.
Wir kommen nicht umhin, uns im folgenden einer Stoßrichtung des menschlichen
Intellekts zuzuwenden, die man als Ökonomie zu bezeichnen pflegt.
Unter Ökonomie ist jene Pseudowissenschaft zu verstehen, die die illusorischen
Beziehungen zwischen Subjekten erster und zweiter Ordnung hinsichtlich des eingebildeten
Prozesses ihrer imaginären Bereicherung untersucht.
Vom intradisziplinären Standpunkt aus stellt jeder Mensch eine Zelle in
dem Organismus dar, den die Ökonomen des Altertums
Mammon
nannten. In den Lehrmitteln der Front der Vollständigen und Endgültigen
Befreiung VEB (B) heißt er hingegen ORANUS (eine Kompilation aus Os und
Anus, der gemeine Russe sagt Freßloch dazu), was seiner wahren Natur angemessener
ist und weniger Raum für mystische Spekulationen läßt. Jede
dieser Zellen, jeder auf seine ökonomischen Eigenschaften reduzierte Mensch
also, verfügt über eine spezielle psychosoziale Membran so viel wie
möglich
Geld herein- und so wenig wie möglich davon hinauszulassen.
Nun verlangt aber der existentiale Imperativ des Oranus als eines Ganzen, daß
seine Zellenstriktur von einem stetig schwellenden Geldstrom durchspült
wird. Daher hat der Oranus im Zuge seiner Evolution (in welcher er nicht weiter
fortgeschritten ist als, sagen wir, ein Weichtier) eine Art primitives Nervensystem
ausgebildet, das sogenannte Media. Dieses System verbreitet im virtuellen Organismus
Nervenimpulse, die die Funktion der Zellmonaden steuern.
Drei Formen von Impulsen sind zu unterscheiden: 1. der orale, 2. der anale und
3. der verdrängende Wow!-Impuls
(hergeleitet von der kommerziellen Interjektion wow!). (...)
(Che
Guevara in Viktor Pelewins "Generation P";
Verlag
Volk&Welt)