Bericht über eine sichtbare Ausfahrt am Tage
In der Stadt Waldshut am Rhein, in der
Diözese Konstanz, lebte eine Hexe, die den Einwohnern sehr verhasst war und auch
zu einer Hochzeitsfeier nicht eingeladen wurde, während doch fast alle Einwohner
derselben beiwohnten. Voll Zorn und Rachbegierde rief sie den Dämon an und sagte
ihm den Grund ihrer Traurigkeit, und bat ihn, dass er einen Hagel erregen und
alle Leute im Hochzeitszuge damit treffen möchte. Jener sagte zu, hob sie hoch
und führte sie vor den Augen einiger Hirten durch die Luft hinweg, zu einem
Berge nahe der Stadt. Da ihr, wie sie später gestand, das Wasser fehlte, um es
in eine Grube zu gießen, welches Mittel sie, wie sich zeigen wird, beobachten,
wenn sie Hagel erregen, da ließ sie selbst in die Grube, die sie gemacht hatte,
ihren Urin an Stelle des Wassers hinein und rührte das nach der gewöhnlichen
Sitte in Gegenwart des Dämons mit dem Finger um. Dann warf der Dämon die feuchte
Masse in die Luft und schickte einen Hagelschlag mit gewaltigen Schlossen, aber
bloß über die Hochzeitler und Städter. Als diese dadurch auseinandergejagt waren
und sich dann gegenseitig über die Ursache besprachen, kehrte die Hexe nach der
Stadt zurück, weshalb der Verdacht noch mehr bestärkt wurde. Als aber jene
Hirten berichtet, was sie gesehen hatten, da wuchs der Verdacht gegen die
Verbrecherin gewaltig. Sie wurde also verhaftet und gestand, dass sie jene Tat
deshalb verübt hätte, weil sie nicht eingeladen worden war. Wegen vieler anderer
Hexentaten, die sie vollbracht hatte, ward sie verbrannt.
Weil das Gerede der Leute von solchen Ausfahrten fortwährend auch zu den gewöhnlichen
Leuten dringt, so frommt es nicht, hier noch mehr von solchen Ereignissen zum
Beweise anzuführen. Dies allein möge genügen gegen die, welche solche körperlichen
Ausfahrten entweder ganz leugnen oder doch zu behaupten versuchen, sie geschähen
nur in der Einbildung und Fantasie. Wenn sie schlechterdings in ihrem Irrtume
gelassen würden, so wäre das ja nicht der Rede wert, wenn ihr Irrtum nur nicht
dem Glauben zur Schande gereichte. Aber man sehe doch nur zu, wie sie, nicht
zufrieden mit diesem Irrtume, sich nicht scheuen, auch noch andere vorzubringen
und laut zu predigen, zur Mehrung der Hexen und zur Schädigung des Glaubens,
indem sie lehren, dass alle Hexentaten, die jenen doch mit Recht, als den Werkzeugen
der Dämonen,
wahr und wirklich zugeschrieben werden, ihnen als Unschuldigen nur als vorgestellt
und eingebildet, zuzuschreiben seien. Darum sind auch die Hexen zur großen Schmach
für den Schöpfer oft ungestraft geblieben, so dass sie sich bereits gar erschrecklich
vermehrt haben.
Auch die am Anfang angeführten Argumente können ihnen nichts
nützen. Denn wenn sie an erster Stelle das Kapitel Episcopi XXVI, 5, anführen,
wo gelehrt wird, dass die Hexen nur in der Fantasie und Einbildung ausfahren,
wer ist da so unklug, dass er schließen wollte, dass sie nicht auch körperlich
ausfahren könnten?! Denn wie könnte aus dem Schlusse jenes Kanon, wo
festgestellt wird, dass, wer glaubt, ein Mensch könnte in einen besseren oder
schlechteren Zustand verwandelt, oder in eine andere Gestalt umgeändert werden,
niedriger zu erachten sei als ein Heide und Ungläubiger - wie könnte daraus
einer schließen, dass die Menschen nicht durch
gauklerische
Vorspiegelungen in Tiere verwandelt werden, oder auch aus dem gesunden in
den kranken, und aus dem besseren in den schlechteren Zustand gebracht werden
könnten? Ein solcher Mensch, der so an der Schale der Worte des Kanon sich
abmühte, würde mit seiner Ansicht durchaus gegen den Geist und Sinn der Heiligen
Schrift sein.
Daraus ergibt sich vielfach das Gegenteil, wie aus der
genannten Stelle an sehr vielen Punkten im ersten Teile dieses Werkes gezeigt
ist. Man muss also den Kern dieser Worte betrachten. In dem Sinne ist in der
ersten Frage des ersten Teiles gesprochen, und zwar bei der Lösung des zweiten
Irrtums unter den dreien, die dort zurückgewiesen werden, dass den Priestern
vielerlei an die Hand gegeben wird, dem Volke zu predigen. Sie fahren nämlich
sowohl körperlich als auch nur in der Fantasie aus, wie aus ihren eigenen
Geständnissen ersichtlich ist, nicht nur derer, die eingeäschert wurden, sondern
auch anderen, die bußfertig zum Glauben zurückgekehrt sind.
Hierher
gehört jene Hexe
aus Breisach, die, von uns befragt, ob sie nur in der Fantasie und
Vorstellung, oder aber auch körperlich ausfahren könnten, antwortete "auf beide
Arten". Wenn sie nämlich in einem Falle nicht körperlich ausfahren, aber doch
wissen möchten, was in der betreffenden Versammlung von ihren Genossinnen
verhandelt werde, dann würde von ihnen die Weise beobachtet, dass sich die Hexe
im Namen aller Teufel auf die linke Seite schlafen legte; dann führe etwas wie
ein bläulicher Dampf aus ihrem Munde, und sie sähe alles ganz deutlich, was dort
verhandelt würde. Wenn sie aber körperlich ausfahren wollten, wäre es nötig, die
oben erwähnte Weise zu beobachten.
(Aus "Malleus maleficarum"; dt. "Der
Hexenhammer",
verfasst von den beiden Inquisitoren
Jakob Sprenger und
Heinrich Institoris;
ins Deutsche übertragen von J. W. R.
Schmidt.)
Der "Hexenhammer", verfasst nach einem Erlass des Papstes
Innozenz VIII. aus dem Jahr 1484, bildete die Grundlage der gerichtlichen
Praktiken bis hin zu
Folter und Tod während der Hexenverfolgungen. Die drei
Teile der ersten deutschen Übertragung umfassen: "was zur Hexentat gehört, die
verschiedenen Arten und Wirkungen der Hexerei und wie solche behoben werden
können sowie den Kriminal-Kodex über die Bestrafung oder Ausrottung der
Hexen".
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