Benjamin und Amy Radcliff: "Zen denken"
Eine Einführung
Mit "Zen denken - eine Einführung", geschrieben von Benjamin Radcliff, Professor an der Universität von Notre Dame, und Amy Radcliff, welche an der Universität von Illinois lehrt, ist ein Buch auf den Markt gekommen, das sich dem Zen in einer Weise nähert, wie es der europäischen Tradition entspricht, nämlich in philosophischer Weise, und so dem westlich geschulten Menschen einen Zugang ermöglicht, wie es fernöstliche Lehrer mangels kultureller Zugehörigkeit nicht vermögen. Natürlich ist es in gewisser Weise ein Paradoxon, über Zen schreiben zu wollen, sind doch die Schrift und somit die Sprache dem dualistischen Denken entsprungen, einem Denken, das die Zen-Meditation überwinden helfen soll, einem Denken, das sich eigentlich diesseits von Satori, der Erleuchtung, abspielt und somit immer unzureichend bleibt, das zu beschreiben, was jenseits seiner selbst liegt. Dieser Schwäche sind sich die beiden Autoren jedoch bewusst, ja sie nähern sich dem Problem absichtlich in der Gewissheit, sich dem Eigentlichen nur annähernd und mangelhaft annähern zu können, hoffen sie doch, durch ihre Herangehensweise eine Ahnung von dem entstehen zu lassen, was sich jenseits unseres dualistischen Weltbildes befindet.
Gemäß den Autoren ist keine Philosophie oder Religion in der Lage, die Wirklichkeit angemessen zu beschreiben, versuchen sie doch das Problem des Lebens zu lösen, indem sie auf Elemente zurückgreifen, die außerhalb des Lebens liegen. Die Religion behauptet, Erlösung erlange man durch Auswanderung in eine andere, bessere, unvorstellbare Welt, und sie verlangt, man müsse eben daran glauben, um ihrer teilhaftig zu werden. Die Philosophie vertritt Theorien, die das Chaos der Wirklichkeit wegerklären, und verlangt, man müsse daran glauben, dass sich die Wirklichkeit auf Begriffe und Abstraktionen zurückführen lasse und dass man das Leben auf etwas Anderes reduzieren könne. Das Zen bietet jedoch eine Antwort in dem Sinne, dass es leugnet, eine Antwort sei möglich oder nötig, und es verlangt, dass man gar nichts unterstelle, gar nichts glaube und gar nichts glaubend voraussetze, und so konzentriert sich das Zen ausschließlich auf die sinnhaft wahrnehmbare Welt und bietet eine direkte und unmittelbare Antwort anhand des Lebens selbst.
Nach einer langen und ausführlichen Annäherung an das Zen, bei dem auch auf den geschichtlichen Werdegang eingegangen wird, nehmen die Autoren auch näher Stellung zur Meditation und Praxis im Zen. So wird das Sesshin im Kloster näher beschrieben, auf die vermutlich unnötige Ritualisierung hingewiesen und seine Vorteile und Stärken werden näher beschrieben. Die jedoch stärkste Säule des Zen ist das Zazen, das Sitzen. Diese sehr auf das Wesentliche reduzierte Form der Meditation wird in drei verschiedenen Varianten beschrieben, wobei darauf geachtet wird, dem Anfänger Methoden zur Verfügung zu stellen, die er leicht verstehen kann, und auf die Gefahren hinzuweisen, die zu einem Abbruch des Zazen führen könnten.
Dieses Buch ist interessant und spannend für eine intellektuelle Leserschaft geschrieben, führt es doch in philosophischer, uns recht vertrauter Weise an das Problem heran. Während des Lesens entwickelt sich ein Sog, der suggeriert, am Ende des Buches werde man der Erleuchtung durch dieses sich philosophisch annähernde Lesen teilhaftig, und so ist es verständlich, dass sich eine leichte Frustration breit macht, wenn man erkennt, dass dies eben nicht möglich ist, sondern Erleuchtung nur durch den Weg des Zen, durch Achtsamkeit und Meditation - im Speziellen eben Zazen, erlangt werden kann. Zumindest relativiert es die Notwendigkeit strenger japanischer Rituale und führt an die wesentlichen Wurzeln und Elemente zurück, die das Wesen des Zen ausmachen.
(Ivan Kristianof; 06/2003)
Benjamin
und Amy Radcliff: "Zen denken"
Herder, 2003. 191 Seiten.
ISBN 3-451-05316-0.
ca. EUR 8,90.
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