Yoram Yovell: "Der Feind in meinem Zimmer"
... und andere Geschichten aus der Psychotherapie
Die meisten Menschen, die sich um die 
Behandlung von seelischen Problemen bemühen, lassen sich entweder dem 
psychotherapeutischen oder dem psychiatrischen Bereich zuordnen, und die meisten 
möglichen Patienten stehen dem letzteren Bereich eher misstrauisch gegenüber - 
z. B. weil sie schon mal "Einer flog übers Kuckucksnest" gesehen haben. Entweder 
werden psychische Probleme durch Gespräche geheilt - in der psychoanalytischen 
Therapie oder der Psychotherapie in ihren verschiedenen Ausprägungen - oder aber 
in ganz schlimmen Fällen mit Medikamenten oder sogar Elektroschocks. Die 
verschiedenen Praktiker in diesen Bereichen werden oft als gegensätzlich 
betrachtet.
In dem vorliegenden Buch zeigt sich Yoram Yovell als ein 
Vereiniger der beiden Bereiche. In Israel aufgewachsen und mit den kriegerischen 
Auseinandersetzungen in seiner Militärzeit vertraut, hat er zunächst in 
Jerusalem Medizin studiert und dann einen Teil seiner Ausbildung und seiner 
frühen Berufspraxis in den USA verbracht, bevor er schließlich wieder nach 
Israel zurückkehrte, wo er seine Fähigkeiten an seinen Landsleuten 
erprobte.
Dieses Buch ist sowohl als anekdotisch interessantes wie auch 
als Einführungsbuch in das weite Gebiet der Behandlung seelischer Erkrankungen 
zu sehen. Verschiedene typische Störungen der Befindlichkeit werden an Fällen 
aus Yovells Praxis dargestellt, zusammen mit ihrer jeweiligen Therapie. Dabei 
wird auch immer wieder darauf eingegangen, wie sich die Diagnose und Behandlung 
bestimmter Krankheitsbilder seit ihrer ersten Beschreibung verändert haben und 
jeweils der aktuellste Forschungsstand dargestellt.
Das Buch selber ist 
in drei große Kapitel unterteilt, wobei sich das erste mit der Psychologie und 
deren Behandlungsmethoden auseinander setzt und dabei Probleme des 
Perfektionismus, die posttraumatische Stressreaktion, Probleme der sexuellen 
Übertragung, Spannungsverhältnisse in der Therapie, Angsterkrankungen, 
Borderline-Störungen und die Traumdeutung behandelt.
Das zweite Kapitel 
nimmt Bezug auf die psychiatrische Praxis und geht auf Suizide, 
Essstörungen, 
Depressionen, extreme
Angststörungen, bipolare Störungen und
paranoid-schizophrene Erkrankungen ein. Hierbei wird auch die in den letzten 
Jahren wieder positiver ins Gespräch kommende EKT (Elektrokonvulsionstherapie 
vulgo: Elektroschocktherapie) dargestellt und erklärt.
Das letzte große 
Kapitel beschäftigt sich mit den Ergebnissen der Gehirnforschung und den 
anatomischen Grundlagen von Befindlichkeiten und Störungen derselben. Ansätze zu 
diesem Bereich finden sich aber natürlich auch in den vorhergehenden Kapiteln, 
sofern die jeweiligen Störungen klare anatomische Bezüge aufzuweisen haben, und 
auch die Kapitel Psychologie und Psychiatrie zeigen in ihren Inhalten 
notwendigerweise viele Überschneidungen, da sich diese Bereiche in der Realität 
oft nicht so leicht voneinander trennen lassen, wie im Denken vieler 
Menschen.
Durch seine Praxis in den USA und im Nahen Osten zeigen sich 
bei Dr. Yovells Ausführungen auch noch einige Besonderheiten, die in der rein 
westlichen Psychologie und Psychiatrie oft nicht so auffallen bzw. gar nicht 
bekannt sind. So zeigt sich, dass bestimmte Störungen vorwiegend in westlichen - 
oder stark westlich beeinflussten - Gesellschaften auftreten und in anderen 
Kulturbereichen entweder gar nicht bekannt sind oder erst durch westliche 
Einflüsse überhaupt aufzutreten beginnen. Hinzu kommt, dass er in Israel in 
einer sehr mit Angst und Gewalttätigkeit durchsetzten Gesellschaft praktiziert, 
die zudem noch in den meisten jüdischen Familienstrukturen durch die Shoa 
beeinflusst ist, sodass sie wie eine Gesellschaft im posttraumatischen Zustand 
erscheint. Dabei ist gerade der titelgebende Fall besonders interessant, in dem 
ein arabischer Christ, der von seinen Eltern adoptiert wurde und glaubt von 
seiner jüdischen Mutter verstoßen worden zu sein, seinen jüdischen Therapeuten 
in eine fast kriegerische Auseinandersetzung zieht. Doch auch die anderen Fälle 
sind sehr anschaulich und sowohl für Fachleute, als auch für den interessierten 
Laien lesenswert.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2004)
Yoram Yovell: "Der Feind in meinem 
Zimmer"
(Originaltitel "Se' Arat 
Nefesh/Mindstorm")
Aus dem Hebräischen von Helene Seidler.
btb bei 
Goldmann, 2004. 512 Seiten.
ISBN 3-442-73149-6.
ca. EUR 10,-. 
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