Gabriele Wolff: "Das dritte Zimmer"
Dass er mit Moral kommen würde, hatte ich vorausgesehen. Die, die selbst keine haben, fürchten sich vor Mitarbeitern, die ebenfalls keine haben. Sie wittern Gefahr, umgeben von Ihresgleichen.
(Auszug aus "Das dritte Zimmer")
So spannend kann die Welt der
Bürokratie sein
"Das dritte Zimmer" ist ein Psychothriller aus der
Welt der Ministerialbürokratie und Politik. Der Fokus liegt auf dem
Intrigenspiel zwischen denen, die Macht haben und diese missbrauchen und denen,
die in den Startlöchern sitzen und im Dunstkreis der Mächtigen ihre Chancen
wittern. Manch einer geht über Leichen.
Ministerialrat Lennart
Vosswinkel bearbeitet in einem Finanzministerium Kauf- und Pachtverträge,
Maklervereinbarungen und Mietrechtsprobleme. Er ist fünfundfünfzig Jahre alt und
ein durchschnittlicher Beamter. Seit dem Wechsel des Ministers und des
zuständigen Staatssekretärs brodelt im Ministerium die Gerüchteküche. In einer
solchen Phase lautet die Parole: In Deckung gehen! Vosswinkel überdenkt die
Fälle, die er in den vergangenen Monaten bearbeitet hat. Seine Akten prüft er im
Allgemeinen gründlich. Problematisch war in den vergangenen Monaten nur der Fall
Switalla. Bei dem Vertragsentwurf mit diesem Makler konnte er keinen Konsens mit
seinem Abteilungsleiter Dr. Wenz erreichen. Was war aus diesem Vorgang geworden?
Eines Tages hat Vosswinkel einen Termin mit seinem Abteilungsleiter. Er sucht
früh morgens sein Büro auf und findet ihn dort tot vor. Wurde Dr. Wenz ermordet?
Gibt es einen Zusammenhang zum Fall Switalla? Oberkommissarin Friederike Weber
bearbeitet den Fall. Vosswinkel gerät in den Strudel der
Ereignisse.
Gabriele Wolff, eine Autorin mit Insiderkenntnissen,
beschreibt die hierarchischen Strukturen, Intrigen, Beziehungen und
Abhängigkeiten innerhalb des Ministeriums und die Verflechtungen mit der
Wirtschaft auf eine glaubhafte Art und Weise. Um psychische Veränderungen, wie
sie im Sog der Macht entstehen können, realistisch darstellen zu können, sind
Erfahrungen und ein hohes Maß an Empathie erforderlich. Besonders augenfällig
sind die Verhaltensweisen des Protagonisten Vosswinkel, der nach seiner
Ernennung zum kommissarischen Abteilungsleiter nicht mehr der gleiche Mensch
ist. Aber nach der Veränderung folgt die Besinnung - ein echter
Reifungsprozess.
Privat liegt bei Vosswinkel einiges im Argen. In
seiner Erkenntnis "Es sprach einiges für die Ehe, worüber man offiziell nicht
spricht" kommt eine gewisse Abgeklärtheit und Ernüchterung zum Ausdruck. Er ist
nach über zwanzig Jahren Ehe geschieden und hat nur noch selten Beziehungen zu
Frauen. Mit seiner ehemaligen Frau, einer Journalistin mit Biss, pflegt er
weiterhin Kontakt. In einem parallelen Handlungsstrang beschreibt die Autorin
Vosswinkels persönliche Probleme, seine Schuldgefühle, die ihren Ursprung in der
Kindheit haben müssen. Er befindet sich in Therapie. Die Ursache der
Schuldgefühle wird aufgeklärt; ein Nebenschauplatz, dem das Buch (vermutlich)
seinen Titel zu verdanken hat.
Monika Herbst, die neue persönliche
Referentin des Staatssekretärs, verändert sein dienstliches und auch sein
privates Leben. Sie ist eine souveräne Persönlichkeit und schwer einzuschätzen.
Spielt sie mit offenen Karten?
Gabriele Wolff schreibt verständlich und die Handlungsstränge sind voll innerer
Logik. Die Autorin kennt die Psychologie der Täter und Opfer. Beeindruckend
dargestellt sind die Deformationen, die Macht bei Menschen auslösen kann, die
in ihrem Bannstrahl gefangen sind. Wird, wie König
Salomon vor langer Zeit erkannte, die Herrschaft von Menschen über Menschen
immer nur zum Schaden des Menschen ausgeübt? Diese Frage stimmt dann nachdenklich,
wenn man den Roman nicht nur als Psychothriller einstuft, sondern als zwar fiktive
aber mögliche Situationsbeschreibung. Die Vielschichtigkeit des Romans und die
markanten Personenbeschreibungen tragen ihren Teil dazu bei, dass der Roman
vom Anfang bis zum Ende spannend ist. Eine Frage wäre da noch: Welchen Fall
bearbeitet Friederike Weber als nächsten? Diese forsche und fröhliche Kriminalbeamtin
werde ich vermissen.
Gabriele
Wolff, 1955 in Düsseldorf geboren, studierte Jura und arbeitete von 1982 bis
1985 als Rechtsanwältin in Köln. Anschließend war sie als Staatsanwältin in
Duisburg, Neubrandenburg und Düsseldorf tätig. Seit 1994 ist Frau Wolff
Oberstaatsanwältin in Neuruppin. 1990 veröffentlichte Gabriele Wolff mit
"Kölscher Kaviar" ihren ersten Krimi. Es folgten weitere Krimis, in denen sie
mitunter ein ironisches Bild aus dem Innenleben der deutschen Justiz zeichnete.
Daneben veröffentlichte sie zahlreiche Beiträge in den Publikationen der
Karl-May-Gesellschaft. Für ihren Roman "Das dritte Zimmer" wurde sie 2004 mit
dem "Friedrich
Glauser-Preis" ausgezeichnet.
(Klemens Taplan; 04/2004)
Zu einem Interview mit Gabriele Wolff
Gabriele Wolff: "Das dritte Zimmer"
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Ein weiteres Buch der Autorin:
"Ein dunkles Gefühl"
Kriminaloberkommissarin Friederike Weber, fünfundvierzig, rekonstruiert die
letzten Lebensmonate eines verzweifelt romantischen jungen Mannes, der in seinem
Zimmer tot aufgefunden wird. Seine letzte Besucherin war die geheimnisvolle
Jessica, ein junges Mädchen, das seine Spuren im virtuellen Raum des Internets
sorgfältig verwischte, bevor es real in Erscheinung trat.
Friederike Weber verfolgt die Ermittlung auch dann weiter, als sie gegen ihren
Willen in das Kommissariat für Sexualdelikte abgeordnet wird. Dort verliert sie
alle Gewissheiten über den Begriff Wahrheit: Ungreifbar wie die literarischen Fantasiewelten
des toten Studenten Markus Vierling sind die subjektiven Wahrheiten der Täter
wie der Opfer.
Trügerische Erinnerungen, psychische Störungen, gesellschaftliche Mythen,
mediale Zerrbilder und Lebensunglück bilden den schwankenden Grund, auf dem
sich die zupackende Ermittlerin mit Herz und Humor bewegt. Sie stößt an ihre
Grenzen, als die dreizehnjährige Jenny eine Vergewaltigung durch den Stiefvater
anzeigt und sowohl das Mädchen als auch der alles abstreitende Beschuldigte
durchaus glaubhaft argumentieren. Was weiß Jennys Mutter? Und wieso war Jenny
auf Markus Vierlings Beerdigung? Nachlässigkeiten bei der Untersuchung und ein
politisch motivierter Eingriff führen zu einer Katastrophe, die den Preis der
Aufklärung unerträglich hoch werden lässt.
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