Edith Templeton: "Die Stunde des Cupido"
Sieben Erzählungen von Liebe und Begehren
Edith Templeton wurde in
letzter Zeit vor allen Dingen durch ihren wieder veröffentlichten Roman "Gordon"
bekannt, der sie als erotische Schriftstellerin etablierte.
In "Die Stunde des Cupido", einer Sammlung von Kurzgeschichten, steht
die Liebe in verschiedenen - meist unbefriedigten - Ausprägungen im
Vordergrund. Dabei verarbeitet die 1916 als
Edith Pole in Prag geborene und in Böhmen
aufgewachsene Autorin viele eigene Lebenserfahrungen, wie man beim Vergleich der
Geschichtsinhalte mit der Kurzbiografie im Klappentext deutlich feststellen
kann. Auch ihre Ehe mit dem ehemaligen Leibarzt des Königs von Nepal und ihr
heutiges Leben in Bordighera/Italien werden thematisiert. Erotikliebhabern muss
an dieser Stelle allerdings bereits mitgeteilt werden, dass erotische Szenen in
diesem Band kaum vorhanden sind. Erotik findet in "Die Stunde des
Cupido" eher im nicht dargestellten Hintergrund statt und ist zwischen den
Zeilen - gelegentlich auch in den Zeilen - lediglich als Spannung bzw. die
Ahnung einer Spannung zu erkennen, wohingegen Titelbild und Klappentext geeignet
sind, andere Erwartungen zu wecken.
Bei der Titelgeschichte handelt es sich um eine wunderbare Erzählung über die
sexuelle Spannung, die sich zwischen Menschen in Ausnahmesituationen am
Arbeitsplatz entwickeln kann. Die Erzählung zeigt sehr deutlich und in überaus
amüsanter Sprache, wie sich solche Spannungen über Jahre hinweg und gegen alle
Widerstände zu einer sehr innigen Beziehung fortsetzen können. Die folgenden
Geschichten beleuchten das Kennenlernen von Männern und Frauen. So geht es u.a.
um die Frage, was einen Mann für eine Frau unwiderstehlich machen kann, wie
sich Beziehungen an einem Theater - mit einer Schauspielerin - entwickeln können,
und wie ein Kuchen in einer herrschaftlichen Familie einen politischen Anspruch
erhält.
"Eine Kaffeehausbekanntschaft" zeigt die Probleme von Pragerinnen, die
aus England in ein sowjetisch kontrolliertes Prag zurück kommen und sich hier
in einen überaus dominanten Mann verlieben, von dem sie nie wieder ganz
loskommen können, selbst als sich vieles von dem, was er ihnen erzählt hat,
als Lüge herausstellt.
Als "Die blaue Stunde" eingeläutet wird, erfahren die Leser etwas darüber,
wie es wirklich war, in einem Schloss zu leben, wie selten die Vorstellungen von
Museumskuratoren etwas mit den historischen Realitäten gemein haben, und wie
die Erinnerungen eines Menschen durch Ergänzungen aus der historischen
Betrachtung an zusätzlichem Gehalt gewinnen.
"Nymphe & Faun" schließlich zeigt, wie man mit dem ungewollten
Andenken eines Menschen zurecht kommen kann, wobei emotional und erzählerisch
sehr weite Bögen geschlagen werden.
Insgesamt ein sehr ruhiges und angenehmes
Buch, mit dem man gut ein verregnetes Wochenende verleben kann.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 05/2005)
Edith Templeton: "Die Stunde des Cupido"
(Originaltitel "The Darts of Cupid")
Aus dem
Englischen von Giovanni und Ditte Bandini.
Claassen, 2005. 332 Seiten.
ISBN 3-546-00322-5.
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Edith Templeton verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in
einem böhmischen Schloss. Sie wurde in einem französischen Mädchengymnasium
in Prag erzogen und verließ 1938 die Stadt, um einen Engländer zu heiraten.
Während des Krieges arbeitete sie als Arzthelferin und Dolmetscherin für die
Alliierten. Ihre Erzählungen erschienen seit den 1950er Jahren im "New Yorker".
Sie hat mehrere Romane und ein erfolgreiches Reisebuch veröffentlicht.
1956 zog Edith Templeton mit ihrem zweiten Mann, einem renommierten Kardiologen
und Leibarzt des Königs von Nepal,
nach Indien, wo sie Bekanntschaft mit
Ministerpräsident Nehru und dem
Dalai Lama machte. Seit einigen Jahren lebt sie
in Bordighera an der italienischen Küste.
Ein weiteres Buch der Autorin:
"Gordon"
Als die achtundzwanzigjährige Louisa in einem Pub im London der
Nachkriegszeit
einen gut aussehenden Fremden trifft, ahnt sie nicht, wie sehr sie ihm
verfallen und welche dunklen Triebe er in ihr wecken wird. Mit seinem
schwarzen Haar und
blassen Gesicht zieht Richard Gordon sie magnetisch an. Von Beruf
Psychiater,
legt er schon bald die unheimliche Fähigkeit an den Tag, Louises
innerste Wünsche
und Gedanken zu lesen. Binnen einer Stunde hat er sie auf der
Gartenbank seines
Hauses verführt - und damit eine Macht über sie etabliert, der sie nur
zu
willig folgt.
"Gordon" ist die Wiederentdeckung eines in den späten 1960er Jahren
in England und Deutschland unter Pseudonym veröffentlichten und kurz darauf
wegen Anstößigkeit verbotenen Romans.
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