Willy Puchner: "Tagebuch der Natur"

Von der Schönheit der Dinge, die wir bemerken
- eine sensible Entdeckungsreise


Seine Nase in fremde Tagebücher zu stecken wird für gewöhnlich als Unsitte bezeichnet (was freilich nicht bedeutet, dass das heimliche Herumstöbern in Tagebüchern von Freunden, Verwandten, ... nicht stattfindet). Folglich ist es ein gelungener Titel, der sicherlich viele neugierige Bücherwürmer ansprechen wird. Dies umso mehr, als es ein "Tagebuch der Natur" ist, was für Vielfalt und Abwechslung bürgt und - wie beispielsweise auch die Fernsehserie "Universum" - das Interesse am Begreifen der Zusammenhänge innerhalb des Kreislaufes von Werden und Vergehen wach halten kann und insofern keineswegs Luxus sondern pure Notwendigkeit darstellt.

Ist der Mensch ein außer Rand und Band geratenes Dekorationsobjekt einer vormals harmonischen (an-)organischen Außenwelt? Toleriert der Mensch die Natur gerade noch als Kulisse auf der Bühne seiner sinnentleerten Selbstdarstellung? Fragen wie diese tauchen unter der Einwirkung der Bilder und Texte Willy Puchners unweigerlich auf. Flugs werden romantisierende Begriffe wie "Paradies" relativiert, man macht dem Präparat eines Riesensalamanders seine Aufwartung, stattet dem Haus des Meeres in Wien einen Besuch ab, stößt auf eine Vielzahl detailreich in verschiedenen Techniken ausgearbeiteter Zeichnungen und Skizzen, beispielsweise eine gezeichnete Vase, auf deren Etikett "Vorverwandlung" zu lesen ist (Kenner vermuten richtig, dass auf diese Weise Rilkes Gedicht "Frühling" illustriert wird), sowie zahlreiche, im Stil historischer Biologietafeln gehaltene Schau-/Staunbilder, lernt das Namensdickicht der den Bisamberg besiedelnden Flora kennen, guckt in die Pflanzenapotheke, erfährt welche Aufgaben eine Arche Noah unserer Tage hat und vieles mehr. 

Das "Tagebuch der Natur" ist Willy Puchners Versuch, "einen kleinen Teil der Vielfalt dieser Welt aufzuzeichnen". Auf diese Weise wurde ein Mosaik aus Fundstücken sprachlicher und bildlicher (alltäglicher?) Besonderheiten gestaltet, ein außergewöhnliches Buch jedenfalls, das die Mitwesen nicht aus der oftmals abgestumpften Perspektive eines Erwachsenen in "Sinnvolle/Schöne" und "Sinnlose/Hässliche" zweiteilt, sondern unbefangen die Intensität der alles verbindenden Gegenwart darstellt.

Zusammen mit Puchners persönlichen Betrachtungen und ausgewählten Zitaten ist zwar kein Kinderbuch entstanden, aber ein Buch, das rückblickend bestimmt viele Erwachsene als Kind gerne gehabt hätten. Und warum sollte nicht jeder sein eigenes Tagebuch der Natur schreiben, malen und zeichnen?  

Willy Puchner arbeitet als freischaffender Fotograf, Zeichner und Autor in Wien und auf Reisen. Wichtigste Projekte und Bücher: "Zum Abschied - zur Wiederkehr", "Die Neunzigjährigen", "Die Wolken der Wüste", "Dorfbilder", "Die Sehnsucht der Pinguine" und "Ich bin ...". Zahlreiche Veröffentlichungen in Magazinen, Zeitungen und Ausstellungen sowie Vorträge. Seit 1990 intensive Beschäftigung mit geschriebenem und gezeichnetem Material -, Natur- und Reisebüchern.

(Felix; 07/2001)


Willy Puchner: "Tagebuch der Natur"
Ein Bilderbuch. NP Buchverlag, 2001.
48 Seiten. 22 doppelseitige Farbtafeln.
ISBN 3-85326-244-9
ca. EUR 19,90.
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