Martin Suter: "Huber spannt aus und andere Geschichten aus der Business Class"


Kamillentee gefällig?

Der Buchdeckel weckt Lust zum Lesen: Zwei Liegestühle unter einem Sonnenschirm am blauen Meer suggerieren Entspannung, Lebensfreude, literarisches Wohlbefinden! Und wer die üppig zitierten Kommentare auf Buchdeckeln und Innenseiten überfliegt, glaubt, eine wahre Perle unterhaltsamer Lektüre in den Händen zu halten und erwartet unbedingt den garantierten Lesespaß. Ironie, Witz, messerscharfe Pointen scheinen nur darauf zu warten, die lange Zugreise zu versüßen und den Fernsehabend vergessen zu machen!

Der Autor möchte seine persönlichen Eindrücke von der so genannten Business Class (was ist das eigentlich?) in satirisch-bissige Momentaufnahmen packen, die Welt der freien Marktwirtschaft ein wenig karikieren. So erzählt er etwa in drei je zweiseitigen Teilen die Geschichte des Kadermannes Huber, der auf einem Liegestuhl am Meer ausspannen möchte. Huber tut sich allerdings schwer damit, abzuschalten, weil sich ein pikantes Detail verhindernd auswirkt: "Wie soll sich eine Schweizer Führungskraft entspannen auf einer Strandliege, deren Miete nicht bezahlt ist? Noch dazu, wenn die Ehefrau auf der Nachbarliege (deren Miete er ebenfalls schuldet) ihn ermahnt, sich endlich zu entspannen." Lustig, oder?

Martin Suter, 1948 geboren, erfreut sich sowohl in der heimischen Medienwelt als auch in den Kreisen helvetischer Prominenz und nicht zuletzt in der von ihm so zartfühlend beschriebenen Business Class größter Beliebtheit. Kaum ein Schweizer Autor, der so bevorzugt zu prestigeträchtigen Anlässen eingeladen wird und sich der wohlwollenden und bisweilen gar schwärmerischen Besprechungen seiner Werke schon sicher sein darf, bevor diese in den Buchhandlungen gestapelt werden.

Was "Huber spannt aus" betrifft, darf allerdings einmal mehr nüchtern bilanziert werden: Suter ist literarisches Mittelmaß; wer seine schmächtigen Kolumnen beigeistert hochjubelt, neigt möglicherweise zu chronischer Suter-Überschätzung oder kennt vielleicht nichts Besseres.
Mir hat Suter jedenfalls trotz durchaus vorhandener Vorfreude kaum ein Schmunzeln entlocken können. Allzu oft habe hat mich die Oberflächlichkeit gelangweilt, und fast regelmäßig habe ich den Schluss (die Pointe?) im Voraus erahnt.

Die harmlosen, kleinen Geschichten sind übrigens nicht neu: Sie erschienen in den letzten Jahren jeweils als Kolumnen in der Zürcher "Weltwoche".

"Darf ich Ihnen einen Kamillentee bringen?", lautet der Schlusssatz einer dieser lauen Geschichten, deren tieferer Sinn das Geheimnis des Autors bleiben wird, und er wird damit ungewollt zur Metapher meiner persönlichen Befindlichkeit beim Lesen. Ich setze mich nämlich liebend gerne in meinen Lieblingssessel am Fenster und greife zu einem unterhaltsamen Buch mit treffenden und bissigen Geschichten; wenn sie gut sind, ersetzen sie mir mitunter gar ein Glas italienischen Rotweins, auf das ich sonst nur ungern verzichte. Was Suter in seinem Büchlein allerdings serviert, ersetzt mir keinen edlen Tropfen, höchstens herben Kamillentee. Und dabei ging es mir vor dem Lesen eigentlich ganz gut.

(André Kesper; 11/2005)


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Ein weiteres Buch des Autors:

"Der Koch"

Maravan, 33, tamilischer Asylbewerber, arbeitet als Hilfskraft in einem Zürcher Sternelokal, tief unter seinem Niveau. Denn Maravan ist ein begnadeter, leidenschaftlicher Koch. In Sri Lanka hatte ihn seine Großtante in die Kochkunst eingeweiht, nicht zuletzt in die Geheimnisse der aphrodisischen Küche.
Als er entlassen wird, ermutigt ihn seine Kollegin Andrea zu einem Geschäft der besonderen Art: einem gemeinsamen Kochservice für Liebesmenüs. Anfangs kochen sie für Paare, die eine Sexualtherapeutin vermittelt. Doch der Erfolg von "Love Food" spricht sich herum, und eine viel zahlungskräftigere Klientel bekundet Interesse: Männer aus Politik und Wirtschaft - und deren Grauzonen.
Maravan hat Sorge, das Geschäft könne "unanständig" werden. Und das wird es. Doch er benötigt das Geld dringend, um seine Familie in Sri Lanka am Leben zu erhalten. (Diogenes)
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