Andrew J. Robinson: "ST: DS9 #27: A Stitch in Time"
Wer könnte den Roman über Garaks Leben schreiben, außer Garak selbst? Oder vielmehr
natürlich der Schauspieler, der in DS9 diese faszinierende Figur verkörpert.
Die Idee, dass jeder, der irgendwie kreativ tätig ist auch schreiben kann,
hat sich schon des Öfteren als Fehlschluss erwiesen (wie diverse Schauspieler bei ihren
schriftstellerischen Versuchen oft genug bewiesen haben). Wie ist es wohl diesmal?
Der Dominion-Krieg ist vorbei, und Garak endlich nach Cardassia zurückgekehrt, um beim
Wiederaufbau seiner Heimat zu helfen. In dieser Zeit ordnet er auch einige Papiere, die
seine Aufzeichnungen über sein Leben beinhalten. Er stellt sie zu einem Journal seines
Lebens zusammen, das er an seinen alten Freund Dr. Bashir richtet. Teilweise um sich
selbst zu erklären, teilweise aber auch um dem Doktor den Gang seiner eigenen Entwicklung
zu zeigen. Hierbei wechselt er ständig zwischen drei Handlungsebenen.
(K.-G.
Beck-Ewerhardy)
Andrew J. Robinson: "ST: DS9 #27: A Stitch in Time"
Ebene 1 beschreibt sein Heimkommen und seine Mitarbeit beim Wiederaufbau Cardassias.
Hierbei begegnen wir alten und neuen Freunden und sehen die Veränderungen, die sich in
dieser ehemals militärischen Gesellschaft nach der absoluten Niederlage ergeben,
sowohl in der Politik und Infrastruktur, als auch in den Betroffenen selbst. In dieser
Phase finden einige der Veränderungen in Garaks Charakter ihren Abschluss, für die im Laufe
der Serie bereits der Keim gelegt worden ist. Ein Wandel in einem Individuum, der geradezu
exemplarisch für den Wandel einer gesamten Gesellschaft ist. Und ein Wandel nach
einem geradezu läuternden Erlebnis, das es dem Individuum ermöglicht, seine
infantilen und adoleszenten Konditionierungen aufzubrechen, um endlich eine eigene
Persönlichkeit zu entwickeln, die weniger fremdbestimmt ist, dafür aber sozialer
in ihrer Ausrichtung.
Ebene 2 berichtet von den verschiedenen Erfahrungen, die Garak zunächst auf Terok Nor
und später auf DS9 macht. Dabei wird auch über seine Erlebnisse während der Verhandlungen
zum Friedensschluss zwischen der cardassianischen Union und der Föderation berichtet, die Garak
seinen zweiten tieferen Einblick in das menschliche Wesen gewährt. Aber auch seine
entscheidenden Erfahrungen mit verschiedenen Menschen, Ferengi, Klingonen und anderen
Cardassianern spielen hier eine große Rolle.
Seinen ersten Einblick ins menschliche Wesen erhält er in Ebene 1.
In diesem Teil der Erzählung erfahren wir endlich alles (Wesentliche) über seine Kindheit auf
Cardassia, seine Eltern, seiner Erziehung, sein Training, seinen Eintritt in den
Obsidianorden und seine ersten Aufträge als Spion. In gewisser Weise trifft er hier auch
seinen tierischen Geistführer, eine Figur, die wir bisher meist mit Chakotay in
Verbindung bringen. Danach wird seine Laufbahn bis zu dem Zeitpunkt beschrieben, an dem er
den Fehler macht, der ihn auf Terok Nor in die Verbannung treibt. Und über seine
Einstellungen zu Liebe und Religion, die beide in der Serie nur sehr peripher erwähnt werden.
Man könnte dies natürlich jetzt alles wunderbar weiter ausbreiten, aber das ist hier nicht meine Absicht. Dieser Roman ist einfach erstaunlich gut und dicht geschrieben. Vom Stil her erinnert dieses Werk in bester Weise von Sprache und Aufbau an die Romane von John Le Carré, und für einen Spionageroman kann es wirklich kein höheres Lob geben. Davon abgesehen könnte man "A Stitch in Time" sicherlich auch als einen
psychologischen Entwicklungsroman in der Tradition von "Wilhelm Meister" sehen und dabei als einen sehr überzeugenden Vertreter dieser Gattung. Für einen Erstlingsroman ist diese Kombination von zwei bisher kaum miteinander in Verbindung gebrachten Gattungen sehr mutig. Dass es sich hierbei dann auch noch um SF handelt, was ein weiteres "pushing of the envelope" ist, macht dies geradezu zu einer Meisterleistung. Es ist zu hoffen, dass Robinson weiter schreibt, allerdings ist kaum vorstellbar, dass er in einem weiteren Roman diese Meisterschaft noch einmal wiederholt
(hier ist im wahrsten Sinne des Wortes Weltliteratur entstanden) oder gar übertrifft. Vor der Theorie, dass in jedem Menschen EIN Roman steckt muss man annehmen, dass dies Mr. Robinsons Roman war. Obwohl man immer hoffen kann, dass man sich irrt. ABSOLUT EMPFEHLENSWERT.
Englische Ausgabe:
Simon & Schuster, 2000. 393 Seiten.
ISBN 0-671-03885-0.
ca. EUR 6,20. Buch
bestellen