Christa Hubrig, Peter Herrmann: "Lösungen in der Schule"

Systemisches Denken in Unterricht, Beratung und Schulentwicklung


Wer als Pädagoge zum ersten Mal mit systemischen Sichtweisen in Berührung kommt, für den tut sich eine neue Welt auf. Für Lehrer bieten sie die Chance, ein neues Verständnis, eine neue Haltung und neue Handlungsmöglichkeiten für den Schulalltag zu finden.

Nach über einem Jahrzehnt aktiver Ausbildung von Lehrern im Bereich der systemisch-therapeutischen Beratung im schulischen Umfeld haben Christa Hubrig und Peter Herrmann nun endlich ihre Erfahrungen aus ihrer Therapie-, Schul- und Lehrtätigkeit zwischen zwei Buchdeckeln zusammengefasst, so dass auch Personen, die ihre Seminare und andere Veranstaltungen nicht besucht haben, die Möglichkeit bekommen, ihr Konzept der therapeutisch beratenden Arbeit kennen zu lernen.

Nach einer kurzen Einführung in das Gesamtthema des Buchs wird zunächst einmal die die systemische Theorie in ihrer allgemeinen Anwendbarkeit für den schulischen Raum dargestellt, wobei besonders die Lösungsorientierung des vorgestellten Konzepts im Vordergrund steht. Hierbei gibt es auch einen kleinen - nicht unbedingt notwendigen - Ausflug in die allgemeine Systemtheorie in ihren drei Schwerpunktsausprägungen.

Im zweiten Teil des Buches wird gezeigt, wie systemische Ansätze in der Schule Anwendung finden können. Dabei werden zunächst die Verbindung des Konzepts zur Familientherapie und die Verknüpfung von Schule und Familie näher beleuchtet, wobei auch die Arbeiten Hellingers eine gewisse Würdigung erfahren, wenn auch mit durchaus gerechtfertigten Einschränkungen. Auch werden die verschiedenen Entwicklungsstadien von Kindern und Jugendlichen innerhalb des Systems Schule immer wieder in den Mittelpunkt gestellt. Sehr anschaulich bleiben diese Erörterungen durch die Darstellung von Fällen aus Christa Hubrigs und Peter Herrmanns Arbeitspraxis.

Im Weiteren werden dann unterschiedliche Aspekte der Schule als System beleuchtet und wie sie auf Lehrer, Schüler und Berater einwirken - und welche speziellen Anforderungen sie deswegen an im schulischen Rahmen tätige Berater, verglichen mit solchen in anderen Systemzusammenhängen, stellt.

Der dritte Teil des Buchs beschäftigt sich mit den Wegen, die man gehen kann, um systemisches Denken und Handeln kompetent und sicher im täglichen Schulunterricht und in "normalen" schulischen Gesprächssituationen anzuwenden. Hierbei werden auch die Ansprüche, die die Schule selbst, aber auch die Gesellschaft als Ganzes, an Lehrer stellt, und die Auswirkungen, die dies auf ihre Arbeit hat, sehr differenziert dargestellt. In diesen Zusammenhängen steht zunächst die Kommunikation mit und Schülern und deren Eltern allgemein im Vordergrund, ebenso, wie diese durch das Einnehmen einer systemischen Perspektive eine neue Qualität erhalten können. Und wie sich dadurch eventuell auch die Einstellungen der Lehrer zu einigen schulischen Problemen verändern können.

Der vierte Teil des Buchs zeigt den Aufbau und möglichen Ablauf von Beratungsgesprächen nach systemischem Muster auf, wobei verschiedene schulische Problembereiche zum Tragen kommen, zudem auch die durchaus nicht zu verachtende Frage: "Soll ich hier überhaupt beratend tätig werden?" Denn nur weil wir einen Beratungsbedarf zu sehen meinen, heißt dies nicht unbedingt, dass wir in einem gegebenen Fall beraten könnten oder auch sollten. In diesem Abschnitt werden schul- und jugendtypische Probleme (z. B. destruktives Schülerverhalten, Konzentrationsstörungen, Prüfungsangst, Gewalt, Schulschwänzen) angesprochen, bevor die Problematik von Suchterkrankungen in ihren verschiedenen Ausprägungen eine eigene Behandlung erfährt.

Der letzte Teil von "Lösungen in der Schule" ist der allgemeinen schulischen Organisation und ihren systemischen Problemen gewidmet, die ebenfalls auf die Arbeit aller Beteiligten große Auswirkungen haben können.

Dieses Buch stellt auf sehr kleinem Raum zahlreiche wichtige Aspekte der systemischen Arbeit und des Kommunikationsfelds Schule umfassend vor. Gelegentlich wünscht sich der Leser hierbei vielleicht eine nähere Beschreibung der anzuwendenden Techniken anhand von mehr als einem Beispiel - obwohl der Literaturapparat hier einige Hilfestellungen gibt - und damit auch etwas Zeit, einen Aspekt länger auf sich wirken zu lassen. Die Endredaktion hat einige irritierende Fehler übersehen, die aber insgesamt den Lesefluss nicht sonderlich hemmen. Für einen Neueinsteiger in den Bereich der systemischen Arbeit mag dieses Werk allerdings ziemlich anspruchsvoll sein - was ja eigentlich nicht schlecht ist. Personen, die mit diesem Konzept bereits Erfahrung haben, werden hier einiges Neues und Nützliches für ihre tägliche Arbeit finden können. Nichtunterrichtende werden zumindest auf neue Sichtweisen zu den hier angesprochenen Problembereichen kommen und eventuell auch Schlüsse für andere Lebensbereiche ziehen können.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2005)


Christa Hubrig, Peter Herrmann: "Lösungen in der Schule"
Carl-Auer Verlag, 2005. 271 Seiten.
ISBN 3-89670-454-0.
Buch bei amazon.de bestellen

Christa Hubrig ist Diplompsychologin und Lehrerin. Sie unterrichtet Deutsch, Geschichte und Politik an einem Gymnasium, wo sie auch als Beratungslehrerin tätig ist. In dieser Funktion hat sie bisher mit ca. 700 Schülern, Eltern und Kollegen systemisch-lösungsorientiert gearbeitet. Seit 1993 leitet sie zusammen mit Peter Herrmann das "ISIS-Institut für systemische Lösungen in der Schule" (Köln) für Lehrerfortbildung. Abgeschlossene Ausbildungen in Gesprächspsychotherapie, systemischer Familientherapie und Supervision, Hypnotherapie und als NLP-Master.
Dr. Peter Herrmann ist Diplompädagoge und hat in Psychologie promoviert. Er arbeitet in der konzeptionellen systemischen Entwicklung und in der Leitungsverantwortung von psychosozialen Einrichtungen und Gesundheitszentren. Abgeschlossene Ausbildungen als Gestalttrainer, in Gesprächspsychotherapie, systemischer Therapie, Hypnotherapie und als NLP-Trainer.

Weitere Buchtipps:

Reinhard Voß (Hrsg.): "SchulVisionen. Theorie und Praxis systemisch- konstruktivistischer Pädagogik"

Für eine humane und effiziente Schule im 21. Jahrhundert bedarf es eines Perspektivenwechsels, der sich aus der Fixierung auf die Schulmisere löst und sich neuen Ideen, Lösungen und Visionen zuwendet. Systemisch-konstruktivistische Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmodelle weisen bereits in vielen anderen Bereichen wirkungsvolle Wege zur Neugestaltung der Lebenspraxis auf. Mit ihrer Betonung der Kreativität, der Kompetenzen und Ressourcen, mit deren Hilfe Menschen ihre Lern- und Lebensbedingungen ständig neu konstruieren, bieten sie auch die Chance, die Schule neu zu erfinden.
In diesem Buch kommen die Betroffenen zu Wort - Schüler, Eltern, Lehrer, Studierende, Vertreter aus Kunst und Wirtschaft -, aber vor allem jene, die sich professionell mit Schule und Erziehung beschäftigen. International ausgewiesene Wissenschaftler (E. von Glasersfeld, P. Dalin, u. v. a.) aus verschiedenen Disziplinen sowie Praktiker aus unterschiedlichen Bereichen des Schullebens formulieren mit fremdem Blick und anderen An-Sichten neue Visionen zu den Grundfragen von Schule, Erziehung und Unterricht. Das ermöglicht den Lesern neue Wahrnehmungen, Einstellungen und Handlungsoptionen für ihren jeweiligen Schulalltag. (Carl-Auer Verlag)
Buch bei amazon.de bestellen

Wilhelm Rotthaus: "Wozu erziehen? Entwurf einer systemischen Erziehung"
"Wozu erziehen?" betrachtet den Prozess der Erziehung unter systemischen Gesichtspunkten und macht den systemischen Ansatz für die erzieherische Praxis nutzbar.
Das Buch geht dem heute verbreiteten Phänomen der Erziehungsunsicherheit nach. Aufbauend auf einem historisch fundierten Verständnis von Kindheit zeigt Wilhelm Rotthaus auf, dass Erziehung zwar unverzichtbar ist, aber auf der Grundlage einer veränderten Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen erfolgen muss. Aus der systemtheoretischen Sicht auf die unterschiedlichen Dimensionen des Erziehungsprozesses untermauert er die Forderung nach einer neuen Haltung und Einstellung gegenüber dem Kind. Das Buch macht deutlich, welche Ziele von Erziehung systemisches Denken nahe legt und warum in diesem Bereich eine Neuorientierung erforderlich ist. (Carl-Auer Verlag)
Buch bei amazon.de bestellen

Marianne Franke-Griksch: "Du gehörst zu uns! Systemische Einblicke und Lösungen für Lehrer, Schüler und Eltern"
In ihrem faszinierenden Erfahrungsbericht beschreibt die Autorin, wie systemische Ideen grundlegend neues und effektives Lernen und die kreative Zusammenarbeit von Schülern, Lehrern und Eltern ermöglichen. Sie verbindet dabei Denkansätze verschiedener systemischer Richtungen mit den Erkenntnissen aus der Arbeit Bert Hellingers über die Kraft der Bindung an die Herkunftsfamilie. Die Berichte sind konsequent an praktischen Beispielen aus dem Unterrichtsalltag ausgerichtet. Spannend und gewinnbringend zu lesen sind vor allem der erlebbare Enthusiasmus und der Ideenreichtum der Kinder, mit denen sie die neuen Ideen fortspinnen und umsetzen.
Auch der im systemischen Denken ungeschulte Leser bekommt hier tiefe Einblicke in die Wirksamkeit dieser Art zu denken und zu handeln. (Carl-Auer Verlag)
Buch bei amazon.de bestellen