Thomas Feichtinger, Susana Niedan: "Schüßler-Salze für Ihr Kind"

Gisela E. Geiger: "Schüßlersalze für Kinder"

Günther H. Heepen: "Schüssler-Salze für Kinder"


Schüßlersalze für Kinder - wenn ja, dann richtig

Die Schüßler-Salz-Therapie wurde im Jahr 1873 von Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler, einem homöopathischen Arzt, begründet. Er behandelte vermutete Störungen des Mineralhaushaltes des Körpers mit winzigen Mengen homöopathisch aufbereiteter Mineralsalze des Körpers. In den ersten Jahrzehnten hat diese Heilmethode fast weltumspannende Wirkung gehabt, hat sich in Indien bis zum heutigen Tag gehalten, wurde aber in Europa in den 40er Jahren von anderen Richtungen abgelöst und in Deutschland erst wieder mit dem 1984 erschienen Buch des deutschen Homöopathen Jochen Schleimer "Salze des Lebens" populär. Darin vertritt Schleimer eine Spielform der Schüßler-Methode, die in Indien übliche Behandlungsvariante nach dem Rechtsanwalt B.S. Darbari, der seine Erkenntnisse in einem Buch mit dem Titel: "Simplest Remedies of All Diseases" niedergelegt hat.

Dieses Buch hat mit Schüßlers "Eine abgekürzte Therapie" wenig Gemeinsamkeiten. Schüßler vertrat in seiner Behandlungspraxis die Gabe eines einzelnen Salzes, oft in Zusammenhang mit einem Heilkraut und einer Wasseranwendung. Darbari ersetzte dies sehr häufig mit einer Mischung aus verschiedenen Salzen und empfahl auch zahlreiche andere homöopathische Arzneien. Dieses System haben sich der pensionierte Lehrer Thomas Feichtinger und die Apothekerin Susana Niedan aus Zell am See zu Herzen genommen und daraus eine lange Liste von Büchern zur Schüßler-Salz-Therapie verfasst, die im Haug-Verlag erschienen sind. Mit Schleimer und Feichtinger/Niedan hatte die Schüßler-Salz-Therapie hierzulande deshalb von Anfang an einen Touch Darbari.

In diesem Blickwinkel ist auch das Buch "Schüßler-Salze für Ihr Kind" zu sehen, das im Dezember 2004 in zwei verschiedenen Versionen im Haug-Verlag neu aufgelegt wurde. Generell ist dazu zu sagen, dass das Ehepaar Feichtinger-Niedan das Thema Schüßler-Salze prinzipiell auf sehr hohem intellektuellem Niveau abhandelt. Ihre Bücher zur Antlitzdiagnostik und das grundlegende Werk "Praxis der Biochemie nach Dr. Schüßler" gehören zu den umfassendsten und interessantesten am Markt. Auch das Buch zur Behandlung von Kindern ist liebevoll gemacht und gliedert die Thematik in verschiedene Lebensalter des Kindes, wobei dann Therapievorschläge auch einzelnen zu erwartenden Krankheiten zugeordnet werden. Allerdings zeigen sich auch hier wieder die grundlegenden Schwächen des Autorenteams, die sich in alle ihre anderen Werke einschleichen.

Als erstes ist da prinzipiell eine gewisse Praxisferne. Es macht einen Unterschied, ob man sich Tag für Tag als Therapeut mit den Problemen der Menschen beschäftigt, oder ob man im Wesentlichen als Autor, Vortragender und Ratgeber über dieses Thema tätig ist. Diese Gelehrtenperspektive Feichtingers merkt man allen Büchern an. Es sind Schriften, die zwar ein in sich geschlossenes System bilden, aber durch die Realität eines Therapeutenalltags unbeeinflusst bleiben. Bei Frau Niedan sieht man eine hochintelligente, rührige Frau mit einer charismatischen Ausstrahlung, die innerhalb von wenigen Jahren neben ihrer Apotheke einen eindrucksvollen Pharma-Betrieb für Naturprodukte aus dem Boden gestampft hat und bei Kundenberatungen in ihrer Apotheke (so höre ich von Patienten) zur Schüßler-Methode einen Lifestyle-Zugang hat. Beides hat auf die geistige Richtung der Bücher einen großen Einfluss gehabt.

Als zweites hat Thomas Feichtinger, der auch eine Psychotherapeutenausbildung absolviert hat, ein Schema über die psychische Bedeutung von Schüßler-Salzen entworfen, die sich als ureigene Kreation versteht und sich keinen anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder fachlichen Quellen verpflichtet sieht. Man kann Schüßler-Salze durchaus "verstehen", wenn man homöopathische Arzneimittelprüfungen heranzieht und beobachtet, welche seelischen Probleme ein Mensch hat, der von einem bestimmten Salz profitiert. Wenn man das tut, kann man Feichtingers Schlüsse über die Bedeutung von Salzen nicht nachvollziehen. Zumindest geht es mir so.

Als drittes stört einen der Ansatz, es handle sich bei der Schüßler-Salz-Therapie um eine Ergänzung von Mangelzuständen des Körpers an bestimmten Salzen. Wenn man die eingesetzten Verdünnungen D6 und D12 berücksichtigt, hat man aber Salzkonzentrationen, die unter dem von Trinkwasser liegen. Wie damit therapeutische Wirkungen erzielt werden können, kann man meiner Ansicht nach nur über das homöopathische Ähnlichkeitsprinzip erklären. Tut man das aber, hat es keinen Sinn, wie Darbari zu arbeiten, und zahlreiche Salze zusammenzumischen, denn dann wäre eine Wirkungsabschwächung zu befürchten. Ich halte die Schüßler-Salz-Therapie für ein homöopathisches Phänomen und denke, man sollte Dosis und Anzahl der Salze gering halten.

Sowohl Schleimers wie auch Feichtingers und Niedans Schriften sind von den deutschen Schüßler-Salz-Herstellern allerdings mit großer Freude aufgenommen worden, denn sie sind extrem absatzsteigernd. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass auch Frau Niedan zu diesen Herstellern gehört (wobei sie ja auch in ihren Büchern ihre Adler-Pharm regelmäßig bewirbt). Es macht einen Unterschied, ob ich wenige Tabletten eines einzelnen Salzes einnehme, von dem 100 Stück EUR 3,50 kosten, oder viele Tabletten mehrerer Salze. Da kann es auch nicht verwundern, dass der Marktriese Deutsche Homöopathische Union in Karlsruhe schlichtweg behauptet, Homöopathie sei das eine, und Schüßler-Salz-Therapie was anderes. Eines sei Regulationsmedizin, das andere Substitutionsmedizin. Leider sind das Ansichten, die sich sachlich-argumentativ nicht belegen lassen.

Und nun noch ein letztes Meckern zu Feichtinger/Niedan und ihren Büchern. Man hat dabei den Verdacht, dass sie zwischen Medizin und Lifestyle einen Unterschied machen, und die Schüßler-Salz-Therapie in den Lifestyle-Bereich verschieben wollen. Schon das letzte Werk Niedans "Schüßler-Beauty" weist in die Richtung. Wer sich was Gutes tun will, soll eben ein bisschen schüßlern. Schaden kann es nix, helfen wird es schon. Ich habe einige Patienten in meiner Praxis, die gerne in Österreich Urlaub machen und dabei in Zell am See vorbeischauen. Einige davon sind vom vielen Schüßlern zumindest homöopathisch therapieresistent geworden. Ob das mit den Empfehlungen zu tun hat, weiß ich nicht, halte sie aber für wenig hilfreich.

Zusammenfassend kann man sagen, dass ohne dieses Ehepaar die Schüßler-Salz-Medizin in Deutschland nicht das wäre, was sie ist: Eine Zeitgeisterscheinung, die Millionenumsätze für Verlage und Arzneihersteller schafft. Das ist auch unabhängig von wirtschaftlichen Aspekten ein Verdienst, denn es ist im Prinzip wichtig und zielführend, seine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, zumindest bei Alltagsbeschwerden. Weitergehende Heilsversprechen wird die Schüßler-Therapie nur selten einlösen.


Kommen wir nun zu Gisela Geiger, einer erfolgreichen Autorin, die mit Büchern zu Gesundheitsthemen wie der Epilation mit Wachs oder dem Neurolinguistischen Programmieren begonnen und im Jahr 2000 im Verlag Droemer Knaur eines der meistverkauften Bücher zur Schüßler-Salz-Therapie am Markt publiziert hat: "Die Schüßler-Mineralsalze". Mit ihrem neuen Werk "Schüßlersalze für Kinder" hat sie sich meiner Ansicht nach aber nicht viel Arbeit gemacht. Es ist im Prinzip eine Kurzversion des großen Buches, bei dem auf die Bedürfnisse von Kindern nur am Rande eingegangen wird. Richtig schlimm fand ich allerdings ihren Hinweis am Ende des Buches, wo man Schüßler-Salze beziehen soll.

Dabei listet sie nur eine Firma auf, die im fernsten Winkel Österreichs sitzt, nämlich dort, wo ich zufällig herkomme: Die Firma Kausan bei Wolfsberg im Lavanttal. Ich kenne deren Produkte ganz gut. Sie sind auf einer Ebene mit niederländischen Mineralsalzzubereitungen, die in Deutschland nur unter Namen wie "Calcium fluoratum Typ" verkauft werden dürfen, da sie kein homöopathisches Arzneimittel sind. Das behauptet auch Kausan im Beipackzettel ihrer durchaus preisgünstigen Mineralsalzzubereitungen nicht. Es sind Mineralsalze, aber welche, die mit Schüßler nichts zu tun haben. In Deutschland dürften sie aufgrund der Gesetzeslage ihre Produkte auch nur als Nahrungsergänzungsmittel anbieten. Dass Frau Geiger ein Buch über Schüßler-Salze schreibt, aber sich nicht darum kümmert, was Schüßler-Salze überhaupt sind, finde ich ein starkes Stück, weshalb ich die Besprechung dieses Buches an dieser Stelle beende.


Zeitgleich mit ihrem Buch erschien im Graefe und Unzer Verlag in München ein gleichnamiges Werk des Heilpraktikers Günther H. Heepen. Er ist Pressesprecher des Biochemischen Bundes Deutschland und wird deshalb, wenn hierzulande Medien etwas über die Schüßler-Salze wissen wollen, befragt. Er bereist mit Vorträgen unermüdlich das Land und findet begeisterte Zuhörerschaften, davon bis zu 500 Menschen pro Abend. Ich kenne Herrn Heepen persönlich, da er in Bamberg eine Zweitpraxis unterhält und mit mir im vergangenen Jahr ein Schüßler-Seminar abgehalten hat. Das mag mich voreingenommen machen. Unzweifelhaft aber bleibt sein umfassendes, detailliertes Wissen über die Schüßler-Salz-Methode. Es gibt keine Frage zu dem Thema, die er nicht beantworten könnte. Ich halte ihn für eine echte Autorität auf dem Gebiet, wahrscheinlich derzeit die einzige dieses Kalibers in Deutschland.

Heepen hat das meistverkaufte Buch zur Schüßler-Salz-Therapie geschrieben: "Schüßler-Salze. Der große GU Kompass". Nach seinen Angaben arbeitet der erfolgreiche Heilpraktiker seit 1978 mit Schüßler-Salzen, und wer sein Hauptwerk gelesen hat, erfährt darin alles, was man über diese Heilmethode wissen muss. Kurz gesagt ist Heepen ein Glücksfall für die Biochemie nach Dr. Schüßler, da er in der Tradition dieses Arztes steht und seine Empfehlungen sowohl durch eigene Praxis belegen als auch aus den Erfahrungen deutscher Heilpraktiker ergänzen kann, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Fachzeitschriften ja sehr viel dazu geäußert haben. Heepen gibt auch die Zeitschrift "Weg zur Gesundheit" heraus, eine sehr gut gemachte Naturheilkundezeitschrift, und das Zentralorgan des Biochemischen Bundes, und zeichnet dabei für die Fortentwicklung der Heilmethode auch aus Praxiserfahrungen anderer Behandler verantwortlich.

Sein Buch "Schüssler-Salze für Ihr Kind" ist etwas schmal geworden, dabei aber handlich und hübsch aufgemacht. Heepen vertritt darin die gezielte Gabe eines Salzes je nach Beschwerden des Kindes, und bietet auch bewährte Rezepte an, bei denen Salze miteinander koordiniert werden. Inhalt und Aufmachung richten sich an Eltern, die mit Schüßler-Salzen arbeiten wollen. Positiv fand ich auch, dass er bei jedem Salz ein Behandlungsbeispiel anführt, aus dem man ablesen kann, was Schüßler-Salze bewirken und wie man damit erfolgreich therapiert. Ich halte diesen Zugang zur Heilmethode für den besten. Die Ratschläge sind einfach genug, um von Einsteigern nachgemacht zu werden, und zurückhaltend genug, um Schaden von den Kindern aufgrund einer beliebigen Therapie abzuwenden. Von Paracelsus haben wir heute fast nur den Spruch zurückbehalten, dass nichts ein Gift an sich sei, sondern die Dosis bestimme, ob etwas giftig wirke. In dem Zusammenhang möchte ich mit dem Satz schließen: Ich halte die Empfehlungen der Darbari-Adepten aufgrund der Dosisfrage für giftig und glaube, dass man mit Heepen segensreich schüßlern kann.

(Berndt Rieger; 02/2005)

Dr. Berndt Rieger ist Internist in Bamberg mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Homöopathie.


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Eigene Literatur des Autors zum Thema:
Dr. Berndt Rieger: "Psychologische Schüßler-Salz-Therapie"

Jungjohann, 2003.
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Richard Kellenberger, Friedrich Kopsche: "Mineralstoffe nach Dr. Schüssler" zur Rezension ...