Hermann-Josef Schüren: "Zeit der Wölfe"

Ein spannender historischer Roman von magischem Bilderreichtum


Mit der Kalenderreform des Jahres 1583 soll die Zeitrechnung in den katholischen Ländern der Welt vereinheitlicht werden. Ähnlich wie um das Jahr 200 verbinden die Menschen in dieser Zeit sehr viele unterschiedliche Befürchtungen mit dem damit einhergehenden Sprung um zehn Tage in die Zukunft, und besonders in den Gebieten des protestantischen Einflussbereichs wird diese Neuerung zunächst kategorisch abgelehnt. Denn nur weil ein Papst eine seltsame Idee hat, wollen die Kaufleute nicht auf zehn ertragreiche Tage in einem Jahr verzichten. Somit sind gewisse Grundspannungen bereits angelegt, wobei das Wirken der Inquisition jener Zeit diese noch verstärkt.

Dies merkt auch bald die kräuterkundige Agnieß, die in der Grafschaft Gerhardstein, die sich eigentlich aus allem herauszuhalten versucht, ihren Geschäften nachgeht, nachdem ihre Eltern an der Pest gestorben sind, und die auf Jacobus wartet, einen jungen Händler, in den sie sich im Jahr zuvor verliebt hat. Gemeinsam mit ihrer geistig etwas verwirrten Freundin Joanna, die mit einer Ziegenherde zusammen lebt und eigentlich nie richtig spricht , wird sie von ihren Nachbarn als etwas seltsam angesehen, besonders, da sie sich eher wie ein Junge kleidet und frisiert.

Eines Tages wird Agnieß im Wald Zeugin einer Mordtat und bekommt von dem sterbenden Opfer ein Röhrchen mit einer Botschaft zugesteckt, das sie gut zu verstecken weiß. Wenig später, auf dem Markt, wird sie zunächst von einer seltsamen alten Frau angesprochen, die ihr nach dem Erwerb eines Heilmittels einen Segen gibt, den sie nicht versteht. Ein hinzukommender Physikus auf der Durchreise erklärt ihr, dass die alte Frau eine Art Schutzzauber über sie gesprochen hat. Noch zur gleichen Zeit kommt eine grafschaftliche Gesellschaft auf den Markt, und einer der Angehörigen dieser Gesellschaft - Broekman -, der für die Inquisition arbeitet, beginnt sich in unerfreulicher Weise für Agnieß zu interessieren, was allerdings durch den herbeieilenden Jacobus behindert wird. Bevor dies zu größeren Problemen führt, wird die gesamte Gesellschaft von einem Lederer grob beschimpft, welcher darob verhaftet wird.

Kurz darauf ist der Lederer verschwunden und die grafschaftlichen Häscher, die ihn in Haft führen sollten, werden schwer entstellt und tot aufgefunden. Eine Hetzjagd nach dem angeblich vom Teufel besessenen Lederer beginnt, während verschiedene Omen - das Auftauchen eines Rattenkönigs, lokalisierte Hagelstürme usw. - die Ängste der Menschen in der Grafschaft vor einem bösen Gottesgericht schüren. In dieser Situation gelingt es Broekman, die Befehlsgewalt über die Grafschaft von Graf Hans Gerd von Gerhardstein zu übernehmen und gleichzeitig den papsttreuen Prediger Litzendorf unter seine Kontrolle zu bringen. Als er versucht, die Dörfler mit einem Ring gekreuzigter Dohlen vor dem Zauber des Rattenkönigs zu schützen, befreit Joanna eigenmächtig die Vögel, was sie in den Verdacht der Hexerei bringt und zu ihrer hochnotpeinlichen Befragung und schließlich zu ihrer Verurteilung führt.

Machtlos gegenüber der Situation und traurig, nach einer Nacht mit Jacobus und einer Gruppe Freiheitskämpfer, die sich des nachts wie Wölfe gebärden, beschließt Agnieß, Gerhardstein zunächst den Rücken zu kehren. Weitestgehend unbemerkt bricht sie am Tage der Urteilsvollstreckung auf und begibt sich zu dem Schloss, in dem der Physikus, den sie zuvor kennen gelernt hat, seiner Arbeit nachgeht. Auf der Reise dahin und dortselbst erlebt sie verschiedene interessante Abenteuer, bevor sie schließlich aber wieder nach Gerhardstein zurückkehren muss, wo sich mittlerweile eine Herrschaft der Angst etabliert hat.

Hermann-Josef Schüren, Jahrgang 1954, wuchs in einem kleinen niederrheinischen Dorf auf und besuchte ein Internat. Er studierte Germanistik und Philosophie in Aachen, wo er heute als freier Schriftsteller lebt. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Er ist Förderpreisträger der Stadt Aachen und Literaturstipendiat des Landes Nordrhein-Westfalen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2003)


Hermann-Josef Schüren: "Zeit der Wölfe"
Emons, 2003. 288 Seiten. 
ISBN 3-89705-282-2.
ca. EUR 11,-.
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