Matt Ruff: "Ich und die anderen"


Bekannt wurde Matt Ruff mit seinem absurden Roman über die Stadtwerke, bevor er dann seine elfenhafte Geschichte über den "Fool on the Hill" schrieb. Nach einer langen Pause folgte nun dieser Roman, der zwar auch wieder einige sehr lustige Passagen enthält, aber wesentlich ernster und nachdenklicher als die beiden vorhergehenden Werke ist.

Andy Gage wurde 1965 geboren und kurz darauf seelisch infolge Missbrauchs durch seinen Stiefvater und das Wegsehen und -hören seiner Mutter getötet. Seine Seele wurde aufgerissen, und neue Seelen entstanden, um mit der Situation fertig zu werden. Eine multiple Persönlichkeitsstörung entwickelte sich, und Andy bekommt verschiedene Persönlichkeiten für unterschiedlich gelagerte Krisensituationen. Dies ist allerdings problematisch, denn einige dieser Seelen sind überaus unsoziale Personen und reiten Andy immer wieder in Schwierigkeiten, wobei die Vordergrundspersönlichkeit namens Andrew dabei des Öfteren gar nicht weiß, was genau vorgefallen ist. Warum man zum Beispiel neben einer bestimmten Person wach wird, oder warum man schon wieder einen neuen Job hat. Dies geht so weiter, bis Andy mit Hilfe von Dr. Grey ein mentales Haus aufbaut, in dem jede Seele ihr eigenes Zimmer hat, und das in einer klar definierten Landschaft von einer Vaterfigur namens Aaron verwaltet wird. Andrew übernimmt währenddessen den Umgang mit der Außenwelt. Die Arbeit mit Dr. Grey wird allerdings nie ganz zum Abschluss gebracht, da ein Schlaganfall der Behandelnden diese unterbricht. Und so brechen einige der Seelen doch manchmal aus, wie zum Beispiel der unangenehme Teenager Adam; Jake, der ängstliche kleine Junge, Seferis, der Verteidiger, und Gideon, der Rebell gegen alles, was durch die Schaffung des Hauses entstanden ist, und noch einige Andere. Infolgedessen findet sich Andy eines Morgens wieder arbeitslos und mit einem Job bei Julie Sivik, einer Frau mit speziellen Problemen, die eine Virtual-Reality-Firma gegründet hat und Andy seiner ganz eigenen Virtual Reality wegen als Berater einstellt, womit sie auch ihr persönliches Helfersyndrom unterstützt.

Dieses Helfersyndrom spricht dann in weiterer Folge auf Penny Driver an, eine Programmiererin, die Julie in einem anderen Zusammenhang kennen lernt. Auch Penny leidet unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung, allerdings ohne dies zu wissen. Als Julie das erkennt beschließt sie, der jungen Frau einen Job zu geben, in der Hoffnung, Andy könne ihr helfen. Dass sie Andy zuvor nicht um Erlaubnis gefragt hat, irritiert sie dabei nicht sonderlich, und auf Andys Vorwürfe in diesem Zusammenhang reagiert sie auch schnell überaus aggressiv. Durch Julie und einige von Pennys Persönlichkeiten unter Druck gesetzt, beschließt Andy schließlich, sich um die junge Frau zu kümmern. Von diesem Moment an beginnt das Fundament seines eigenen virtuellen Hauses stark zu wackeln und er begegnet in sich selbst Persönlichkeiten, die ihm bis dahin noch gar nicht bewusst gewesen sind. So kommen beide MPS-Geschädigten in sehr gefährliche Situationen, bis sie sich zu Andys Geburtsort begeben, um dort einige fürchterliche Wahrheiten aus Andys Leben zu erfahren.

Persönlicher Eindruck: Spannend, durchdacht und ein Beweis dafür, dass man nicht immer sehr ähnliche Bücher schreiben muss, um ein guter und erfolgreicher Autor zu sein.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 05/2004)


Matt Ruff: "Ich und die anderen"
(Originaltitel "Set This House in Order - A Romance of Souls")
Übersetzer Giovanni und Ditte Bandini.
Hanser, 2004. 624 Seiten.
ISBN 3-446-20535-7.
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Matt Ruff, 1965 in New York geboren, wuchs als Sohn eines lutheranischen Pfarrers in Queens auf. Er studierte bei Alison Lurie und schloss 1987 sein Studium an der Cornell University, Ithaca, ab. 1991 erschien sein erster Roman, "Fool on the Hill", auf Deutsch.

Ergänzender Buchtipp:

"G.A.S."
Die Trilogie der Stadtwerke
Hoch über Manhattan wird im Jahr 2023 an einem neuen Turm zu Babel gebaut, der nach dem Willen des visionären Trillionärs Harry Grant die menschliche Fähigkeit zum Träumen bezeugen soll. Inzwischen gehen im Kanalisationssystem merkwürdige Dinge vor. Tief unten in der Kanalisation tummelt sich Meisterbrau, ein mutierter weißer Hai und Liebhaber klassischer Musik. Beinahe fällt ihm Joan, uneheliches Retortenbaby einer Nonne, zum Opfer. Philo Dufresne führt mit seinem U-Boot "Yabba-dabba-doo" eine Attacke gegen einen Eisbrecher: Der Ökopirat ist als Kind von Amischen adoptiert worden, als alle Schwarzen von einem mysteriösen Virus vernichtet wurden. Auf der Suche nach einem Mörder wird ein gigantisches Komplott entdeckt.
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