Herbert Rosendorfer: "Monolog in Schwarz"

Und andere dunkle Erzählungen


Neues von einem großartigen Geschichtenerzähler

Erstaunlich, was sich doch alles in der als öde und langweilig verschrieenen Welt spießbürgerlicher Beschränkung abspielen kann! Herbert Rosendorfer zeigt es seinen  Lesern in  fünfzehn großartigen Geschichten auf. 'Monolog in Schwarz' lautet sinnigerweise der Titel seines neuen Erzählbandes, denn dunkel und schwarz wie eine Gewitterfront kommen die Geschichten daher. Wie eine düstere Wolkenbank, aus der sich dann ein Platzregen von Ideen, feinnervigen Beobachtungen, gelungenen Formulierungen etc. auf den Leser ergießt. Doch allenthalben blinken die Wolkenfenster des Humors aus dem sie umgebenden Dunkel und strahlen Wärme ab, überziehen das Dunkle, das Böse mit menschlicher, beinahe seraphischer Milde.

Schon die erste Geschichte, der 'Monolog in Schwarz' ist dermaßen überzeugend, dass der Erwartungspegel beim Leser sich gleich zu Anfang auf hohem Niveau einpendelt. Und die vierzehn Erzählungen, die dem 'Monolog in Schwarz' dann folgen, die vermögen durchaus zu halten, was dieser verspricht. Hier gibt es kein Mittelmaß, alles trägt den Stempel des Besonderen, Herausragenden. Rosendorfer zählt für mich zu den ganz Großen der deutschen Nachkriegsliteratur, ihn zu lesen, ist ein pures Vergnügen. Er weiß die alltäglichste Begebenheit beim Schwanz zu fassen, um sogleich die Perlen seiner brillanten Fantasie darauf zu reihen. Er vermag das Bizarre, das Außergewöhnliche und auch das Böse auf seinen oftmals banalen Ursprung zurückzuführen. Ja, Rosendorfer blickt hinter die Fassade harmloser Biederkeit, und manchmal scheint es einem auch, als unternehme er auf den Flügeln seiner Fantasie retrospektive Ausflüge in seine Zeit als Jurist (Rosendorfer war lange Jahre als Staatsanwalt und als Richter tätig), um fantasievoll aufpolierte Anekdoten aus seiner juristischen Praxis preiszugeben. Um beispielsweise zu zeigen, wie niemand im Grunde das Böse will, wie es aber doch immer wieder durch eine Hintertür Eingang findet in das Verhalten oder in die Gedanken eines Menschen, oder anders gesagt, dass das Nicht-Handeln manchmal erst dem Bösen die Tür öffnet, wie beispielsweise in der Erzählung 'Deutsche Weihnacht'.

Zynisch nimmt Herbert Rosendorfer die Ausgeburten moderner Kunst aufs Korn, eine Kunst, die sich immer stärker zum Narrenhause einer lächerlichen, sich in widerwärtigstem Blödsinn prostituierenden Kunst-Boheme entwickelt. Rosendorfer bekundet denen seine Solidarität, die noch malen und vielleicht nur deshalb erfolglos sind, weil sie eben nicht ihre Fußnägel in eine Flasche füllen und diese dann für eine horrende Summe an ein durch Steuergelder mitfinanziertes Museum verhökern. Zum Beispiel. Nur einmal zum Beispiel.

Der Gehalt der Erzählungen, ihre Originalität, die feinen Spitzen und versteckten Pointen, der Wortwitz des Autors ... dies alles verdient natürlich ein zweites Lesen. Mindestens. Beeindruckt war ich außerdem von der thematischen Vielfalt der Geschichten, sie bieten dem Leser anregende, abwechslungsreiche Unterhaltung auf höchstem erzählerischem Niveau. Einige der Geschichten bieten zweifellos auch Stoff für einen ganzen Roman. Herbert Rosendorfer zeigt sich in dieser Geschichtensammlung einmal mehr als ein ungemein sympathischer Autor, geistreich, humorvoll und tief in das Wesen der Dinge und Menschen hinein blickend. Eines der kurzweiligsten Bücher, die ich jemals gelesen habe.

(Werner Fletcher; 07/2007)


Herbert Rosendorfer: "Monolog in Schwarz und andere dunkle Erzählungen"
Gebundene Ausgabe:
LangenMüller, 2007. 224 Seiten.
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Hörbuch:
LangenMüller, 2007. Gelesen von Michael Heltau.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2010.
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