Anne Rice: "Blut und Gold"
Aus der Chronik der Vampire
Die 2000 Jahre umfassende Lebensgeschichte des Vampirs Marius: vom Alten Ägypten bis nach Dresden spannt sich der erzählerische Bogen.
Den meisten Freunden von
Vampirgeschichten und neo-gotischer Literatur sind die üppigen Romane von Anne
Rice gut bekannt, und auch die Nichtleser, die vielleicht lieber Filme
anschauen, kennen zumindest "Interview mit dem Vampir" und den eher etwas
albernen Streifen "Königin der Verdammten".
Lestat, der bekannte
Blutsauger aus diesen Romanen und Filmen, spielt in "Blut und Gold" eine eher
unbedeutende Rolle und tritt eigentlich auch nur am Beginn des Romans in
Erscheinung. Thorne, ein alter Vampir, hat Jahrhunderte in einer Höhle schlafend
verbracht, währenddessen nur mit Hilfe des Geistgeschenks den Vorgängen in der
Welt gelauscht und sich daran erfreut. Doch die Ereignisse um Lestat und
Akaasha, (wie in den beiden Filmen und den dazu gehörigen Büchern berichtet),
haben sein Interesse geweckt. Er beschließt seine Höhle zu verlassen, sich die
Welt anzuschauen und einen der an der Zerstörung Akaashas Beteiligten zu finden,
um mehr über diese Geschehnisse in Erfahrung zu bringen. Nach kurzer Zeit findet
er in einer Schenke den steinalten Vampir Marius, der ihn freudig aufnimmt und
ihm seine Lebensgeschichte erzählt. So weit die Rahmenhandlung.
Im Weiteren erfährt der Leser die ganze Geschichte Marius', vom Moment seiner
"Geburt im Blute" bis zu den Ereignissen um Akaasha und Lestat. Wir lesen von
seiner gloriosen Zeit im antiken Rom, in der er bereits der Wächter "Derer,
die bewahrt werden müssen" war, über seine Beobachtungen des Aufstiegs des Christentums
und wie dieser auf die Gemeinschaft der Vampire wirkte, sein Entsetzen über
den Fall Roms und die Verschiebung der weltlichen Macht nach
Byzanz, sein eigener
Umzug ebendorthin und seine Bewunderung für den Maler
Botticelli,
den er weit höher als
Michelangelo schätzte. Wir erfahren auch von seiner fieberhaften,
Jahrhunderte dauernden Suche nach seiner großen Liebe
Pandora, von der er sich
noch vor Christi Geburt im Streit getrennt hatte, seiner Schaffung von Amadeo
- später Armand - in Lorenz und seiner Tätigkeit als Lehrer für junge Sterbliche,
und wie diese Tätigkeit durch das Wirken der vom Christentum negativ beeinflussten
Vampire beendet wurde. Dabei lernen wir auch die Umstände kennen, unter denen
Armand, Lestats späterer Freund, der Anführer der Vampire in Paris wurde. Schließlich
trifft Marius auch auf die Mitglieder der Talamasca, und mit deren Hilfe erfährt
er Einiges über die Reisen Pandoras, die er schließlich in Dresden wiedertrifft,
wo er auch einen neuen Schrein für "Die, die bewahrt werden müssen", es handelt
sich um die Königin der Vampire und deren Gemahl, errichtet hat.
Der gewollt antiquierte sprachliche Stil
und die damit verbundenen häufigen Wiederholungen und ständigen Betonungen von
Gemütszuständen und ihren Wirkungen sorgen des Öfteren für ermüdende Längen bei
der Lektüre dieses Romans, was aber seiner insgesamt eher positiven Wirkung
keinen allzu großen Abbruch tut. Wer die frühen Romane von Anne Rice schätzte,
wird hier wieder den typischen Stil finden und die Enttäuschungen der letzten
paar Werke mit Freuden vergessen. Für jene, die Bücher
von Anne Rice
nicht kennen, ist dieser Roman allerdings höchstwahrscheinlich eher
unzugänglich, und diese sollten zumindest "Interview mit einem Vampir", "Königin
der Verdammten", "Pandora" und "Der Körperdieb" lesen, um sich auf "Blut und
Gold" einzustimmen. Wie Kaffee und gewisse
alkoholische Getränke ist die Lektüre von Rice ein acquired taste, der
der Leserin und dem Leser Einiges abverlangt, genau wie manche älteren Werke der
Weltliteratur.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2004)
Anne Rice: "Blut und
Gold"
(Originaltitel "Blood and
Gold")
Aus dem Englischen von Barbara Kesper.
Hoffmann und Campe, 2004.
576 Seiten.
ISBN 3-455-06266-0.
ca. EUR 23,90.
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