Peter Renner: "Griff in die Luft"

Eine Jugend im Schatten des großen Oggersheimers und der BASF

Und wenn ihr betet,
sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden;
denn sie meinen, sie werden erhört,
wenn sie viele Worte machen.

(Matthäus 6,7)


Martin, Richard und Thomas bereiten sich auf ihr Abitur vor. Alle drei leben in Ludwigshafen am Rhein, einer deutschen Stadt, mit der man in einem Urlaub kaum Mädchen beeindrucken kann, denn dann müsste man schon in London oder zumindest in München leben. Aber für Martin ist das kein Problem, da er sich verschiedene Alternativen für die Bedeutung Ludwigshafens zurechtgelegt hat und außerdem seine Frustrationstoleranz relativ hoch ist.

Überhaupt scheint Richard der Einzige zu sein, der sich ernsthaft auf das Abitur vorbereitet, da er unbedingt den Numerus clausus schaffen möchte und bereit ist, dafür einiges an Arbeit zu investieren. Martin lässt sich von ihm mitreißen, trotz der ätzenden Kommentare von Thomas, der seine schulische Laufbahn nicht sehr ernst nimmt, da ihm eine Karriere als Profifußballer vorschwebt, und er lieber an seinem Auto bastelt als für die Schule zu büffeln. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist sowieso, die Polizei auf Trab zu halten, und dafür hat er immer kongeniale Einfälle, wie die Düsen der Scheibenwaschanlage so zu präparieren, dass das Wasser bei einer Verkehrskontrolle direkt in das Gesicht des Polizisten gespritzt werden kann.

Martin, der anfänglich noch einigermaßen am Schulalltag interessiert war, leidet unter seiner Familie. Seine Mutter studiert und beansprucht den Sohn öfter als Prüfer für ihr erlerntes Wissen, sein Vater ist Leiter einer Abteilung bei einem großen Chemiewerk und Hobbysportler und Vegetarier, was zu permanenten Konflikten mit seiner Frau führt, die sich wiederholen, sodass Martin direkt irritiert ist, wenn diese Routine plötzlich unterbrochen wird. Verschiedene Dialoge der Eltern, die Martin wortwörtlich aus dem Gedächtnis abrufen kann, entbehren nicht einer gewissen Komik und erheitern den Leser ungemein, zumal diese Art der Gespräche wohl keinem von uns gänzlich fremd erscheint. Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Nachbarschaft mit einem Politiker, der permanent vom Grenzschutz bewacht wird und per Hubschrauber unterwegs ist, was zu einigen Irritationen führt. Die Kontrollen der Polizei, auch was die Gäste der Bewohner der Siedlung betrifft, sorgen immer wieder für Gesprächsstoff und Widerstand. Martin lernt bei Richard die Frau seines Lebens, Anne, kennen und aus dem besonnenen jungen Mann wird ein von Eifersuchtsanfällen geplagter Teenager. Vielleicht hätte diese witzige Geschichte noch gut ausgehen können, hätte Martin seine verrückten Ideen nicht in die Tat umgesetzt und Thomas nicht beschlossen, die Beamten des Bundesgrenzschutzes zu ärgern.

Mit diesem Roman ist dem Autor Peter Renner ein spannendes und witziges Psychogramm dreier Schüler gelungen, deren Leben von ihrem Geburtsort und der dort ansässigen Industrie nicht unberührt bleibt.

Peter Renner wurde 1965 in Ludwigshafen geboren und studierte Philosophie in München, wo er heute als freier Autor und Übersetzer arbeitet.

(margarete; 05/2003)


Peter Renner: "Griff in die Luft"
dtv, 2003. 296 Seiten. 
ISBN 3-423-24353-8.
ca. EUR 15,-.
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