Bernd Schuh: "50 Klassiker Naturwissenschaftler"

Von Aristoteles bis Crick & Watson


Fünfzig Porträts spiegeln zweieinhalb Jahrtausende naturwissenschaftlicher Erkenntnis wider

Das Bestreben der Menschen, die Natur zu beobachten, ihre Beobachtungen zu interpretieren, die beobachteten Dinge oder Phänomene zu ordnen und mithilfe der daraus bezogenen Erkenntnisse ihre Umwelt zu verstehen, reicht mit Sicherheit in prähistorische Zeiten zurück. Von einer naturwissenschaftlichen Vorgehensweise im modernen Sinne kann man indes erst ab Aristoteles und Archimedes sprechen. Lange Zeit freilich waren die Forscher den religiösen Vorstellungen ihrer Zeit verhaftet oder auch ausgeliefert (wie Galilei), und erst im Zuge der Aufklärung kam es zu einer Häufung bahnbrechender naturwissenschaftlicher Erfindungen und Entdeckungen. Diese sind eng mit den Persönlichkeiten verbunden, die durch unbeirrbaren Fleiß oder gelegentlich durch Zufall (hierzu gehört zum Beispiel die Entdeckung der Röntgenstrahlen) und oft gegen Widerstände der Machthaber oder ihrer Kollegen zum Durchbruch gelangten.
Bernd Schuh, selbst Naturwissenschaftler, hat die Viten fünfzig bedeutender Naturwissenschaftler so zusammengestellt, dass sich aus ihnen wie selbstverständlich ein Überblick über die Entstehung und Entwicklung der unterschiedlichen Disziplinen ergibt. Die Abschnitte sind chronologisch (nach Geburtsdaten) geordnet und enthalten jeweils zwei Teile: einen Essay zu den wesentlichen Entdeckungen und Arbeiten des jeweiligen Forschers, der auch dessen wissenschaftliches und, wo nötig, politisches Umfeld sowie Verknüpfungen zu Entdeckungen anderer Wissenschaftler enthält, und den biografischen Teil "Leben und Werk". Dieser wird ergänzt durch einen Absatz "Wissenswertes", in dem man Extrainformationen findet, die das Verständnis für das Lebenswerk des jeweiligen Forschers fördern, durch Empfehlungen bezüglich Literatur, Museen, Ausstellungen und Websites sowie durch eine knappe, schlagwortartige Zusammenfassung: "Auf den Punkt gebracht". Zahlreiche Abbildungen, darunter Originalskizzen aus manch bedeutsamem Werk und hier und da eine zeitgenössische Karikatur auf Kosten der Forscher, Fotos der Protagonisten und ihrer Labors bieten ergänzende visuelle Eindrücke, wie man es von der Reihe "Gerstenberg Visuell" erwartet. Hier und da enthalten auch die Essays Kästen mit weiterführenden Informationen.
Unter den porträtierten Naturwissenschaftlern findet man nicht nur die weithin bekannten Namen wie Galilei, Newton, Liebig, Einstein, Max Planck und so weiter, sondern auch Forscher, die zu Unrecht kaum Würdigung erfuhren oder heute vergessen sind. Hierzu zählen zum Beispiel der jung verstorbene Sadi Carnot, ein Wegbereiter der Thermodynamik, und Michail Lomonossow, der eine atomistische Vorstellung von Wärme und Materie vertrat und daraus logisch die Existenz eines absoluten Nullpunkts der Temperatur ableitete, lange, bevor diese Ideen sich etablierten; aber Lomonossow war Russe und wurde im Westen ignoriert.
Dem Autor gelingt es zudem, die Zwiespältigkeit der Verdienste mancher Forscher deutlich, aber wertungsfrei darzustellen. Als Beispiel sei Fritz Haber genannt, der ein bis heute bedeutendes Verfahren zur Ammoniaksynthese entwarf, jedoch im Ersten Weltkrieg Kampfgase entwickelte und ihren Einsatz befürwortete. Der Leser kann sich daher auch ein Bild vom ethischen Aspekt der Forschung machen, dem Abwägen von Nutzen und Risiko.

Die Essays sind lebendig und sehr anschaulich verfasst; Vorkenntnisse benötigt der Leser nicht. Auch die kompakteren Texte zu Leben und Werk lassen sich vorzüglich lesen. Das Buch eignet sich für Jugendliche und Erwachsene, die sich auf unkomplizierte und individuelle Weise ein Bild von der Geschichte der Naturwissenschaften machen möchten, ohne viele Fachbücher zu konsultieren. Der Autor ermöglicht es dem Leser trotz der Allgemeinverständlichkeit, recht tief in die jeweilige Materie einzudringen.
Beim Lektorat wurden ein paar Kleinigkeiten übersehen (zweimal wird im Haber-Essay Ammoniak aus Wasserstoff und Sauerstoff statt Stickstoff synthetisiert, einmal der Begriff "Element" mit "Isotop" verwechselt - Essay über Otto Hahn), doch das scheint angesichts der überwältigenden Fülle an packend aufbereiteten Fakten durchaus verzeihlich. Der Band überzeugt zudem durch die Bildqualität und sein sehr ansprechendes, vielseitiges Layout. Er ergänzt das eher trockene Schulwissen hervorragend und um eine persönliche Komponente bereichert und vermittelt darüber hinaus auch den Abenteuercharakter naturwissenschaftlicher Forschung.

(Regina Károlyi; 03/2006)


Bernd Schuh: "50 Klassiker Naturwissenschaftler"
Gerstenberg Verlag, 2006. 264 Seiten.
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Bernd Schuh, geboren 1948, studierte Physik, Chemie und Mathematik in Köln. Nach der Promotion 1977 habilitierte er sich in Physik. Er arbeitete als Wissenschaftler und Dozent an der Universität zu Köln und an der University of California in San Diego. Heute ist er als freier Autor und Moderator für Hörfunk, Fernsehen und Zeitschriften tätig. Für sein im Gerstenberg Verlag erschienenes Umweltlexikon erhielt er den Jugendliteraturpreis 2002.

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