Jürgen W. Möllemann: "Klartext. Für Deutschland"

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr war Jürgen Möllemann.


Die Anhänger Jürgen W. Möllemanns werden das Untersuchungsergebnis, dass sein Tod beim Fallschirmspringen entweder Selbstmord oder ein Unfall war, wohl niemals akzeptieren, und so polarisiert Möllemann auch nach seinem Tod immer noch das politische Denken der Menschen in Deutschland. Für die Einen war er der neunmalkluge gefährliche Schwätzer und Opportunist, der ohne Rücksicht auf Andere seine eigenen Interessen und seine eigene Karriere in der FDP vorantrieb. Für die Gegenseite war er einer der wenigen Politiker, die ohne Rücksicht auf Verluste die Wahrheit sagen und dafür von den Parteigenossen, einem Teil der Medien und natürlich der Opposition gnadenlos und in ungerechter Weise abgebügelt werden. Und zwischen diesen beiden Polen gab und gibt es verschiedene Abstufungen der Beurteilung, wie es stets der Fall ist.

Das vorliegende Buch ist zunächst einmal eines über Jürgen W. Möllemann selbst. Und am Anfang berichtet uns der Text - relativ unsystematisch - von Möllemanns politischem Werdegang, zunächst in der CDU und später dann in der FDP. Hierbei zeigt er deutlich, wer seine politischen Vorbilder sind und wo er auf der anderen Seite Fehler sieht, die innerhalb seiner Partei immer wieder gemacht wurden, aber auch von anderen Parteien. Zu sagen, dass er dabei ausnahmslos nur über Andere herzieht, wäre nicht ganz adäquat, aber die Momente der Selbstkritik sind dermaßen selten, dass man sehr schnell beim Lesen den Eindruck bekommt, außer Möllemann konnte kaum jemand etwas richtig machen. Am ausgiebigsten zeigt sich dies in der Beschreibung des letzten Bundestagswahlkampfs und des vorangegangenen NRW-Wahlkampfs. Hier hatte sich nämlich das PR-Konzept der NRW-FDP anscheinend bewährt, wohingegen die verwässerte Bundeskampagne eher ins Gegenteil umschlug.

Im Anschluss an diese sehr lange Aufrechnung von Fehlern und Fehlschlüssen seines politischen Umfelds geht der Autor dann auf seine persönliche und berufliche Verbindung zum Nahen Osten ein und darauf, wie er für verschiedene Gruppen zu einem Ansprechpartner geworden ist. Hierbei wird deutlich, dass er die Probleme des Nahostkonflikts durchaus sehr differenziert betrachtet und einige Überlegungen, die er zu diesem Thema anstellt - sowohl in Bezug auf Israel und Palästina, wie auch in Bezug auf die Rolle der USA in der Region - unterscheiden sich qualitativ nicht von dem, was man in der amerikanischen Presse im Lauf der letzten zehn Jahre zu diesen Themen lesen konnte. Die Idee einer KSZE-Entsprechung für den Nahen Osten kann man eigentlich nicht wirklich verurteilen. Was den Flyer zur Bundestagswahl angeht, in dem die israelische Politik kritisch beurteilt wurde, und der Möllemann im Nachhinein den Vorwurf des Antisemitismus einbrachte, so wird auch hierzu Einiges gesagt, und der Flyer selber ist in der Buchmitte mit einigen anderen Zeitdokumenten abgedruckt, so dass sich diejenigen, die das corpus delicti gar nicht oder vielleicht auch nur auszugsweise in der Presse wahrgenommen haben, ein eigenes Bild von diesem Schriftstück machen können.

Ab Seite 191 wird eine Art Möllemannsches Politikprogramm für die Zukunft aufgestellt, das bereits zuvor mehrfach angedacht wurde. Es würde zu weit führen, hier alles zu referieren, und die Inhalte der einzelnen Punkte schwanken zwischen banal über bedenkenswert bis bedenklich, so dass ich jedem, der über die Figur und die Ideen Möllemanns mitreden möchte, nur raten kann, diesen Teil des Buchs zumindest eigenständig wahrzunehmen und auseinander zu sortieren.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2004)


Jürgen W. Möllemann: "Klartext. Für Deutschland"
C. Bertelsmann, 2003. 256 Seiten.
ISBN 3-570-00755-3.
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