Bernhard Mac Laverty: "Cal"
Ein Buch, das besondere Behandlung verdient ...
Schulliteratur ist immer ein bisschen anders, wenn man sie bearbeiten muss, aber trotzdem lässt sie sich sicher auch mit einer gewissen Berechtigung einer breiten Öffentlichkeit vorstellen, wenn sie auch außerhalb der Schule interessant sein sollte. Besonders, wenn man bedenkt, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler in den Genuss des betreffenden Werks gekommen sind. "Cal" ist eines dieser Bücher, das diese besondere Behandlung sicherlich verdient.
Cahal Mc Cluskey ist ein junger arbeitsloser Ire, der zusammen mit seinem Vater in einer vorwiegend protestantischen Ecke von Belfast lebt. Die Arbeit, die sein Vater ihm in einem Schlachthaus verschafft hatte, war zu viel für seinen Magen gewesen, und so wartet er nun vorwiegend auf seinen vierzehntägig kommenden Sozialhilfescheck, hört Musik von den Stones, raucht Zigaretten und fährt gelegentlich für Mitglieder der IRA den Fluchtwagen, wenn sie auf Einsätzen unterwegs sind.
Gerade die letztere Tätigkeit bereitet ihm allerdings zunehmend Schwierigkeiten, nachdem er vor einigen Monaten bei der exemplarischen Exekution eines R.U.C.-Offiziers der Wagen gefahren hat. Und als Crilly, ein ehemaliger Klassenkamerad und sein Kontakt zur IRA ihn das nächste Mal zu einem Einsatz auffordern möchte, teilt er ihm mit, dass er nicht mehr für die IRA zu arbeiten gedenkt. Dies ist etwas problematisch, denn Cal sah sich immer als eine Art freier Mitarbeiter, wohingegen seine Kontaktpersonen ihn als einen Soldaten sehen. Seinen Ausstieg in der gegebenen Situation würden sie darum auch als Desertieren in Kriegszeiten betrachten und entsprechend ahnden.
Im Rahmen einer Auslieferung von Holz, das er zusammen mit seinem Vater geschlagen hatte, bekommt Cal einen Job als Erntehelfer außerhalb der Stadt angeboten, den er gerne annimmt. Dabei stellt er etwas erschrocken fest, dass seine Arbeitgeber die Eltern des Mannes sind, für dessen Ermordung er als Fahrer mitverantwortlich war. Wenig später wird das kleine Haus, in dem er mit seinem Vater wohnt, niedergebrannt und Cal zieht heimlich in eine Ruine auf dem Grundstück seiner Arbeitgeber ein, die ihm mittlerweile eine feste Anstellung gegeben haben, während er seinen Vater bei einem Bekannten in der Stadt unterbringt. Auf dem Lande ist er vor dem Zugriff und den Forderungen der IRA sicher, und auch seine feindseligen protestantischen Nachbarn können ihm nichts mehr tun. Außerdem ist er hier in der Nähe von Marcella, der hübschen jungen Witwe des R.U.C.-Offiziers, der erschossen wurde, in die Cal sich unglücklicherweise verliebt hat, was ihn neben seiner katholischen Erziehung noch weiter mit Schuldgefühlen belastet. Dass Marcella seine Zuneigung erwidert macht die Sache nicht unbedingt leichter.
Ein kurzes Buch, das allerdings in seiner Kürze die Situation der irisch-katholischen
Jugendlichen in den troubles sehr anschaulich darstellt und auch heute
noch eine gewisse Aktualität hat, da unsere Welt immer noch von Sektierertum in
größerem und kleinerem Stil erschüttert wird. Durch die guten und ausführlichen
Anmerkungen in dieser Ausgabe auch für denjenigen, dessen Schulenglisch schon
etwas angerostet sein sollte, durchaus im Original lesbar.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2002)
Bernhard
Mac Laverty: "Cal"
Taschenbuch:
Diesterweg, 1988. 136 Seiten.
ISBN 3-4250-4839-2.
ca. EUR 8,95.
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