(...)
Ihre brünetten Locken wippten auf und ab, Speichel
schäumte im rosa Kugelmund, lagerte sich aus, hochgebogene
Lippen, und im kleinen Näschen blühte der Atem - wie
Gedärme warm. Die Wangen waren gefleckt. Montparnasse, nein
Mopsnase. Selten hatte die Welt so ein verdorbenes Hurengesichtchen
ausgespuckt, so eine Fleisch gewordene Frivolität. Sechs Jahre
alt. Genug. Der Rumpf ein weißes, rindenloses Brot, beinahe
Osterpinze.
Wie reingesteckt die Arme, Beine zum Abreißen einladend lang.
Die Zehen hingetupft. Kaulquappen ihre Finger, schon mit Horn, die
griffen nach dem Kleidchen, hoben die Blumenwiese hoch. Nieder. Die
Pepi kauert, sich, im Sand der Blick. Posieren.
Nun denn, hü-hott! Zwischen
ihren Beinchen, mitten heraus aus diesem Strich von Leib, sprudelte
Wasser in den Sand, dunkelte ihn, streute ihm Perlen,
Kusshände, machte ihn handlicher, greifbarer, fest. In eine
Gießkanne war Pepi jetzt verwandelt, das sparte Zeit. Sonst
hätte sie Wasser holen müssen. Wie? Mit einer Kanne.
Die war? Sie sah sich um. Sie sah den Sand, die Bäume,
Bänke, Häuserwand. Da, da war die Kanne, da Schuhe,
Schaufeln und die Kuchenform. Ihre Schuhe waren das nicht, es waren
viel größere, und Hosenbeine steckten daran, nein,
noch mehr, gleich ein ganzer Mann. Der saß ihr
gegenüber, schaute sie an. Die Pepi lächelte.
Verlegenheit. Der Mann lächelte zurück, das
heißt, er sah durch sie hindurch, schaute in ihr
Kleid
hinein, ihr mitten in den Bauch, das rindenlose Brot, das Innenfleisch.
Das kitzelte - so sehr dehnte er den Strich zur Fläche aus.
Wie Pizzateig. Jetzt lachte Pepi noch viel mehr, fühlte sich
durchzogen, schamhaft, aufstehen wollte sie, gehen.
- Nein, bleib, kam aus dem Mund des
Mannes. Nein, bleib, kam es aus den dicken Lippen, Schnittlauchhaar.
Und seine schwieligen Hände mit den schmutzigen
Fingernägeln hoben ihr das Kleidchen hoch. Man kann
ja fast nichts sehen vor lauter Blumenwiese überall.
Die Pepi lächelte. Ein Erwachsenengesicht setzte sie sich auf,
was Ernstes. Sand klebte auf ihrer bloßen weißen
Haut, zwischen den Zehen. Der Mann aber war ganz in seinen Augen
aufgegangen, schüsselgroß, sein ganzer
großer Körper hatte sich langgemacht im Blick, sich
gestreckt und in die Pepi reingesteckt. Er war ein Strahl, ein Blick,
der schnaubte, ein Tier. Ein Tier hatte er bei sich. Jetzt sah die Pepi
es. Was Längliches. Was kleines Rotes hielt sich der im
Schoß und streichelte es. Ob das gefährlich war,
davonflog, biss? Ich möchte auch, dachte die Pepi, dieses Tier
berühren, wie lieb, ich möchte auch es streicheln
dürfen. Augen hatte es nicht, nur einen Mund. Nach
Würmchen sah es aus, nach Fisch. So lieb, so klein, gerade
recht zum Puppenmutterspiel. Schon wollte sie ihre kleinen
Händchen danach strecken, da begann der Mann zu jammern,
röcheln, nein und ach, nein bitte, der lange Blick wurde
eingefahren, kürzer, seine Hand streichelte, ja rieb beinahe
wie besessen, als gälte es, einem
Tierschützer
zu imponieren. Nein und ach.
Dabei gefiel dem Tier das gar nicht einmal, es ekelte sich und spuckte.
Es spuckte fast einen Meter weit. Pepi schrak zurück. Na
servus. Der Mann stand auf, hastig, packte sein Tier ein, das
plötzlich klein geworden war, und ging.
- Keinem was sagen, hörst du.
Keinem, nix.
Aber wem sollte sie nichts sagen, und
warum? Was? Der ist lustig, dieser Mann, ob er wohl wiederkommt, mit
seinem Keinem-sagen-nichts, mit seinem Tier? Ob es immer spuckt? Immer
wenn Pepi es streicheln will? Manieren sind das. So stocherte sie in
den großen, weißen Tropfen, die sie an frische
Zitronenglasur erinnerten, an
Weihnachten und Lebkuchen. (...)
Aus dem Roman "Scala Santa oder Josefine Wurznbachers Höhepunkt" von Franzobel.