Ruth Meyer: "Lehren kompakt. Von der Fachperson zur Lehrperson"
Berufliche Weiterbildung - vom Gähnen zum Staunen?
Neue Unterrichtsmethoden
sind in aller Munde, Fachbücher aus den Bereichen Didaktik und Methodik werden
laufend verfasst, und seit einiger Zeit wird der Unterrichtsqualität die angemessene
Beachtung geschenkt. Wer sich in unseren Schulzimmern allerdings auf die Suche
nach wirklich gelebtem pädagogischen Fortschritt macht, wer moderne Lehr- und
Lernformen in der Praxis betrachten will, der wird bald, mit oder ohne Überraschung,
feststellen, dass Wandel und Fortschritt einzig in der Volksschule stattfinden.
Dort, wo Pädagoginnen und Pädagogen am wenigsten
Geld verdienen, etwa im Kindergarten,
oder in der Primarschule, wird längst individualisierend unterrichtet, situationsbasiert
gelernt und ressourcenorientiert gefördert. Und dort, wo die Gruppen in
Sprache,
Kultur und Entwicklungsstand am heterogensten zusammengesetzt und noch dazu
am größten sind, wird erlebnis-, handlungs- und zielorientierter Unterricht
geboten.
Verglichen damit finden wir uns dort, wo Jugendliche und Erwachsene lernen,
in grauer Vorzeit: Man begebe sich etwa in die winzig kleinen Räume eines Gymnasiums,
den Hörsaal einer Uni oder gar in den Kursraum eines durchschnittlichen, schweizerischen
Unternehmens: Zu entdecken sind dort nebst dem guten alten Frontalunterricht
allenfalls noch Hellraumprojektor, Flipchart und, im besten Fall, ein Beamer
als vermeintliche Symbole zeitgemässer Pädagogik.
Ein neues Buch, welches sich unter dem Motto "Frontalunterricht muss nicht sein!" explizit an Fachpersonen, die berufliche Weiterbildung vermitteln, wendet, scheint daher hochwillkommen!
Und beim Lesen des
Inhaltsverzeichnisses lacht einem denn auch förmlich das didaktische Herz!
Kapitel 1 etwa listet katalogartig die Anforderungen an eine Lehrperson auf,
und beim Lesen dürfte sich manch eine/r, die/der sich selbstbewusst Dozent/in
nennt, die Augen zünftig reiben: Von Lehrenden werde unter anderem erwartet,
dass sie Lernprozesse methodisch abwechslungsreich und zielorientiert initiieren,
lernpsychologische Erkenntnisse umsetzen, soziale Prozesse aufgreifen und steuern
und die Unterrichtsqualität überwachen, schreibt die Autorin!
In den weiteren Kapiteln wird vom Individualisieren gesprochen, von Konfliktmoderation,
entwickelndem Unterricht und von "Merkmalen guter Lehrpersonen"!
Ruth Meyer, 1955,
studierte Pädagogin, ist seit über 15 Jahren in der Weiterbildung von Lehrpersonen
in der Erwachsenenbildung tätig. Ihr Praxiswissen, welches sie in der Beratung
von Einzelpersonen, Firmen und Schulen vermittelt, bezieht sie aus der eigenen
Lehrerfahrung in verschiedenen Fachbereichen. "Die Rolle von Lehrpersonen ist
es, die Lernenden beim Lernen zu unterstützen und ihnen das nötige Rüstzeug
zu vermitteln, damit sie den Stoff selber lernen können", lautet ihr Credo;
nicht ganz neu, aber immerhin zutreffend.
Wer das Buch studiert, stellt fest, dass die Autorin ein breites Fachwissen
über die neuen didaktischen Entwicklungen und Erkenntnisse zusammengetragen
hat. Sie kennt die moderne Fachliteratur und baut sie breit gefächert in ihre
Arbeit ein.
Im Kapitel über "selbstgesteuertes Lernen", als Beispiel herausgegriffen, illustriert die Autorin die Wichtigkeit konkret formulierter Lernziele und verbindet sie mit dem Einbezug der Alltagspraxis der Lernenden. (situationsbasiertes Lernen nach Eberle oder Crittin) Sie zeigt auf, "wie der Weg zu den Zielen teilnehmergerechter und praxisnäher gestaltet werden kann, ohne dabei die Lernziele aus den Augen zu verlieren".
Ausgezeichnet auch ihr Kapitel über verschiedene Lernstile, in welchem sie vier ausgeprägte Lerntypen voneinander abgrenzt.
Neben dem überzeugenden, übersichtlich gegliederten Inhalt lädt das Buch auch durch seine freundliche, optisch ansprechende Gestaltung zum Studium ein. Die Autorin lebt vor, was sie von ihrer Zielgruppe erwartet: verständliche Inhalte, attraktive Präsentation, Beschränkung auf das Wesentliche.
Die Anschaffung sei herzlich empfohlen!
(André Kesper)
Ruth
Meyer: "Lehren kompakt.
Von der Fachperson zur Lehrperson"
h.e.p. verlag, Bern 2004
160 Seiten, broschiert
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