Kveta Legátová: "Der Mann aus Zelary"

Novelle


Die junge und hübsche Brünner-Ärztin Eliska ist während der Nazizeit im Widerstand tätig, nachdem ihr Land als "Protektorat Böhmen und Mähren" dem Dritten Reich angeschlossen wurde. Ihre Tätigkeit beschränkt sich allerdings auf reine Kurierdienste. Nachdem die Widerstandsgruppe aufgeflogen ist, besorgt ihr Slávek, welcher ebenso wie Eliska im Brünner-Krankenhaus tätig ist und ebenfalls dem Widerstand angehört, einen neuen Pass und drängt sie dazu, mit dem Patienten Joza in dessen Heimatdorf Zelary, ein kleines Bergdorf an der mährisch-slowakischen Grenze, zu fahren, ihn zu heiraten und auf diese Weise unterzutauchen.

Diesen Joza, der schwer verletzt in das Krankenhaus eingeliefert wurde, hat Eliska wochenlang gesund gepflegt. Zum Spott aller Kollegen entwickelte sich zwischen Eliska und dem abgrundtief hässlichen und einfachen Sägewerksarbeiter Joza eine fast freundschaftliche Beziehung.
Der mittlerweile genesene Joza ist im Begriff, in sein Heimatdorf Zelary zurückzukehren und willigt, da er sich in Eliska verliebt hat, ein, sie mitzunehmen.
Für Eliska ist diese Reise eine Fahrt in ein neues Leben und ihr ist alles andere als wohl dabei, diesen einfachen Menschen zu heiraten. Freundschaft ist eine Sache, Heirat eine andere. Ihr Unbehagen wird noch schlimmer als sie erfährt, dass es in Zelary üblich ist, dass die Frauen von ihren Männern geschlagen werden und dass Joza als Dorftrottel von Zelary gilt. In Zelary scheint die Zeit stehen geblieben zu sein und Eliska muss ihr Leben völlig umkrempeln. In der sehr einfachen Hütte am Waldrand, in der Eliska und Joza leben, gibt es keinerlei Annehmlichkeiten und Eliska mutiert faktisch von der Ärztin zur Hausfrau.

Doch Eliska erkennt bald, dass Schönheit bzw. Hässlichkeit sich nicht nur mit dem Aussehen definieren lassen und auch Dummheit bzw. Intelligenz nicht so einfach zu bestimmen sind; schnell verändert sich ihr bisheriges Wertesystem. Es ist eben nicht alles so, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Ja, sie beginnt sogar, dieses einfache und spartanische Leben, welches so völlig im Gegensatz zu ihrem bisherigen Dasein steht, zu genießen und es entwickelt sich eine eigene und innige Beziehung zwischen Eliska und ihrem Mann.

Der Roman beschreibt auf wirklich interessante Art und Weise die Unterschiedlichkeit zwischen den beiden Hauptpersonen, das Aufeinanderprallen der beiden Welten und die Annäherung der Ärztin an ein ihr bisher völlig unbekanntes Leben. Es wird auch nicht mit philosophischen Betrachtungen über Beziehungen, Aussehen, Liebe, etc. gespart. Alles in allem ein wirklich gelungener Roman, der nicht nur flüssig zu lesen ist, sondern auch zum Nachdenken anregt.
Der Roman wurde übrigens auch verfilmt, der Film "Zelary", eine tschechisch-slowakisch-österreichische Koproduktion, wurde 2004 für den Auslandsoscar nominiert.

(Wolfgang Varga; 06/2004)


Kveta Legátová: "Der Mann aus Zelary" Legatova
(Originaltitel "Jozova Hanule")
Aus dem Tschechischen von Sophia Marzolff.
dtv, 2004. 156 Seiten.
ISBN 3-423-24420-8.
ca. EUR 12,-. Buch bestellen

Kveta Legátová ist das Pseudonym der in Brno lebenden Autorin Vera Hofmanova (geboren 1919), die während des kommunistischen Regimes als politisch unzuverlässig galt und deshalb nach dem Studium der tschechischen und deutschen Sprache, der Physik und Mathematik als Lehrerin von einer Dorfschule zur anderen versetzt wurde.
Aus den Bergregionen in der Nähe der slowakischen Grenze schöpft sie die Themen für ihre balladenhaften, naturalistischen Geschichten. Gleich mit ihrem ersten Erzählungsband "Zelary" (2001) fand sie größte Anerkennung und erhielt den tschechischen Staatspreis für Literatur 2002. Eine freie Fortsetzung dieser Geschichten ist der vorliegende Roman, nach dem Regisseur Ondrej Trojan 2003 einen erfolgreichen Film mit dem Titel "Zelary" gedreht hat.

Kveta Legátová ist im Dezember 2012 verstorben.

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