Irma Krauß: "Kurz vor morgen"

"Ich hielt das Handy an Uropas faltige Wange"

Fünf-Sterne-Roman über das Kennenlernen zweier gegensätzlicher Menschen


"Kurz vor morgen", ein Roman für junge Erwachsene, schildert das Kennenlernen zweier Menschen, die in all ihren Merkmalen - Alter, Geschlecht, Lebenserfahrung, Interessen und Bedürfnisse - sehr unterschiedlich, ja geradezu gegensätzlich sind. Dennoch finden die 16-jährige Senta und ihr 101 Jahre alter Urgroßvater auf Anhieb Gefallen am anderen und nähern sich einander schrittweise an.

Senta beginnt zu begreifen, wie ein Mann denkt, der zwei Weltkriege und selbst die Kaiserzeit miterlebt hat und der darüber hinaus Jahrzehnte nach dem Tod seiner geliebten Frau noch immer auf ihre Wiederkehr hofft. Uropa Erich seinerseits lernt Sentas Lebensweise zu akzeptieren, was weit darüber hinaus geht, sich nicht an ihren kurzen Kleidern zu stören oder, wenn auch nur zögerlich, seine Scheu vor ihrem Handy abzulegen.

Mit realistischer Schärfe und ungewöhnlich einfühlsamem Beobachterblick zugleich beschreibt die Autorin Irma Kraus, wie es Senta und Erich gelingt, über vier Generationen hinweg eine standfeste Brücke zu bauen. Ungewöhnlich ist das Thema dieses Buches vor allem deshalb, weil das junge Mädchen beschließt, für den letzten Lebensabschnitt des alleinstehenden alten Mannes zu ihm zu ziehen. Obwohl oder vielleicht auch gerade weil der Roman in erster Linie die Gedanken und Gefühle einer Zehntklässlerin offen legt, eignet er sich keinesfalls nur für junge Erwachsene. Ältere Menschen können bei der Lektüre dieses Romans vieles über die Lebenswelt junger Menschen erfahren. Möglicherweise können sie so besser verstehen, welche Hindernisse es für Jungendliche im Umgang mit älteren Generationen oft zu überwinden gilt. Fazit: Der Roman verdient unbedingt fünf Sterne!

(Almuth Weinberg; 04/2004)


Irma Krauß: "Kurz vor morgen"
Buch bestellen