Gerhard Pilgram und Emil Krištof (Hrsg.): "Kovček / Der Koffer"

Was Sie schon immer über die Kärntner Slowenen wissen wollten
Kar ste že vedno želeli vedeti o koroških Slovencih
Deutsch und Slowenisch


In Kärnten gehen die Volkstumsuhren anders. Wer je den unkomplizierten Pragmatismus im Burgenland erlebt hat, der dort in Minderheitenfragen vorherrscht, versteht schwer, warum zwei-, dreihundert Kilometer weiter südwestlich die Forderung nach zweisprachigen Ortstafeln aus "Deutschkärntner" Sicht einem Hochverrat gleicht.

"Kovček / Der Koffer. Was Sie schon immer über die Kärntner Slowenen wissen wollten / Kar ste že vedno želeleli vedeti o koroških Slocencih" versucht, in humoristischer, aber dennoch gut fundierter Weise in die Mysterien des permanenten Abwehrkampfes einzuführen. Das Universitätskulturzentrum UNIKUM entwickelte einen Aufklärungskoffer für Wanderausstellungen nach dem Vorbild des tabuumnebelten "Sexkoffers" der 70er-Jahre. Dieser Koffer soll offensichtlich den Schleier der Verdrängung vom zweiten großen Tabuthema des südlichsten Bundeslandes nehmen. ...
Der vorliegende zweisprachige Bildband ist nun die kompakte Sammlung der Wanderausstellungsexponate für den Hausgebrauch.

Mit kabarettistischer Treffsicherheit brachten die Beiträger zur Ausstellung und die Herausgeber des Buches die Fragen nach den Slowenen auf den Punkt.

Herausnehmbare Nachdrucke von slowenisch beschrifteten historischen Ansichtskarten von Klagenfurt stellen eingangs die Selbstverständlichkeit der Sprachgrenzen südlich (!?!) der Landeshauptstadt in Frage. Fiktive Studienergebnisse zu demografischen und soziologischen Grundfragen ("Wovon lebt der Slowene? - ehrliche Arbeit, Subventionen." "Woran leidet der Slowene? - Depressionen, Magengeschwür, Mundgeruch.") beugen als gelungen Persiflage der Vorstellung vor, man könne mit (pseudo-)wissenschaftlichen Methoden die Ethnizität von Bevölkerungsgruppen messen. Insbesondere der konsequent verwendete, typisierende Singular (der Slowene) zeigt, wie solche Versuche nationaltypischer Festlegung von Bevölkerungsgruppen am Pluralismus der Tatsachen bersten. Doch das Spiel mit Vorurteilen und Stereotypen wird noch deutlicher - und humorvoller. Findet man die Lektüre von Völkertypologien des 19. Jahrhunderts manchmal nur tragikomisch, scheint ein Bastelbogen zur Herstellung eines kleinen Partisanendenkmals bereits deutlich absurd.

Namen als wohl unzuverlässigste Hinweise im nationalen Festlegungswahn dürfen nicht fehlen ("Wie heißt der Deutschkärntner? - Globocnik. Wie heißt der Slowene? - Einspieler, Grafenauer, ... Zwitter."). Ein Ortstafelmemory und das Brettspiel "Denkmaloffensive/ofenziva spomenikov", bei dem es darum geht, in möglichst vielen Kärntner Gemeinden Abwehrkämpfer- bzw. Partisanendenkmäler zu bauen, zu schänden oder zu sprengen, führen in den spielerischen Umgang mit der Volkstumsfrage ein - und sie zeigen deutlich die Züge kindlicher Obsession in der Kärntner Politik.
Das weitblickende Buch endet schließlich, im Sinne eines Ausblicks, mit der Schutzbrille "Karawankengrenze", bei der die Gläser von Bildern des schönsten Panoramas Kärntens, der Karawanken ("wo man mit Blut die Grenze schrieb und frei in Not und Tod verblieb"; Text der Kärntner Landeshymne) ersetzt werden: Ein intensiver Blick auf die trennende Grenze erlaubt keine anderen Eindrücke.

(Wolfgang Moser; 12/2005)


Gerhard Pilgram und Emil Krištof (Hrsg.): "Kovček / Der Koffer"
Drava Verlag, 2005. 166 Seiten.
ISBN 3-85435-459-2.
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