Ernst Hofbauer: "Der Verrat"
Eine Ursachendeutung
hinsichtlich der EU-Sanktionen gegen die politische Wende in Österreich vom
Februar 2000
Die österreichische Bundesverfassung sagt, alle Macht geht vom Volke aus. Sie
bestimmt auch die Zusammensetzung, die Funktion, sowie die Rechte der obersten
Organe. In seinem Buch "Der Verrat" gibt der Autor Ernst Hofbauer
folgende Deutung der Ereignisse vom Frühjahr 2000 wieder, die
politisch-diplomatische Sanktionen der EU-Mitgliedsstaaten gegen die österreichische
Regierung zur Folge hatten.
Am 4. Februar 2000 wurde in der Wiener Hofburg eine neue Österreichische
Bundesregierung der politischen Rechten, an deren Spitze der dem Österreichischen
Bundespräsidenten (HBP) verhasste
Dr.
Wolfgang Schüssel als Österreichischer Bundeskanzler (HBK) stand, durch
eben diesen HBP Dr. Thomas Klestil angelobt. Diese so genannte Wenderegierung
fand in Teilen der österreichischen Politik, sowie auch in Teilen des Volkes,
vorerst nur bedingte Zustimmung (oder wurde gar massiv abgelehnt). Der HBP,
sowie der damalige HBK Mag. Klima und die derzeitigen Oppositionsparteien, die
Sozialdemokratische Partei und die Partei "Die Grünen", meinten, die
Koalitionsregierung der ÖVP und der FPÖ um jeden Preis verhindern zu müssen.
Die Beweggründe, sowohl des HBP und die der Oppositionsparteien, waren jedoch
in dieser Angelegenheit verschiedener Art. Durch Schulterschluss glaubte man den
gemeinsamen Gegner aus dem Felde zu schlagen.
Mit den Bundespräsidenten der zweiten Republik hatte man in der Vergangenheit
schon so manches Problem. Gab es keine Probleme, so meinte die Öffentlichkeit,
dass der Präsident untätig sei. Dr. Klestil erklärte daher im Wahlkampf, dass
er ein aktiver Präsident sein wolle, ohne zu erklären, wie er dies anstellen möchte.
Die Rechte der Präsidenten sind in der Bundesverfassung dezidiert aufgezählt
und fest verankert. Im Grunde hat der Präsident nur sehr wenige Rechte und hat
sich bei seinen Ernennungen wichtiger Staatsfunktionäre an Vorschläge der
Regierung zu halten. Dr. Klestil, ein österreichischer Karriere-Diplomat aus
dem Außenamt (mit einer festen Verankerung eben dort) vermeinte nach seiner
erfolgreichen Wahl auf der außenpolitischen Schiene fortfahren zu können. Sein
Image verlor jedoch an Glanz, möglicherweise zu seinem persönlichen
Vorteil, vielleicht auch zu seinem Nachteil, als er als Generalsekretär im
Wiener Außenamt mit der damaligen 33-jährigen Diplomatin Margot Löffler eine
Liaison einging. Diese Liaison führte nicht nur zur Scheidung des Ehepaares
Klestil, sondern auch zu Kalamitäten im Außenamt, wo eine Getreue des HBK Schüssel,
vorerst als Staatssekretärin und später als Außenministerin das Sagen hat und
somit Vorgesetzte von Frau Löffler war. Andererseits ist nunmehr Frau Löffler
die Ehefrau des HBP und versteht sich solcherart als "First Lady".
Der HBP bekam daher nicht nur wegen dieser Sache offensichtlich Probleme,
sondern es gab zusätzlich bald Meinungsverschiedenheiten mit dem vormaligen HBK
Dr.
Vranitzky wegen seiner außenpolitischen Aktivitäten, die als unangebrachte
Einmischungen in die Regierungspolitik der rot-schwarzen Koalition erachtet
wurden. Noch ungünstiger entwickelte sich sein Verhältnis zu seiner
politischen Heimat, welche immer noch die teils rechtsliberale, teils
christlich-konservative ÖVP ist. Bald schon war die Eiszeit ausgebrochen,
welche noch verschärft wurde durch seine Ehekrise gegenüber seiner ersten
Frau, die in eine Scheidung mündete, was die ursprünglich inszenierte heile
Familienidylle der Klestils als bloßes Theater für die Öffentlichkeit
demaskierte. Letztlich ging er der Unterstützung durch die ÖVP verlustig, da
er sich u. A. den Sozialdemokraten anbiederte. Zur Wiederwahl 1998 ließ er sich
daher von einem mit prominenten Sozialdemokraten besetzten Wahlkomitee
aufstellen, was freilich den taktischen Vorteil hatte, als Präsident aller Österreicher
und nicht nur als Präsident einer Partei ins Rennen um das Präsidentenamt zu
gehen. Die Sozialdemokraten verzichteten folgerichtig auch auf eine
Eigenkandidatur, womit die Wiederwahl Klestils abgesichert war.
Das Volk war (nach Meinung des Autors) von der Arbeit der letzten Regierung von
SPÖ-ÖVP angewidert, da diese keine für dieses Volk erkennbaren Ergebnisse
zustandebrachte. Die Wahl zum österreichischen Nationalrat am 3. Oktober 1999
ergab daher ein Ergebnis, das eine Regierungskoalition nur zwischen SPÖ und ÖVP
bzw. einer dieser beiden Parteien mit der nationalliberalen FPÖ möglich
machte. Da eine SPÖ-ÖVP-Vereinbarung wegen strittiger Sachfragen nicht
zustande kam, die FPÖ aber von der SPÖ als regierungsunfähig bezeichnet und
abgelehnt wurde, kam letztlich eine Regierung FPÖ-ÖVP mit Dr. Wolfgang Schüssel
als Bundeskanzler zustande. Dieses Ergebnis wollte jedoch sowohl der HBP Klestil
als auch die SPÖ mit ihrem vormaligen HBK Mag. Klima im Grunde ihres Herzens
nicht akzeptieren.
Im Zusammenwirken des HBP mit HBK Klima und anderen SPÖ Politikern aktivierte
man die weitgehend von Sozialdemokraten geführten EU-Länder und drohte mit
Sanktionen, falls in Österreich die FPÖ, als eine rechtspopulistische
fremdenfeindliche Partei, in die Regierung komme. Dennoch musste der HBP am 4.
Februar 2000, wenn auch gegen seinen Willen und mit versteinertem Gesicht, die
Regierung FPÖ-ÖVP angeloben.
Beim Internationalen Holocaust-Forum in Stockholm Ende Jänner 2000 wurde
bereits die Sozialistische Internationale, an deren Spitze der Portugiese
Antonio Guterres steht, vom NR-Präsident Dr. H. Fischer über die Entwicklungen
in Österreich informiert. Den EU-Ländern wurde die Sachlage durch Mag. Klima,
im Einverständnis mit dem HBP dargelegt und diese zu Sanktionen ermuntert. Als
Koordinationsstelle für die Durchführung der schließlich auch verfügten
Sanktionen hat (so der Autor)
Portugal
fungiert, welches unter Antonio Guterres die Ratspräsidentschaft inne hatte.
Führend hinsichtlich der Betreibung der Sanktionen waren Deutschland,
Frankreich, Schweden und Belgien, die zusammen mit den österreichischen
Oppositionsparteien für ein langes Anhalten der Sanktionen plädierten. Nach
Meinung des Autors war die Motivierung für die Sanktionen gegen Österreich in
der innenpolitischen Situation des jeweiligen EU-Landes gelegen. Man schlug den
Hund
und meinte den Herrn. Österreich musste demnach für innenpolitische Querelen
in
Deutschland, Frankreich und
Belgien herhalten. Dass all die Maßnahmen, inklusive der innerösterreichischen
Demonstrationen, weniger der Regierung als dem Volk schadeten, wollte keiner der
Drahtzieher erkennen. Der Zorn über den Machtverlust machte blind, der Wille
wieder an die Macht zurückzukehren überwog Bedenken über das eigene Handeln.
Die handelnden Personen sind durchwegs Politikerkollegen, die zueinander
"Du-Freunde" waren. Nach Inkraftsetzung der Sanktionen wollte niemand
von den ehemaligen Freundschaften und Seilschaften etwas wissen. Man schnitt österreichische
Politiker, wo immer man nur konnte. Auch die innerösterreichischen
Demonstrationen brachten und bringen demnach eher nur einen diffusen Willen zur
demonstrativen Abscheu zum Ausdruck. Das erklärte Ziel, die Rechtsregierung
durch allwöchentliche Demonstrationen zu stürzen, war freilich unrealistisch
und brachte nicht die erhofften Ergebnisse.
Als man Italien ähnliche Sanktionen für den Fall androhte, dass unter
Berlusconi eine Regierung mit Einschluss der eigenwilligen Lega Nord zustande käme,
zog man diese nach Protesten sofort zurück. Im Gegensatz zu Österreich war es
in Italien zu einem Schulterschluss aller maßgeblichen politischen Kräfte
gegen mögliche Sanktionen gekommen, etwas, das in Österreich aus
parteipolitischen Gründen unmöglich erscheint. Bei dem Schulterschluss
handelte es sich freilich auch um einen Vernunftakt, da die Sanktionen schon
gegenüber Österreich versagt hatten, und bei aller Erfahrung das gemaßregelte
Wahlvolk in eine Wagenburgmentalität treibt.
Um aus der verworrenen Situation gegenüber Österreich ohne Gesichtsverlust
wieder heraus zu finden, bediente man sich letztlich dreier hochgestellter Persönlichkeiten,
und zwar der Herrn Martti Ahtisaari, Marcelino Oreja und Jochen Abraham Frowein,
an welche seitens der EU der Auftrag erteilte wurde, einen Bericht über die
Lage in Österreich und über das Gehaben der Regierung zu verfassen, bekannt
als "Bericht der drei Weisen". Der Bericht entlastete die österreichische
Rechtsregierung im Wesentlichen von allen Vorwürfen, soweit reichend, dass
Sanktionen jedenfalls als nicht angemessen zu erachten seien. Zu welchem Urteil
der Bericht kommt, ist und bleibt Deutungssache. Der Autor meint dazu jedoch,
dass, wenn man zwischen den Zeilen des Berichtes lesen könne, man bestätigt sähe,
dass es in keinem der EU-Länder, besonders bei den sanktionsführenden Ländern,
in jeder Hinsicht so gut steht wie in Österreich. Alle angeprangerten Zustände
seien sogar besser oder zumindest nicht schlechter als in den anderen EU-Ländern.
Trotz des Weisenberichtes waren der liberale belgische Außenminister Louis
Michel sowie die deutsche Regierung für die Fortsetzung der Sanktionen. Auch
der österreichische HBP Klestil mischte sich ein und meinte, dass die Maßnahmen
nur so lange zu suspendieren seien, bis der Artikel 7 des EU-Vertrages neu
geregelt sei. Letztlich mussten sich jedoch alle - wenn auch widerwillig - der
Kraft des Faktischen unterordnen. Am 12. September 2000 hatte der französische
Staatspräsident Jacques Chirac als Ratspräsident der EU das offenkundige
Missvergnügen, die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Österreich zu verkünden.
Plötzlich zeigten sich die Wortführer der Sanktionen an einer Neuregelung des
Artikels 7 des EU-Vertrages desinteressiert.
Das Verhalten der rot-grünen Regierung in Deutschland war während der
Sanktionen (nach Meinung des Autors) äußerst befremdend. Dies umso mehr, wo
doch Österreich durch sein Verhalten im Herbst 1989 wesentlich zur deutschen
Wiedervereinigung beigetragen hätte (oder - nüchterner betrachtet - sich
zumindest zweckdienlich den machtpolitischen Entwicklungen im Warschauer-Pakt
anpasste). Grenzüberschreitende Parteiraison wiege also offenbar mehr als
Dankbarkeit und gute Nachbarschaft. Und auch wir Österreicher müssten endlich
erkennen, dass Parteien wohl nützlich sind, persönlicher Ehrgeiz, Machtstreben
sowie reine Parteiraison jedoch hintanzustellen sind, sobald es um Österreich
und seine Menschen geht.
Bei dem Buch handelt es sich um eine hochgradig subjektive Auslegung der möglichen
Ursachen, die zu den für die europäische Nachkriegsgeschichte einzigartigen
EU-Sanktionen gegen eines ihrer weltanschaulich immer schon eingefügten
Mitgliedsländer führte. Eine Auslegung anhand von Indizien, deren
Bedeutsamkeit man glauben kann oder auch nicht, die der Autor jedoch im Stile
selbstgewisser Wahrheitsverkündung ausführt. Bewiesen ist vorerst jedoch
nichts, die ganze Causa bleibt auch nach Hofbauers Buch eine der Vermutungen,
nicht der Beweise. Gewiss ist der Meinung des Autors das nötige Quantum an
Plausibilität nicht abzusprechen, doch bleibt es doch politisches Spekulieren
aus dem Gefühl nationaler Kränkung heraus. Dass der Autor so genau zu wissen
meint, was dem österreichischen Volk schadet und was ihm frommt, stößt bitter
auf, mag jedoch im Rahmen politischer Tendenzliteratur vertretbar sein. Und
selbst noch, was sich als Verschwörungstheorie der simplen Art anmutet, hat
seinen Platz im Gefüge einer freisinnigen Literatenkultur.
(Hans Schulz; 04/2002)
Ernst Hofbauer: "Der Verrat"
Ibera-Verlag. 294 Seiten.
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