Patrizia Felizitas Ochsner: "Hexensalben und Nachtschattengewächse"

Medizin und Zaubermittel


Hexen, wie sie besonders im 16. Jahrhundert in großer, in die Hunderttausende gehender Menge verbrannt wurden, waren meist weniger mit dem Teufel als mit Botanik und Heilkunde im Bunde. Viel ist schon darüber spekuliert worden, inwieweit die Missgunst vorwiegend männlicher Ärzte bei der Verfolgung der Kräuterweiber eine Rolle spielte, seltener, ob die Inquisitoren mit ihren feinen Folterwerkzeugen vielleicht auch nach interessanten Rezepten fragten - das Phänomen der Hexenhysterie in der frühen Neuzeit erscheint jedenfalls nach wie vor wenig geklärt. Um den medizinischen Aspekt dabei, die Frage, welche Pflanzen, Heilmethoden und Rezepte damals zur Anwendung kamen, geht es in dem vorliegenden Buch.

Zunächst vermittelt die Autorin ein gutes Bild von der Atmosphäre des Aberglaubens, in welcher der berüchtigte Hexenhammer, jenes Handbuch der Heiligen Inquisition zur Hexenverfolgung, ausgeheckt wurde und seit 1487 zur Anwendung kam, zahlreiche Geschichten machen deutlich, wessen man (um nicht zu sagen frau) verdächtigt, wofür man verurteilt werden konnte, überhaupt welche Fantasien und Vorstellungen wirksam waren. Stark bestimmend für die Zeit war die Überzeugung von der Kraft des Gleichen oder Analogen, so etwa in der in Ärztekreisen weitverbreiteten sogenannten Signaturenlehre der Glaube, dass die äußere Ähnlichkeit einer Pflanze mit einem menschlichen Körperteil sie für diesen besonders wirkungsvoll mache, und die Unterteilung der Welt in die Elemente Feuer (heiß und trocken), Erde (kalt und trocken), Wasser (kalt und feucht), Luft (heiß und feucht).

Vor allem ist es der Autorin gelungen, aus der Zeit zahlreiche Rezepte, ernstzunehmende wie kuriose, zu den verschiedensten Leiden aufzutreiben, die sie auch dem Leser nicht vorenthält, allerdings ohne zu vermelden, welche davon sie selbst ausprobiert hat. Stattdessen erläutert sie in ihren Anmerkungen, welche Wirkungen und Nebenwirkungen aus Sicht der heutigen Medizin jeweils zu erwarten seien. Die wichtigsten Heilpflanzen stammen aus dem Bereich der Nachtschattengewächse (Alraune, Tabak, Stechapfel, Erdapfel, Tollkirsche, Tomate, Pfeffer, Bilsenkraut etc.) welche die Autorin nach den diversen Wirkstoffen (Tropalkaloid, Steroid, Nikotin, Capsaicin) einteilt, bespricht und mit Beispielen versieht. Auch in jenen Rezepten, die einen stärkeren magischen Charakter haben, also Anleitungen zu Liebes- und Schadenszauber, zu Schlaf- und Flugsalben ist ein hoher Nachtschattenanteil auszumachen, wenig überraschend nehmen hier Symbolik und Ritual noch stärkeren Raum als bei den Medikamenten ein. Dass man außerdem gar nicht selten das zerlassene Fett frisch geschlachteter Kinder als Ingredienz angegeben findet, kann als starkes Indiz dafür gelten, dass der Teufel auch damals nicht schlief, und macht den Bedarf nur allzu verständlich an einer

Salb wider Zauberey
R. des Fettes von einem Hund / wol zerlassen/ Bärn-Fett / Capaunen Fett
Hasel Mistel annoch grünende Truncos in Stück zerschnitten und zerstossen/ wenn sie noch feucht seyn / zerstoss aber das Holtz. Die Blätter und Beer / misch in einer Violen / die wann du sie wirst 9. Wochen in die Sonn setzen / einen grünen Balsam extrahiren wird. Damit schmier die bezauberten Leiber / besonders aber die schmertzenden Theil / so werden sie gewiss curiret werden.

(Esquilin; 02/2004)


Patrizia Felicitas Ochsner: "Hexensalben und Nachtschattengewächse.
Medizin und Zaubermittel"

Nachtschatten, 2003. 225 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:

Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling, Wolf-Dieter Storl: "Hexenmedizin. Die Wiederentdeckung einer verbotenen Heilkunst. Schamanische Traditionen in Europa"

Hexenmedizin ist die lange Zeit verbotene, geächtete und unterdrückte "alternative" Heilkunst unserer Ahnen, einer Heilkunst, die nicht nur gesund macht, sondern Lust und Erkenntnis, Rausch und mystische Einsicht bringt. Die Autoren nehmen uns mit auf eine Erkundungsreise, die zum Ursprung der Heilkunst, durch die antike Mythologie, zur Hexe als Verkörperung der Sinnlichkeit und schließlich zur Giftmischerin und Heilerin führt. Das Buch öffnet die Tür zum verdrängten Wissen der Hexenmedizin und zeigt Wege, wie die heiligen Pflanzen unserer Ahnen heute wieder genutzt werden können. (AT)
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