Frederik Hetmann: "Zeitenwende"


Dieser letzte Roman des im Jahr 2006 verstorbenen genialen Schriftstellers Frederik Hetmann, der auch unter dem Namen Hans-Christian Hirsch unzählige Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder geschrieben hat, erzählt von seltsamen Erlebnissen des Hildesheimer Museumsdirektors Thomas Hauser. Die Mythologie der insularen Kelten und die frühchristliche keltische Kirche gehören seit Aufbaustudiensemestern in Dublin zu dessen Spezialthemen.

Gerade hat er eine Ausstellung über "Wilde Männer - heilige Orte" abgeschlossen, in der er mittels einer erfundenen Gestalt namens Marcellus versucht hatte, für das Publikum des Jahres 1991 die Klosterkultur des 8. bis 10. Jahrhunderts lebendig werden zu lassen. Nun fährt er in die Schweiz, um dort Vorbereitungen für eine Ausstellung über die Kultur der Maya zu treffen.

Dort begegnet er Juana Milagro, einer wunderschönen Archäologin und Maya-Spezialistin. Der 40-jährige Thomas Hauser, dem es bisher nicht gelungen ist, eine stabile Beziehung zu einer Frau aufzubauen, verliebt sich in sie. Sie erwidert seine Zuneigung, und eine leidenschaftliche Beziehung beginnt. Doch sie währt nur kurz: von Thomas schwanger, wird Juana bei einer Ausgrabung in Mexiko von hinten erschossen. Es sollte ihre letzte große Reise sein, bevor sie sich mit Thomas niederlassen und eine Familie gründen wollte. Auf der Suche nach dem Geheimnis einer unbekannten Maya-Glyphe wird sie zufälliges (?) Opfer eines Rauschgiftsyndikats. Dies erfährt Thomas Hauser von Juana selbst, denn sie beginnt ihm zu erscheinen. Am Anfang dieser Epiphanien schlafen sie sogar noch miteinander, doch dann verflüchtigt sich Juana zusehends, weil sie der knospenden Liebe zwischen Thomas und Juanas Freundin Nicte nicht im Weg stehen will.

Nicte führt Thomas zu der unentzifferten Glyphe am Tor eines verschlossenen Stollens. Die Widerstandskämpfer, mit denen Nicte sympathisiert, vermuten altes Maya-Gold im Stollen und wollen Waffen für ihren Kampf gegen die Regierung kaufen. Juana hat dies zu Lebzeiten immer abgelehnt. Thomas entscheidet sich, zusammen mit Nicte die Glyphe zu entziffern und den Freiheitskämpfern selbst zu überlassen, was sie damit tun.

Auf dem Rückflug nach Deutschland fängt er an zu träumen; einen Traum, der ihn durch das Marihuana, das ihm Juana bei einer weiteren Erscheinung kurz vor dem Abflug gab und den Champagner, den die Stewardess serviert, in eine geheimnisvolle Welt führt. Als er in Frankfurt landet, ist er in ein Koma gefallen, das viele Wochen andauern wird, in dem er eine fantastische Reise unternimmt und mehrfach die Identitäten wechselt. Diese Reise macht den Hauptteil des Buchs aus.

Hetmanns Buch ist ein Fantastik-Roman, der mit dem Übersinnlichen spielt. Gleichzeitig ist "Zeitenwende" sowohl ein Buch über die Maya-Kultur als auch über die Merlin-Sage.

Ich habe die Vermutung, dass Frederik Hetmann mit diesem letzten, im Angesicht der tödlichen Krankheit wohl unter großem Zeitdruck fertiggestellten Werk sein über viele Jahre zusammengetragenes Material über die Maya einerseits und über die Merlin-Figur andererseits noch zu einer Veröffentlichung bringen wollte. Zu offensichtlich ist die Rahmenhandlung, zu ausführlich ist die Schilderung der Maya-Kultur und der Merlin-Saga, die in Länge und Inhalt fast Sachbuchcharakter aufweisen. Man hat das Gefühl, "Zeitenwende" sei zusammengestückelt; das Werk ist nicht aus einheitlichem Guss. Dennoch sind die Ausführungen über die Maya und Merlin sehr aufschlussreich.

Nach dem Tod Hetmanns wird der Literaturwelt eine wichtige Stimme fehlen. Vielleicht ist es an der Zeit, seine früheren Werke wieder zu entdecken, z.B. sein wunderbares Buch über Jesus von Nazareth.

(Winfried Stanzick; 11/2006)


Frederik Hetmann: "Zeitenwende"
Gustav Lübbe, 2006. 284 Seiten.
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Frederik Hetmann wurde am 17. Februar 1934 in Breslau geboren. Er verbrachte seine Kindheit im Niederschlesischen, nach dem Krieg flüchtete er über Thüringen in den Westen. In Frankfurt am Main legte er sein Abitur ab. Anschließend studierte er Pädagogik, Anglistik, Romanistik, Philosophie und Politikwissenschaften in Frankfurt, München und Madrid. Später arbeitete er als Lehrer an einer höheren Handelsschule in Berlin. Er unternahm Studienreisen nach Irland, England, Spanien, in die USA, nach Südamerika, Japan, China, Arabien und Afrika. Frederik Hetmann arbeitete als freier Autor (auch für Rundfunk und Fernsehen), als Lektor für verschiedene Verlage, als Herausgeber und Übersetzer.
Thematische Schwerpunkte seiner umfangreichen schriftstellerischen Arbeit sind Biografien herausragender Persönlichkeiten z.B. Rosa Luxemburg, Georg Büchner, Francisco de Goya, Martin Buber, Martin Luther King und Che Guevara.
Neben dem Schreiben und dem Reisen beschäftigte sich Hetmann auch mit Märchenkunde, Mythologie, Ethnografie, Buddhismus und den Religionen der amerikanischen Indianer.
Hans-Christian Kirsch alias Frederik Hetmann starb am 1. Juni 2006 im Alter von 72 Jahren in Limburg an der Lahn.
Lien zur Netzseite: https://www.hans-christian-kirsch.de/

Zwei weitere Bücher des Autors:

"Traumklänge oder Das längste Märchen, das es je gab"

Als der verhinderte Schriftsteller Izaak in New York von einer schönen Unbekannten mit Namen Eliza eine geheimnisvolle Kugel erhält, verändert sich sein Leben auf mysteriöse Weise: Endlich findet er für seinen großen Roman den Stoff, nach dem er so lange gesucht hat. Er erzählt die weit verzweigte und märchenhafte Geschichte der Kugel und ihrer Traumklänge, "das längste Märchen, das es je gab".
Flötenspieler und Ritter, Kartenzeichner und Dichter, schöne Prinzessinnen und leidenschaftliche Frauen - sie alle und noch viele Andere berührt die Kugel auf ihrem Weg durch die Zeiten. Bis es sie nach New York verschlägt, wo zuletzt eine jüdische Hochzeit gefeiert wird und sich herausstellt, dass sich auch heute noch Märchen ereignen, über die man nur staunen kann.
Ein opulenter Geschichten-Roman, der zum Träumen einlädt und mit überbordender Fabulierlust vergangene Zeiten ebenso beschwört wie das New Yorker Leben heutiger Tage. (Lübbe)
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Seine Leser hat Karl May (1842-1912) in die exotische Welt des Orients und des amerikanischen Westens versetzt, als wäre er selbst auf den Spuren von Winnetou und Old Shatterhand, Hadschi Halef Omar und Kara Ben Nemsi gewandelt. 33 Bände "Reiseerzählungen" hat er verfasst und ist doch so gut wie nie aus seiner sächsischen Heimat herausgekommen. Abenteuerlich war sein Leben trotzdem - Gefangenschaft, Geheimnis und Zweikampf im Namen der Ehre sind darin immer wiederkehrende Situationen. Aufgewachsen mit 13 Geschwistern in einer bescheidenen Weber-Familie, wird er aus materieller Not straffällig. Eine hart urteilende Justiz und seine schon da überschwängliche Fantasie treiben ihn immer tiefer in kriminelle Verstrickungen: Was mit einem Kleinstdiebstahl begann, endet in Amtsanmaßung und Hochstapelei. Im Zuchthaus entdeckt Karl May, 32-jährig, seine erzählerische Begabung. Er schreibt Dorfgeschichten und sentimentale Romane, bevor er die "Reiseerzählungen" zu seinem eigentlichen Motiv macht. Frederik Hetmann erzählt den sozialen und kulturhistorischen Hintergrund von Mays Schaffen und stellt dessen wichtigste Werke in pointierten Rezensionen vor. (Beltz & Gelberg. Ab 16 J.)
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