"Heinrich Heine: Ich will meine Seele tauchen"
Gedichte
(Hörbuchrezension)
Gefühlte Vernunft
Weswegen "feiern" wir Todestage? Wohl, um auf einen Verlust zu verweisen! Mit
Heinrich Heine (1797-1856) ist ein großer Lyriker und Feuilletonist zu würdigen,
der wie Goethe und
Brecht etwa das Liedhafte
mit dem Intellektuellen zu verbinden wusste und der scheinbar leicht-schwebend
über komplexe Stoffe schreiben konnte. Die vorliegende CD mit 66 Gedichten -
gelesen von Rufus Beck und Hanns Zischler sowie dezent musikalisch begleitet
von Rainer Bielfeldt - präsentieret den romantischen und den politischen Dichter
mit dem typischen Ton aus Geist und Gefühl. Die Texte sind entnommen den beiden
Sammlungen "Buch der Lieder" und "Neue Gedichte".
Mit dem Gedichtzyklus "Deutschland. Ein Wintermärchen" (1843) hat Heine wohl
die anschaulichste politische Satire des 19. Jahrhunderts verfasst - sein Einfluss
reicht sicherlich herauf bis zu Autoren wie
H.M. Enzensberger,
P. Rühmkorf und
W. Biermann. Heine, der sich selbst als
"entlaufenen Romantiker" bezeichnete,
hat den Franzosen die
deutsche Romantik erklärt,
volkstümliche Leichtigkeit mit moderner Ironie verbunden - oder wie Marcel Reich-Ranicki
das im "Literarischen Quartett" zu Ehren Heines ("ZDF", 3.2.2006) formulierte:
er habe die Romantik "renoviert". Iris Radisch meinte gar, Heine habe den deutschen
Idealismus "dekonstruiert".
Freilich setzte Heine gegen die Schwärmerei die
Vernunft, den Byron'schen Weltschmerz hat er gesellschaftskritisch überhöht -
er, der ja in Paris mit
George
Sand und Karl Marx verkehrte. Seine Gedichte atmen Schlichtheit und
Klarheit
ohne vordergründig zu sein - die hohe Kunst, Vernunft und Poesie
zusammenzubringen, alles aus einer Distanz zu betrachten, zeichnet Heine aus.
Indem er Sehnsucht durch Ironie bricht, dokumentiert er sein Leiden daran, dass
er nirgendwo eine wahre Heimat gefunden hatte. Seine Gedichte wurden
mittlerweilen über 10.000mal vertont - wobei die vorliegende CD das gesprochene
Wort bevorzugt. Man kann sowieso nicht genug Heine lesen oder hören - also sei
auch diese Kompilation empfohlen.
(KS; 02/2006)
Heinrich Heine:
"Ich
will meine Seele tauchen"
Patmos, 2006. 1 CD, Spieldauer ca. 61 Minuten.
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