Undine Gruenter: "Der verschlossene Garten"

Von den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Liebe - ist das Paradies ein (verschlossener) Garten?


Die "Bühne" für diese Geschichte ist, wie der Buchtitel schon verrät, ein Haus mit verschlossenem Garten, der durch eine hohe Mauer von der übrigen Welt abgetrennt ist.
Soudain, ein älterer Mann, verliebt sich in eine sehr viel jüngere Frau, Equilibre. Beide heiraten und ziehen in dieses Haus. Soudain gestaltet den Garten nur für sie alleine und setzt sie, wie eine Statue, zwischen zwei Pappeln auf eine Steinbank, - sein Lieblingsplatz für sie. Zur Unterhaltung kauft er ihr einen Hund, einen scheuen und zarten, ängstlichen Hund, der wie ein "Windspiel" wirkt und Primavera heißt. Nach einiger Zeit wird diese Zweisamkeit durch Saint-Polar gestört, der mit der jungen Frau eine Affäre beginnt und einige Monate, eingeladen von Equilibre, mit im Haus wohnt. Soudain fühlt sich in seiner Liebe so sicher, dass er sich über die Bemühungen des Rivalen amüsiert. Nach einem Fest, vom jungen Liebhaber als Trumpf im Kampf gegen den älteren Ehemann organisiert, fühlt sich Saint-Polar von Equilibre zurückgesetzt und es entsteht ein explosionsartiger Streit. In Folge flieht Equilibre aus dem Haus und verlässt beide Männer.

Soudain trauert um seine junge Frau, ihm bleibt nur Primavera. Saint-Polar tröstet sich mit der Haushälterin des Ehepaares. Auch als Equilibre ausgezogen ist und ihr Leben als Statistin in einer Theatertruppe lebt, verändert sich Soudains Liebe zu ihr nicht, sie wird nur traurig und voll Sehnsucht. Die Liebe des Mannes in vorgerücktem Alter zu der jungen Frau ist wie ein Kunstwerk.
Nach Monaten trifft Soudain Equilibre wieder, dieses Mal in einem Café, draußen in der Stadt. Er liebt sie noch immer, lässt ihr aber gerade deshalb ihre Freiheit.

Saint-Polar will Equilibre für sich alleine haben, er will sie besitzen, scheitert gerade darin, und es kommt nur zu einer Affäre, nicht zu einer wirklichen Beziehung. Für ihn bleibt am Ende nur die Haushälterin des Ehepaares übrig, die aus der Sicht des Erzählers ihren Aufstieg zur Rechtsanwaltsgattin genießt.

Equilibre scheint frei wie ein Vogel, sie ist auch in diesem für sie alleine geschaffenen Garten nicht einzusperren; selbst darin bewegt sie sich leicht und luftig. Als Begleiterin ist ihr die Hündin Primavera zur Seite gestellt, ein Ebenbild ihrer Herrin.

Der Garten, Undine Gruenter beschreibt ihn sehr genau, ist der Platz von Soudains Liebe. In ihr sitzt, geht, spielt, steht - bildlich gesprochen - Equilibre, der Garten liegt ihr zu Füßen wie eine Morgengabe, ein Geschenk, aber auch Kunstwerk, das Kunstwerk eines liebenden Mannes, der eine neue Art von Liebe zu leben versucht. Nicht die Liebe, die besitzt, auch wenn er seine Frau in diesen Garten einfügt wie Inventar, sondern die Liebe, die frei lässt. Dafür hat er diesen Garten geschaffen, um ihr darin Schutz vor der Umwelt zu geben.

Soudain erzählt in diesem Buch auf 223 Seiten seine kreisenden Gedanken. Diese gliedern sich in vier Kapitel, die jeweils eine andere Sichtweise auf das von ihm Erlebte zeigen.

"Der verschlossene Garten" hatte für mich oft beinahe unerträgliche Längen. Soudains Nachdenken über seine Ehefrau und seine Fantasien hinsichtlich seiner Beziehung sind inhaltlich mitunter weniger interessant und sehr intellektuell gefärbt. Leider wird der Roman zu spät, erst im letzten Viertel, plötzlich lebendig, als sich nämlich der folgenschwere Streit entwickelt und sogar in Soudains Liebe aktives Leben kommt, sich verändert und er begreift, dass sich seine Frau nicht als Statue in ein Kunstwerk einfügen lässt.
Undine Gruenters Sprache ist wohlgeformt und poetisch, ebenso genau und farbig beschreibend wie gut und leicht zu lesen.

(Ingrid; 04/2004)


Undine Gruenter: "Der verschlossene Garten"
Hanser, 2004. 224 Seiten.
ISBN 3-446-20456-3.
ca. EUR 17,90. Buch bestellen

Undine Gruenter, geboren 1952 in Köln, lebte in Paris, wo sie im Oktober 2002 starb. Der Roman "Der verschlossene Garten" war ihr letztes Werk, das sie am 23. Juni 2002 vollendete. Sie schrieb Romane, Erzählungen und ein Journal ("Der Autor als Souffleur", 1995).

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