Walter Grond: "Drei Männer"
Blutleere
Geschichte, vollblütige Frau
Der junge Dichter Walter Grond wurde Anfang der 1980er-Jahre vom Grazer
"Forum Stadtpark" geprägt, einer Literatengruppe, die l'art
pour l'art betrieb und dabei auch notfalls ohne Publikum auskam.
Seither sind viele Jahre ins Land gegangen, und der frühe
Grond der subjektiven Welteroberung wie "Landnahme" (1984) hat mit dem
heutigen Grond der biografischen Genreliteratur wie "Almasy" (2002),
die das große Interesse an der Geschichte des "englischen
Patienten" bediente, nur mehr wenig gemein. Inzwischen möchte
der Autor augenscheinlich auch von einem breiten Publikum gelesen
werden und wäre sich auch für die Liste der
meistverkauften Bücher des "Spiegel" nicht zu schade. Dieses
Konzept liegt auch dem Werk "Drei Männer" zugrunde, das sich
am Leben einer historischen Figur orientiert, dabei aber den
literarischen Anspruch keineswegs verleugnen will.
Das Leben der Djavidan Hanum, einer österreichischen Comtesse,
die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem königlichen Harem
lebt, im Berlin der Roaring Twenties eine
ausgeflippte Existenz führt und ihre Lebenstage Ende der Swinging
Sixties als Künstlerin in Graz beschließt,
wird auch Menschen interessieren, die an Gronds umfassenden
literarischen Anspielungen und seinem schnörkellosen, aber
sehr distanzierten Erzählstil zu knabbern haben. Das
aufregende Leben dieser unter verschiedensten Identitäten
auftretenden Frau, die orientalische Fabulierlust zum Prinzip ihres
Lebens machte, wäre ein wunderbares Beispiel für die
Wendigkeit und den Einfallsreichtum gewesen, die man so gern dem
österreichischen Nationalcharakter zuschreibt.
Man hat das Buch in zwei Stunden durch und staunt dabei über
die Fülle der erarbeiteten historischen Details. Im Abspann
kann man dann auch noch lesen, welche literarischen Werke Anregungen
geboten haben, darunter auch
Peter Handkes "Wunschloses
Unglück". Und tatsächlich erkennt man in der
Aufzählung eines Frauenlebens gewisse Anklänge an
jenes wichtige Werk österreichischer Nachkriegsliteratur.
An diesem Punkt aber erkennt man schon, was faul an "Drei
Männer" ist. Denn ganz offen gesagt, kann man Kunst auch so
lange betreiben, bis daraus Kunsthandwerk geworden ist. Meisterhaft,
lobenswert und beeindruckend in seiner maßvollen
Zurückhaltung, aber doch etwas papieren, ein kalkuliertes
Produkt, dem man nicht das Geringste vorwerfen kann - außer
vielleicht den Mangel an einer originären, mächtigen
künstlerischen Potenz, die das Ganze in die Sphäre
großer Literatur heben könnte. Wo Handke
den Schmerz über den Tod seiner Mutter verarbeitete, hat
Grond, wie es scheint, nicht so viel zu bewältigen - abgesehen
vom Bedürfnis nach Herausgabe eines hübsch
gestalteten Buches. Man spürt an vielen Stellen keinen Autor
mehr, stattdessen eine Schreibmaschine. Das Leben der handelnden
Personen, das durchaus sachlich und kompetent präsentiert
wird, bleibt bei aller Exotik letztendlich so blutleer und papieren,
dass man die Kunstfertigkeit, Leben wie mit einem Taschenspielertrick
zum Verschwinden zu bringen, fast schon wieder bewundern muss.
Ich kann mir vorstellen, dass Karl Corino, dem im Abspann gedankt wird,
das Buch aus germanistischen Beweggründen loben
könnte. Ich denke mir, dass
Robert
Musil die Reverenz, die dieses Buch seiner Bildung und seinem
Schreibstil hier erweist, gefallen hätte. Auch der
historisierende Stil, der sich an österreichische
Vorkriegsliteratur anpasst, ist eine hohe kulturelle Leistung. Und es
mag auch patriotische Leser geben, die dankbar dafür sind,
dass verstorbene Österreicherinnen mit einem eigenwilligen
Leben von arrivierten Autoren gewürdigt werden.
Merkwürdigerweise aber habe ich nach der Lektüre das
Gefühl gehabt, als Leser zu dumm, zu ungebildet und zu
vergnügungssüchtig zu sein, um diesem Buch innerlich
ganz gerecht werden zu können, und das ist schade. Denn gerade
ein Autor vom Bildungs- und Anspielungsreichtum und der Ausdruckskraft
eines Grond sollte wissen, dass in der Literatur Herzblut
zählt, und das umso mehr, wenn es um das Leben einer
Blaublütigen geht, die immer der Stimme ihres Herzens folgte.
(Berndt Rieger; 09/2004)
Walter
Grond: "Drei Männer"
Haymon, 2004. 108 Seiten.
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Der
Romancier und Essayist Walter Grond, geboren 1957, lebt in Melk/Wachau.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Mein
Tagtraum Triest"
Triest:
Begegnungsstätte der Kulturen zwischen Nord und Süd,
zwischen Orient und Okzident, ein Epizentrum europäischen
Geisteslebens, Sehnsuchtsort und Traumbild.
Vor diesem Schauplatz entfaltet Walter Grond eine Familiengeschichte,
die im März 1884 beginnt, als der Ingenieur Liborius Zeeman in
Triest ankommt, um in den Dienst der Marine des Habsburgerreichs zu
treten. Der eigentümliche Charme von Triest, seine
Atmosphäre von Lebenslust und Melancholie, prägen
sich tief in seine Familie ein und verströmen auch
Generationen später noch einen unwiderstehlichen Reiz.
Aus einem kunstvollen Ineinander unterschiedlicher Perspektiven
erzählt Walter Grond vom Träumen in eine andere Welt,
von der Suche nach dem Fremden in sich selbst, und zeichnet ein
schillerndes Bild der alten Triestiner Welt, frei von Nostalgie und
voller kluger Ironie. (Haymon)
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"Almasy"
Der junge Produktmanager Nicolas Lemden wird
nach
Ägypten geschickt, um den neuen "Almasy", ein
wüstentaugliches Geländefahrzeug, vorzustellen. Fast
schockartig wird er mit der für ihn fremden und doch so
faszinierenden Welt Nordafrikas konfrontiert, er verliebt sich in seine
Dolmetscherin und gerät zwischen die Fronten
gemäßigter und fundamentalistischer islamischer
Kreise. Und er erfährt alles über das geheimnisvolle
Leben des Mannes, nach dem das neue Fahrzeug benannt ist, eines Mannes,
der mit der Geschichte dieser Region eng verbunden ist: Ladislaus
Almásy, österreichisch-ungarischer Flugpionier und
Abenteurer der dreißiger und vierziger Jahre. (Haymon)
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Walter
Grond (Hrsg.): "Draußen in der Wachau. Der etwas andere
Reisebegleiter"
"Draußen in der Wachau" - dort liegt jener Ort, der die
urösterreichischen Klischees von harmloser
Gemütlichkeit und der darunter verborgenen Abgründe
verkörpert wie kaum ein anderer und der nicht zuletzt deshalb
zum oft variierten Motiv der österreichischen Literatur wurde.
Für seinen "etwas anderen literarischen Reisebegleiter" hat
Walter Grond Beiträge namhafter Autoren und Autorinnen des
deutschsprachigen Raums versammelt, die sich den Orten, Wegen und
Themen der Wachau aus erfrischend neuen, schrägen und
unkonventionellen Perspektiven annähern: der für die
Wachau zentralen Verbindung von literarischem und kulinarischem Genuss
oder den Wachau-Bildern im Tourismus ebenso wie den Spuren, die Orte
der Wachau in Literatur und bildender Kunst hinterlassen haben. Ein
besonderer Schwerpunkt dieser literarischen Anthologie ist den
"Europäischen Literaturtagen 2010" in Spitz an der Donau
gewidmet, die Finn-Ole Heinrich mit einem literarischen Tagebuch
begleitet hat.
Aus dem Inhalt:;
Peter Turrini: Billy Wilder in der
Wachau
Friedrich Cerha: Zu meinen Langegger Nachtmusiken
Finn-Ole Heinrich: Europäische Literaturtage 2010. Ein Tagebuch
Zsuzsanna Gahse: Dreizehnter Donau-Würfel
Ferdinand Schmatz: Spitz, am Weg (geträumt)
Klaus
Merz: Zwei Gedichte
Kurt Bracharz: Eine Kostprobe aus einem Appetit-Lexikon
Lorenz Langenegger: Meine
Donau (Haymon)
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Walter
Grond (Hrsg.): "Draußen in der Wachau. Der etwas andere
Reisebegleiter Band 2"
Erfrischend schräge Blicke auf die Wachau. Für den
zweiten Band seiner Wachau-Anthologie versammelt Walter Grond
Beiträge namhafter Autoren und Autorinnen des
deutschsprachigen Raums, die sich den Orten, Wegen und Themen der
Wachau aus unkonventionellen Perspektiven annähern.
Mit Texten von Gerhard Gensch, Dana Grigorcea, Christine Grond-Rigler,
Finn-Ole Heinrich, Bodo Hell, Wolfgang Kühn, Rainer Moritz,
Heike Müller, Christoph Simon u. A. (Haymon)
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