Jean-Christophe Grangé: "Die purpurnen Flüsse"
Der zweite Roman dieses Autors ist mit seinen zwei Handlungsstrukturen
und seinem zeitlichen und räumlichen Rahmen wiederum sehr komplex und erfordert
von den Lesern große geistige Aufmerksamkeit sowie Flexibilität. Wenn man sich
aber darauf einlässt, so erwartet einen - trotz einiger wissenschaftlicher Ungenauigkeiten
- ein großes Lesevergnügen, das sich auch in einen sehr interessanten Film hat
verwandeln lassen.
Der Fund eines Toten in der Nähe einer sehr isoliert liegenden Universität
lockt einen berühmten Pariser Kommissar in das ländliche Gebiet, kurz nachdem er bei
einer Großveranstaltung in einem Kampf einen Verdächtigen getötet hat. Obwohl
ein Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft, lassen ihn seine Vorgesetzten fort,
um der Sache auf den Grund zu gehen. Er kommt in eine seltsame Gegend, in der
die weitestgehend autarke Universität lediglich Kontakt mit dem nahe gelegenen
Dorf aufrecht erhält, dem sie als
Krankenhaus
dient. Bei der Obduktion des Toten, die sowohl im Film als auch im Buch in einer
sehr eigenwilligen Ästhetik dargestellt wird, stellt sich heraus, dass das
zweite Mordopfer
keine Augen mehr hat und die leeren Augenhöhlen mit Wasser gefüllt sind,
dessen Zusammensetzung nicht zum Fundort passt. Im Zimmer des Verstorbenen findet
der Ermittler den Entwurf einer Doktorarbeit, der sich mit Zuchtauswahl beim
Menschen und der Humanästhetik des Dritten Reichs
beschäftigt und der mit "Purpurne Flüsse" übertitelt ist, eine Anspielung auf
die eigenschaftsübertragenden Fähigkeiten des Blutes.
Da zu dieser Zeit Semesterferien sind, trifft der Ermittler nur auf wenige
Studenten und Professoren, was aber auch den Kreis der Verdächtigen relativ klein
hält. Ihm fällt auf, dass die Studenten und Dozenten sehr sportlich und sehr intelligent
zu sein scheinen und eine Aura der allgemeinen Überlegenheit ausstrahlen.
Zur selben Zeit wird an einem anderen Ort ein Grabmal geschändet, was
nach allgemeiner Ansicht auf die Taten einiger
Neonazis
zurückgeht. Die sehr heftige Ermittlungsarbeit des dort zuständigen Beamten,
der selbst im kriminellen Milieu aufgewachsen ist, führt allerdings in eine andere
Richtung. Das Grabmal, das zu einem kleinen Mädchen gehört, ist nämlich leer, und
es finden sich auch kaum Unterlagen über dieses Mädchen und seine Mutter. Das Mädchen
ist bei einem schweren Unfall auf einer Autobahn umgekommen, und seitdem ist die
Mutter verschwunden. In der örtlichen Grundschule fehlen nach einem Einbruch ausgerechnet
jene Jahrbücher, in denen man Bilder des Mädchens hätte finden können, und auch
im gerichtsmedizinischen Institut ist der Akt über den damaligen Unfall verschwunden.
Weitere Ermittlungen führen den Beamten schließlich auch in den oben beschriebenen Universitätsort und genau vor den Lauf des Dienstrevolvers des dort bereits ermittelnden
Beamten.
Nun machen sich die beiden gemeinsam daran, das Jahrzehnte alte Geheimnis
zu lüften, das nicht nur für die sich häufenden aktuellen Morde verantwortlich
ist, sondern auch in der Vergangenheit schon vielen Menschen Tod und Elend gebracht
hat. Die Auflösung ist originell und der Weg dahin sehr kurvenreich ...
(K.-G. Beck-Ewerhardy)
Jean-Christophe Grangé:
"Die purpurnen Flüsse"
Bastei Lübbe, 2010.
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