Christof Bieberger, Alexandra Gruber, Gabriele
Hasmann, Johannes Herberstein:
"Geisterschlösser in Österreich"
Spuk hinter herrschaftlichen Mauern - Augenzeugen berichten
"Weh, die Ahnfrau! ... ihr
kennet nicht die Sage, / Die von Mund zu Munde geht? ... Wie er sich' s auch
selbst verhehle, / Fühlt' s im Tiefsten seiner Seele, / Daß es mehr als Märchen
ist ..." (Grillparzer, Die Ahnfrau)
Die Bürde, dem Paranormalen auf die Schliche zu kommen, schien einem Autor alleine zu
belastend. Also taten sich Christof Bieberger, Alexandra Gruber, Johannes
Herberstein und Gabriele Hasmann als Glück bringendes Kleeblatt zusammentaten,
um Ahnfrau und Co. auf den ektoplasmatischen Leib zu rücken. "Erzählungen
über Spuk und Geister haben hier zu Lande kaum Tradition. (...) Geistern dürfte
diese verkümmerte Tradition aber ohnehin egal sein. Sie erscheinen wo und wem
sie wollen", verkündet die Präambel ihres Gruseltourbuchs "Geisterschlösser
in Österreich" trotzig. Nachdem bereits ihr Vorgängerwerk "Spuk
in Wien" reüssieren konnte, wurde das geschichtsbewusste Konzept nun
auf das ganze Bundesgebiet ausgeweitet. Besucht haben die vier mit Schreibzeug
bewaffneten Geisterjäger herrschaftliche Gemäuer, durch die der Geist der
Aufklärung nie hindurchzudringen vermochte. Dort weht ganz ein anderer Wind,
einer, der selbst das blaue Blut der gutkatholischen Liegenschaftsbesitzer im Nu
gefrieren lässt. Doch Vorsicht, Adel verpflichtet. Selbst die Geister wollen
ihre Ruhe haben: "Die meisten unerklärlichen Phänomene tauchen doch in
dem Moment auf, wenn der Betroffene am wenigsten damit rechnet."
Höchstpersönlich an Ort und Stelle zu fahren und sich auf die Lauer legen, führt
nur mit viel Wohlwollen der Anderweltigen zum Erfolg. Erwarten Sie das
Unerwartete lieber durch einen Leserundgang durch die "Geisterschlösser
in Österreich".
Weiße Frau und Roter Iván
Beginnen wir im
burgenländischen Schloss Bernstein, wo gleich zwei feinstoffliche Wesenheiten
keine Ruhe finden. Die weniger schaurige von beiden, als Weiße Frau betitelt,
soll der rastlose Geist einer italienischen Adeligen sein. Im 15. Jh. wurde nämliche
Cathalina Frescobaldi vom wütenden Ehemann in flagranti beim Ehebruch ertappt
und der Überlieferung nach lebendig eingemauert. 1913 konnte eine der
Materialisationen der unglücklichen Dame auf Foto gebannt werden. Zu sehen ist
ein verschleierter weißer Schemen in Frauengestalt. Erst spät wurde Bernstein
zum Schloss umgebaut. Zuvor diente es als Burg - und noch viel früher als
heiliger Ort der Kelten. Statistisch gesehen, mehren sich Erscheinungen der Weißen
Frau rund um Ostern,
einem Fest, dessen Ursprünge in der alten vorchristlichen Religion
liegen. Deshalb kursiert auch die Meinung, nicht Cathalina schwebe durch die
steinernen Korridore, sondern eine keltische Lichtheilige. Im Buch heißt es
dazu: "Ich halte diese Theorie für glaubwürdiger, denn wieso sollte
das Opfer einer Gewalttat eine positive Erscheinung sein? Von Geistern
Ermordeter, (...) , gehen ja immer Kälte und Beklemmung aus."
Ganz gerne für Beklemmung sorgt hingegen der Rote Iván. Hinter dieser
vermeintlichen Sowjetbezeichnung verbirgt sich Graf Iván von Güssing, seines
Zeichens Raubritter des 13. Jh., "ein Meister der Intrige und des
Verrats". Er brach Schwüre, erschlug eigenhändig einen Bischof und
metzelte kaiserliche Ritter auf der Totenhauptwiese nieder. Wie er letztendlich
sein unrühmliches Ende fand, darüber streiten sich die gelehrten Geister. Sein
hünenhafter Geisterleib soll heutzutage noch durch die Gemäuer Bernsteins
rumoren. Markante Merkmale des unerlösten Wüstlings: knielanger Waffenrock,
flammend rotes Haar und lautes, höhnisches Lachen. Mit Vorliebe jagt Iván
Kindern Schrecken ein, indem er einfach neben ihrer Schlafstatt Gestalt annimmt.
Alter Schwede ...
Noch viel
schauriger geht es im Schloss Grünau des Waldviertels zu. Rückblende Pfingsten
1983: "Plötzlich begann es draußen zu stürmen und zu brausen, als ob
sich ein schlimmes Gewitter näherte. Lärm umbrandete mit einem Mal das Haus, wüster
Schlachtenlärm. Ich hörte wiehernde Pferde, Hufschlag, Waffengetöse,
Hundegebell und höllisches Gelächter. Diese Horde kam bis ans Portal, schlug
ans Tor, als wollte sie das Haus stürmen. (...) Die Worte konnte ich aber nicht
verstehen, denn die Sprache war mir fremd. Mein Hund schreckte hoch, war völlig
aus dem Häuschen und sprang zitternd und winselnd zu mir ins Bett. Das Licht
flackerte wie verrückt und ich wurde so panisch, dass ich die Polizei verständigen
wollte. Als ich den Hörer abnahm, blieb das Telefon stumm", berichtet
Frau N., eine honorige Dame, die "einen alten, nicht unbekannten Namen
trägt" und aus Angst davor, für verrückt erklärt zu werden, lieber
anonym bleiben will.
Telefonausfall. Verfluchte Technik! Wie jammerschade. Ist alleine schon die
Vorstellung, welche Amtshandlung wohl Waldviertler Gendarmen gegen die Wilde
Jagd gesetzt hätten, hoch amüsant.
Als der Spuk sich verflüchtigt hatte, machte sich Frau N., die geschockte
Schlossbewohnerin, daran, die vernommenen Wortfetzen niederzuschreiben. In ihren
Ohren hatte es nach einer germanischen Sprache geklungen, möglicherweise
Schwedisch. Tatsächlich verwüsteten Gustav Adolfs Heerscharen im
Dreißigjährigen
Krieg die Gegend um Grünau. Jahre später stöberte Frau N. die Biografie der
Gräfin Maltzahn auf, die von ganz ähnlichen Ereignissen in einem ostpreußischen
Schloss Zeugnis gab. Auch dort wüteten die Nordmänner. "Alter Schwede
...", entfuhr es da dem Rezensenten.
Kapuzenmänner
Aber Grünau wird nicht nur von den Geisterrotten schwedischer Söldner
heimgesucht, auch von einem seinen Absichten nach undurchsichtigen
durchsichtigen Kapuzenmann. Zur Pfingstzeit 1981 stand er erstmals stumm neben
dem Bett von Frau N.: "Ich empfand diese Begegnung als angenehm, es war
wie eine wohl wollende und vertraute Beaufsichtigung." 2001 und 2002
passierte dasselbe. Ein Jahr später allerdings "wollte er mir übel
mitspielen. Mir hat richtiggehend gegraust." Kein Wunder, unter der Mönchskapuze
offenbarte sich ein abgenagter, halb verwester Totenschädel.
Nicht weit entfernt, in einem anderen Waldviertler Schloss, Primmersdorf,
erschien vor gut zehn Jahren eine weitere Kapuzenfigur: "Direkt neben
meinem Bett stand ein Mönch, groß leuchtend und weiß. Und er sah direkt auf
mich herab", erklärt Alexander S. Und: "Er hatte die
traurigsten Augen, die ich je gesehen hatte." Ein Ausdruck postmortaler
Depression über das Zölibat? Was auch immer, nachdem der monastischen
Lichtgestalt gewahr worden war, dass der nächtens besuchte Lebende mit den
Nerven ganz und gar am Ende war, verschwand sie so kummervoll wie sie gekommen
war.
Mysteriöses Waldviertel
Überhaupt scheint das Waldviertel eine fruchtbare Matrix paranormaler Geschehnisse
zu sein. Vor allem der nördliche Teil jener Landschaft galt den Katholiken lange
als nidus veneficae, als Rückzugsgebiet heidnischer Umtriebe. 1878 verschwand
dort der Arzt Dr. Wilbald Helbich unter mysteriösen Umständen. Der ehemalige
Privatlehrer des Kaisers hatte zuvor über Jahre hin unheimliche
Geschichten
über Elfen, Kobolde oder Geister zusammengetragen. Seine letzte von Panik
getriebene Notiz: "Ich muss die Bücher vernichten. Alles verbrennen, auch
jene, nach denen ich so lange suchen musste. Heute Nacht..." War sein faustischer
Wissensdurst von den Über- oder Unterirdischen bestraft worden? Oder ist der
als kauzig verschriene Zugereiste von einem abergläubischen Landmob klammheimlich
gelyncht worden?
Auch Franz Grillparzer verschlug es ins Waldviertel. Einige
Literaturwissenschafter meinen, dass der Dramatiker auf Schloss Greillenstein
wichtige Inspirationen für seine "Ahnfrau" aufsog. Susanna
Maria Gräfin Kuefstein (Mitte 17.Jh.) mag ihr historisches Vorbild sein. Immer
noch soll die Untote ihre schützende Hand über die ansässige eigene
Nachkommenschaft halten und allerlei Unbill abwehren. Bei Grillparzer schob die
Ahnfrau ihrem Mann ein fremdes Kind unter und kann erst dann zur Ruhe kommen,
wenn der letzte Spross dieser Blutlinie zu existieren aufgehört hat. Eine
äonensichere
Aufgabe ...
Weitere Stationen bei der Tour der "Geisterschlösser in Österreich"
sind das imperiale Schönbrunn, das scheinbar so idyllisch hoch über dem Inntal
gelegene Tratzberg in Tirol oder auch das Schlosshotel St. Georgen in Kärnten,
wo der Schauspieler Karl Merkatz unerklärliche Erfahrungen machte. Schloss
Mooshamm in Salzburg war der Sitz des Lungauer Blutgerichts, einer erzbischöflichen
Folter- und Gefängniseinrichtung, wo Mitte des 17.Jh. "Hexen und Werwölfe"
interniert und getötet wurden. Aus jenem Schrank, in dem die Urteile
Aufbewahrung fanden, soll immer noch ungewöhnlich kalte Luft strömen. "Dieses
Phänomen lässt sich rational nicht erklären", meinen die kurzweilig
schreibenden Autoren. Wenn Sie jetzt noch nicht genug des wohligen oder
schaurigen Gruselns haben, empfiehlt der Rezensent zwei Bücher aus dem Eulen
Verlag: John J. Dunne, "Irland und die Welt der Geister" bzw.
John Brooks, "Die Geister Großbritanniens - ein Führer zu über
tausend Spukorten". Die Britischen Inseln gelten ja als jene Zone mit
der höchsten Geisterdichte weltweit.
Morphogenetisches Feld?
Glauben Sie hingegen an das berühmte Quäntchen Wahrheit im Gelesenen und
folgen der Maxime in dubio pro reo - auch wenn die Angeklagten in diesem
Fall Geisterwesen sind -, dann ist es ratsam "Das schöpferische
Universum" von Rupert Sheldrake zur Hand zu nehmen. Sheldrake
breitet darin seine Theorie von so genannten "morphogenetischen Feldern"
aus, die nicht nur in der Evolution eine gewichtige Rolle spielen sollen,
sondern auch eine mögliche Erklärung für "Geister" ableiten lassen.
Krass verkürzt formuliert, handelt es sich bei vielen paranormalen
Erscheinungen in alten Gemäuern um etwas, das einer "Videoaufzeichnung"
ähnelt und durch Energien entstanden sein soll, die z.B. durch einen
gewaltsamen Tod freigesetzt werden. Stimmen bestimmte physikalische Faktoren überein,
wird dieser "Film" wieder und wieder "abgespielt" - eine
Erklärung, warum Geister einerseits so schrecklich stereotyp dasselbe tun und
warum andererseits, die "Untoten" dort am häufigsten anzutreffen
sind, wo es Folter, Mord oder Krieg gab. Kniffliger wird das Ganze, wenn es zur
direkten Kommunikation kommt - also zu einem unmittelbaren Gegenwartsbezug.
"Geisterschlösser in Österreich" reicht aber auch alleine
aus, ohne die Physik zu bemühen. Das Buch ist spannend geschrieben und lässt
vor allem zu nächtlicher Lesezeit oftmals kaltes Kribbeln entlang der Wirbelsäule
entstehen. Unwillkürlich stellt man sich die Frage, wer wohl sonst noch gerade
mit einem im Raum weilt ...
Zudem haben es die Autoren elegant verstanden, altes Sagengut mit aktuellen
Interviews ohne inhaltlichen Bruch zu verquicken. Eine Leistung, die eigentlich
vom Tourismusverband belohnt werden sollte, da Örtlichkeiten mit hauseigenen
Geistererscheinungen - dem Zeitgeist gemäß - auch die Besucher vermehrt
erscheinen lassen. Und die Schlossdamen und -herren profitieren natürlich
ebenso vom gewinnträchtigen Naheverhältnis mit Übernatürlichen; schließlich
verschlingen Restaurierung und Instandhaltung der altherrschaftlichen Mauern
Unsummen. Im Anhang liefert der "Kleine Reiseführer" als
fremdenverkehrliches Service gleich all die notwendigen Daten der besuchten Schlösser
und Burgen mit: Postanschrift, Öffnungszeiten, Telefon, Fax, Website bzw.
E-Mail-Adresse.
Was die feinstoffliche Conclusio angeht, so sollte man es wohl augenzwinkernd mit
Hamlet halten: "Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als Eure
Schulweisheit sich erträumt ..."
(lostlobo; 05/2005)
Christof Bieberger, Alexandra
Gruber, Gabriele Hasmann, Johannes Herberstein:
"Geisterschlösser in Österreich"
Ueberreuter, 2004. 192 Seiten, 10 farbige Abbildungen.
ISBN 3-8000-7062-6.
Buch
bei amazon.de bestellen
Weitere Buchtipps:
Christof Bieberger, Alexandra Gruber, Gabriele
Hasmann:
"Spuk in Wien. Von verborgenen
Geistern und Spuren ins Jenseits"
Kaiserin Sisi hat Schloss Schönbrunn noch immer
nicht verlassen und die Witwe des Walzerkönigs Johann Strauß versetzt lange
nach ihrem Tod eine junge Studentin mit Seufzern in Panik. Der Dichter
Friedrich
Hebbel durchwandert post mortem seine Wohnung und selbst der
Stephansdom birgt düstere Geheimnisse ...
Erstmals dokumentiert dieses Buch die verwunschenen Häuser, Plätze und
Gespenster Wiens. Drei Journalisten haben in zweijähriger Arbeit
die verborgene
Seite der Donaumetropole recherchiert: Betroffene berichten von schaurigen
Erlebnissen und Begegnungen mit dem Übernatürlichen. Eine Reise in die Wiener
Anderswelt. (Ueberreuter)
Buch
bei amazon.de bestellen
Holger Sauer: "Wert- und
Mietminderung von Gebäuden und Grundstücken durch Spuk"
Ziel dieses Buches
ist es, Klarheit über Spuk, Gespenster, Poltergeister und ähnliche
Erscheinungen zu schaffen und die damit verbundenen Wertminderung und/oder
Mietminderung betroffener Immobilien zu quantifizieren.
Spuk ist viel häufiger
als man denkt. In jedem Ort gibt es mindestens ein Spukhaus oder eine
Spukwohnung. In Deutschland dürften über 10000 Wohnungen und Häuser betroffen
sein. (Holger Sauer)
Buch
bei amazon.de
bestellen
Marko
Pogačnik: "Elementarwesen"
zur Rezension ...
Begegnungen mit der Erdseele