Barbara Erskine: "Das Lied der alten Steine"
Ägypten
ist ein Land, das die Gedanken und Gefühle der Menschen schon immer bewegt hat,
und seit der archäologischen Amateurforschung der viktorianischen Zeit hat dieses
Interesse nicht mehr abgenommen. Jeder neue Bericht, jede neue Entdeckung ruft
ein enormes Medienecho und ein noch größeres Publikumsinteresse hervor. Sogar
Verfilmungen mit B-Movie-Charakter wie die letzten "Mumien"-Filme locken Millionen
von Zuschauern in die Kinos und vor die Videorekorder.
Vor diesem
Hintergrund ist der vorliegende Roman rein von seinem Erscheinungsdatum klug gewählt
gewesen und von seiner allgemeinen Handlung durchaus mit dem Geschmack der Zeit
verbunden. Ähnlich wie in "Die Mumie" wird auch hier auf mehreren Zeitebenen erzählt,
wobei allerdings nicht zwei sondern drei Zeitebenen eingebaut wurden. Die chronologisch
erste Zeitebene betrifft das Aufeinandertreffen zweier hoher ägyptischer Priester
- Amhotep und Hatsek - das nach einem Streit über den
Umgang mit einem bestimmten Kultgegenstand dazu führt, dass beide in gewaltsamer
Form ihr Leben lassen. Von da ab wird im weiteren Verlauf des Romans die Wanderung
des besagten Gegenstands durch Ägypten beschrieben.
Die zweite
Zeitebene wird durch die Tagebuchaufzeichnungen der Louisa Shelley dargestellt,
die, nachdem sie verwitwet, ist für einige Zeit
nach Ägypten geht um dort an
einer Nilfahrt teilzunehmen. Louisa ist eine anerkannte Künstlerin des viktorianischen
Zeitalters und sie möchte gerne das fremde Ägypten mit all seinem heidnischen
Zauber porträtieren und dabei natürlich auch näher kennen lernen. Dieses Kennenlernen
geht so weit, dass sie sich sogar in ihren Dragomann Hassan verliebt, eine Liaison,
die in der damaligen Zeit sowohl aus standesrechtlichen, sittlichen und "rassischen"
Gründen als verwerflich galt. Von Hassan bekommt sie einen Gegenstand geschenkt,
der wenig später bei einem anderen Engländer, der sich in Ägypten aufhält und
der den Ruf eines englischen
Aleister
Crowley innehat, große Begehrlichkeiten hervor ruft und der bei dem
Versuch, diesen Gegenstand zu erhalten, vor wirklich gar nichts zurück schreckt,
noch nicht einmal vor dem Einsatz "schwarzer" Magie.
Diese "schwarze"
Magie soll auch über hundert Jahre später Anne Fox - eine direkte Nachfahrin
von Louisa Shelley - zu spüren bekommen, als sie
- nach der Scheidung von ihrem Mann Felix - ebenfalls zu einer Nilkreuzfahrt
aufbricht. Zur Lektüre auf dieser Fahrt bekommt sie von ihrer Tante Louisas
Tagebuch, und sie selbst nimmt einen kleinen Kunstgegenstand mit, den sie schon
in ihren Kindheitstagen von ihrer Großtante erhalten hatte. Auch bei den Teilnehmern
der neuen Kreuzfahrt wecken sowohl das Tagebuch als auch der Gegenstand zunehmend
seltsame Begehrlichkeiten, was durch eine höhere Anzahl an Teilnehmern und durch
die Anwesenheit eines Mediums noch unübersichtlicher wird. Anne merkt, wie die
Geschichte ihrer Vorfahrin mehr und mehr auf ihr eigenes Leben und auf die Leben
der Menschen um sie herum Einfluss nimmt und diese zum Teil lebensgefährlich
bedroht. Und diese Bedrohung geht nicht nur hundert, sondern tatsächlich Tausende
von Jahren
in die Vergangenheit zurück.
Krimi, Thriller,
Reiseroman, Gothic-Novel etc. - "Das Lied der Steine" (orig. "Whispers in the
Sand") lässt sich problemlos in viele verschiedene Kategorien einpassen und ist
auch in jeder von ihnen mehr oder weniger zu Hause. Dabei ist der Roman durchgängig
spannend geschrieben, sprachlich ansprechend und von Anfang bis Ende ein wahres
Vergnügen für jeden, der ihn in die Hände nimmt. Nicht nur im Sommer eine passende
und kurzweilige Lektüre.
(K. -G. Beck; 08/2002)
Barbara Erskine: "Das Lied der
alten Steine"
Gebundene Ausgabe:
Heyne, 2001.
479 Seiten.
ISBN 3-4531-8597-8.
ca. EUR 19,90.
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Taschenbuch:
Heyne, 2002. 480 Seiten.
ISBN
3-453-21099-9.
ca. EUR 7,95.
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