Annelie Tacke: "Eremitin im Himalaya"
Die
Geschichte der Rose Schmitt alias Uma Shankarananda
Ein Mensch, der sich
verändert hat, würde sagen: "Oh, der schöne Baum. Der steht Tag und Nacht, bei
Wind und Regen, bei Hitze und Kälte, der steht da und betet. Er ist ein Eremit.
Er ist ein lebendiges Wesen. Eine Gottheit wohnt in dem Baum - die auch helfen
kann."
Auf
der Suche nach Rose Schmitt alias Uma Shankarananda begegnet der Autorin in den
Großstädten Indiens überall Werbung von westlichen Marken, die im Angesicht der
herrschenden Armut grotesk erscheinen und die bestehenden Gegensätze besonders
hervorheben. Rasch verlässt sie die lauten Städte, um nach Rishikesh zu gelangen.
Dort begegnet ihr Yamuna, eine Deutsche, die sich wie Uma für den spirituellen
Weg entschieden hat und in einer Höhle lebt.
Annelie Tacke besucht einige
Orte, an denen Uma gelebt hat, bevor sie sich auf den Weg zu ihr macht. Eines
jedenfalls hat sie auf ihren bereits vorangegangenen Indienreisen gelernt, nämlich
Gelassenheit, und diese kann sie auf ihrer Reise gut gebrauchen. Als sie endlich
in Merana ankommt, führt ein beschwerlicher Weg den Berg hinauf in die Einsiedelei.
Dort lernen wir eine bemerkenswerte und abgeklärte Frau kennen, nämlich Uma Shankarananda,
die vor über 40 Jahren Deutschland verließ und nach Indien kam, um Gott zu finden.
Fasziniert erleben wir die Geschichte einer Frau, deren Mut und Wille Bewunderung
verdienen. Vorerst wohnte und studierte sie in einem Ashram, bevor sie fünfundzwanzig
Jahre in einer Höhle lebte. Immer wieder wurde sie von Männern, aber auch Frauen
angefeindet, sexuell belästigt und verleumdet. Aber all diese Mühsal konnte sie
nicht von ihrem spirituellen Weg abbringen. Während ihrer Zeit in der Höhle fühlte
sie sich kaum von wilden Tieren bedroht; im Gegenteil, sie betrachtete diese als
ihre Beschützer, doch ein Sadhu (Bettelmönch) terrorisierte sie immer wieder,
Uma wusste allerdings sich zur Wehr zu setzen. Faszinierend und unvorstellbar
erleben wir die Beschreibung dieser Jahre, die ihr einen tiefen inneren Frieden
gebracht haben.
Es dauert Jahre, bis sie Anerkennung findet. Dabei kommt
ihr künstlerisches Talent für
Bildhauerei und Musik ihr sehr entgegen. Mittlerweile
verfügt Uma über einige Anhänger, die sie auch finanziell unterstützen, und so
reicht es gerade für das Notwendigste zum Leben. Durch die Erzählung über ihr
Leben erfährt der Leser einiges über Indien, das dort herrschende Kastensystem,
Glauben und über Yoga. Entsetzt muss man zur Kenntnis
nehmen, dass auch in einem Land mit derart großer Spiritualität Neid, Missgunst,
Gier und Habsucht keine Fremdwörter sind. Frauen gelingt es in dieser von Männern
dominierten Gesellschaft nur unter schwierigen Bedingungen, sich außerhalb des
traditionellen Rollenbildes zu etablieren. Aber in Indien gibt es auch viele Menschen,
etwa die Karma-Yogis, die aus einem inneren Antrieb heraus handeln,
ohne
auf die Früchte ihres Tuns zu schauen. Deshalb bleiben sie unberührt von Erfolg
und Misserfolg, frei von Erwartungen und kennen deshalb keine Enttäuschung. Eine
beneidenswerte Lebensphilosophie!
Immer wieder während der Lektüre ist
mir bewusst geworden, dass es sicherlich nur sehr wenige Menschen gibt, die derart
kompromisslos ihren Weg gehen wie Uma und Yamuna.
Vielleicht sollten auch
wir uns öfter nach unserer wahren inneren Bestimmung fragen und weniger danach,
was von uns erwartet wird. Dieses Buch ist sicherlich ein Anstoß, über die eigenen
Träume und Lebenseinstellungen nachzudenken und diese nicht automatisch in den
Bereich der Utopie zu verbannen.
(margarete; 06/2003)
Annelie Tacke: "Eremitin im Himalaya"
Herder, 2003. 192 Seiten.
ISBN 3-451-05226-1.
ca.
EUR 9,90.
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