Ben Elton: "High Society"
Nachdem
sich Elton in "Dead Famous" ("Tödlicher Ruhm",
siehe nachstehende Buchtipps) mit den Abgründen des
Reality-Fernsehens auseinander gesetzt hat, beschäftigt sich
dieser Roman mit dem nicht minder
interessanten Feld des Drogenkonsums in der britischen
Gesellschaft. Hierbei werden
kaleidoskopartig verschiedene Facetten des Drogenproblems aufgegriffen,
angefangen bei den
Anonymen Alkoholikern, über den Kokainkonsum der Reichen und
Schönen bis hin zu der
Straßenkriminalität und den Unfällen mit rekreationalen
Drogen in Familien. Außerdem werden auch politische Momente zur
Frage der Entkriminalisierung bestimmter
Drogen mit eingebracht, um der illegalen Drogenindustrie das Wasser
abzugraben. Wobei der Unterschied von
Entkriminalisierung und Legalisierung nicht zu unterschätzen ist,
wie dieser Roman sehr deutlich klar macht.
Der Advokat der Legalisierung in dieser Geschichte ist der
Hinterbankpolitiker Peter Paget - ein eher langweiliger Mensch mit
wenigen eigenen Lastern,
bis auf jenes, dass er gelegentlich einvernehmlichen Sex mit seiner
Assistentin hat. Er sorgt für einige Aufregung, als er einen
Gesetzesentwurf einbringt, der ALLE Drogen legalisieren helfen soll,
und er hat dabei die Unterstützung eines prominenten
Drogenfahnders, der öffentlich den Krieg gegen die Drogen für
verloren erklärt. Alle Argumente, die hier in den politischen
Diskussionen
angeführt werden, sind nicht neu und teilweise sehr gut in "Smoke
and Mirrors:
The War on Drugs and the Politics of Failure" von Dan Baum (siehe
nachstehende ergänzende Buchtipps) nachzulesen, wo auch einige
sehr interessante Gründe für das Festhalten an der aktuellen
Anti-Drogenpolitik
thematisiert werden. Paget lässt sich zumindest nicht
unterkriegen, auch wenn sein Mitstreiter wegen tätlicher Bedrohung
seiner Familie zurückstecken muss, und kommt mit seinem Kreuzzug
für die Legalisierung erstaunlich weit.
Neben dieser im Vordergrund stehenden Geschichte gibt es auch noch die
jene von Tommy Hanson, dem Popstar, der ständig teure und "gute"
Drogen konsumiert und gleichzeitig seinen Fans erklärt, dass er
genau dies nicht tue, und dass die Fans dies sowieso bleiben lassen
sollten. Hier wird gezeigt, wie prominente Figuren für Vergehen,
die den
Normalsterblichen für einige Jahre hinter Gittern bringen,
Titelseiten gewidmet bekommen und
überdies Fernsehauftritte, sowie die Möglichkeit, über
ihre eigene Reue Bücher zu schreiben. Wem dazu aus dem deutschen
Blätterwald ein paar Namen einfallen, der weiß, dass hier
Realität und Fiktion wirklich Hand in Hand gehen. Und aus einem
der jüngsten Fälle außerdem, dass der weiße
Sklavenhandel und der Drogenhandel sehr eng miteinander verknüpft
sind, und dass Leute, die viel Geld für beides ausgeben, diese
beiden Verbrechensbereiche aktiv unterstützen. Wenn sie dies nicht
wissen, sind sie dumm und wenn sie es wissen, sind sie eigentlich
selber
kriminell, wie Tommy Hanson durch eine bosnische Prostituierte, die dem
weißen Sklavenhandel nur knapp entkommen ist, ausgiebig
auseinander gesetzt wird. Er selber kümmert sich wenig später
um die Rettung der weißen Sklavin Jessie, die bei ihrer Ankunft
in London direkt
einem Zuhälter in die Hände gefallen ist und die später
in einem geschlossenen Haus arbeitete, in dem neben ihr vorwiegend
Osteuropäerinnen und Asiatinnen beschäftigt sind, die kaum
ein Wort Englisch können und außerdem keinen Zugang zu ihren
Papieren haben. Auch hier
bedienen sich verschiedene Männer zu hohen Preisen sowohl an
Drogen, wie auch an den
Mädchen, die durch Drogen friedlich und willenlos gehalten werden.
Die drei Geschichten von Peter, Tommy und Jessie überkreuzen sich
immer wieder und
zeigen sehr deutlich die unterschiedlichen - auch internationalen
Facetten - des Drogenproblems. Als vierte Figur ist in diesem
Zusammenhang noch Sonia interessant, die als Einmal-Kurier eine Ladung
Drogen aus Thailand
heraus bringen sollte, was zu ihrem Pech schief geht und zu einer
Verurteilung zu 30 Jahren Haft führt.
Es gibt mittlerweile genügend Filme und Bücher zu diesem
Thema und ich muss sagen, dass mich die Dummheit und moralische
Eingeschränktheit der "Opfer" der asiatischen Justiz immer wieder
irritiert.
Drogenkuriere begeben sich in diese Länder, wissen, dass sie etwas
Illegales tun und mit nur ein wenig Nachdenken sollte ihnen klar
werden, dass diese Woche bezahlter
Urlaub in der Sonne einige tausend Leben zerstört, entweder durch
die Drogen selbst, durch
Beschaffungskriminalität - wobei hier Opfer wie Täter
betroffen sind - durch Prostitution und weißen und gelben
Sklavenhandel und so weiter. Wenn sie erwischt werden
jammern die Kuriere laut, es gibt in den Herkunftsländern einen
Riesenrummel in der Presse, deren Vertreter oft genug selbst
Drogenkonsumenten sind, und am Ende gibt es einen Film und einen
Buchvertrag oder eine Serie in der Boulevardpresse. Keiner fragt nach
den Menschen, die in den betreffenden Ländern im Elend leben, weil
sich
anderswo viele Leute ein "Recht auf Rausch" gönnen, während
sie gleichzeitig jedem Drogenskandal hinterher hecheln. Und keiner
fragt, ob eine Regierung eines solchen Landes nicht das Recht hat,
die eigene Bevölkerung vor solchen kriminellen - oder dummen und
gedankenlosen - Ausländern zu schützen.
Dies ist ein sehr komplexes und problematisches Thema, und
zwangsläufig kann dieser eine Roman nicht allen Facetten des
Problems gerecht werden. Aber er kommt dem sehr nahe und dies in einer
interessanten und unterhaltsamen Art und Weise, die die zu
vermittelnden
Informationen viel eindringlicher in die Gehirne der Leserinnen und
Leser bringt als
mancher Zeitungsbericht oder manche Dokumentation.
Ben Elton,
geboren 1959 in London, studierte an der Universität von Manchester. Seine
Romane "Letzter Countdown" und "Abgefahren" waren
internationale Bestseller. Mit "Popcorn" gelang ihm ein Kultbuch, das
wochenlang Platz 1 der britischen Bestsellerlisten besetzt hielt und später
auch als Theaterstück unter anderem in Berlin Furore machte.
Ben Elton gilt als Englands populärster und erfolgreichster Comedy-Autor sowie
stand-up comedian. Auf sein Konto geht auch die Serie "Black Adder" mit "Mr.
Bean" Rowan Atkinson.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2003)
Ben Elton: "High Society"
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Ergänzende Buchtipps:
Ben
Elton:
"Popcorn"
Die gewalttätigen
Szenarien des umstrittenen Regisseurs Bruce Delamitri sind nichts für zarte Gemüter;
dennoch bringen sie ihm einen Oscar ein. In der Nacht der Preisverleihung aber
wird Delamitri zum Spielball seines eigenen Drehbuchs: Zwei Killer nehmen seine
Fantasien etwas zu wörtlich, und plötzlich droht ein wahres Fiasko ...
"Popcorn"
bestellen
Ben
Elton:
"Seitensprünge"
Sam und Lucy sind seit
sechs Jahren verheiratet. Zum vollkommenen Glück fehlt ihnen nur noch eins: ein
Kind. Leider blieben die einschlägigen Versuche der letzten fünf Jahre ohne
Erfolg, und besonders Lucy kann an keinem Kinderwagen vorbeigehen, ohne
sehnsuchtsvolle Blicke hineinzuwerfen. Sam kann Lucys Begeisterung angesichts
der halslosen kleinen Monster zwar nicht ganz teilen, aber auch er würde sich
über Nachwuchs freuen. Auf Anregung einer Psychologin beginnen die beiden
schließlich ein Tagebuch zu führen, um ein Ventil für ihre Gedanken und Nöte
zu haben. Anfangs ist Sam wenig von dieser Idee angetan, da er, ein verkappter
Schriftsteller, der seit Jahren seine Zeit in der Lizenzabteilung des Bereichs
Komik/Kabarett bei der BBC absitzt, ungern über seine Gefühle nachdenkt,
geschweige denn sie zu Papier bringt. Lucy hingegen füllt Seite um Seite und
vertraut sich ihrem Tagebuch an wie einer besten Freundin. Gleichzeitig
verschlingt sie Dutzende von Fruchtbarkeitsratgebern und setzt noch die
abstrusesten Theorien in die Praxis um. Sei es täglicher Sex oder das Aufsparen
jeglicher Aktivität für den vielversprechendsten Tag, Lucy lässt nichts
unversucht, und Sam muss notgedrungen das Seine dazu beitragen -, selbst wenn er
ein wichtiges Geschäftsessen unterbrechen muss, um nach Hause zu seiner Frau zu
eilen, da statt des Desserts deren Eisprung auf der Tagesordnung steht. Doch es
kommt noch schlimmer ...
"Seitensprünge"
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Ben
Elton:
"Tödlicher Ruhm"
Ein Haus, zehn Kandidaten,
dreißig Kameras und nur einer, der das Haus mit der Prämie von 500.000 Pfund
verlassen wird: Die englische Reality-Show "Hausarrest" startet eine
neue Staffel. Doch zu der wichtigsten Frage, wer mit wem als erster Sex haben
wird, kommt eine weitere hinzu: Wer hat die hübsche Kelly vor laufender Kamera
ermordet?
"Tödlicher Ruhm"
bestellen (zur Rezension der englischen Ausgabe ...)
Dan Baum:
"Smoke and Mirrors: The War on Drugs and the Politics of Failure"
Drei Jahrzehnte intensiven und auf mehreren Ebenen erbittert betriebenen
Kampfes der amerikanischen Behörden gegen Drogen porträtiert Dan Baum in
diesem Buch. Drei Jahrzehnte, in denen der "Krieg gegen Drogen"
Unsummen an Steuergeldern verschlungen hat. Und dennoch sind Drogen nach wie vor
relativ leicht erhältlich, Drogentote leider alltäglich, und die Drogenbarone
reicher als je zuvor. Die Kapazitäten der Justiz sind erschöpft, die
Gefängnisse platzen aus allen Nähten, die Kosten explodieren. Dan Baum
befragte mehr als 175 Menschen, von John Ehrlichmann bis Janet Reno, und sie
erzählen, wer von diesen Zuständen profitiert, wie der
Kampf gegen Drogen
konzipiert und umgesetzt wurde, von den gesetzlichen Vorgaben und Vorhaben, und
vieles mehr.
Englische
Ausgabe bestellen