Otto A. Böhmer: "Joseph von Eichendorff"

Sein Leben erzählt von Otto A. Böhmer


Lyriker, Erzähler, Dramatiker, Satiriker, Beamter: bekannte und wenig bekannte Seiten des großen Romantikers

Eichendorffs Name fällt stets, wenn es gilt, die Großen der deutschsprachigen Romantik aufzuzählen. Die meisten erinnern sich auch an die ein oder andere Verszeile von Eichendorff: In wessen Poesiealbum stand nicht "Schläft ein Lied in allen Dingen" (aus: "Wünschelrute")?

Das Leben und das Prosawerk des Dichters, dessen Tod sich im November 2007 zum 150. Mal jährt, sind nicht so bekannt, doch es lohnt sich, ihnen nachzuspüren. Otto A. Böhmer setzt in seiner Eichendorff-Biografie den Lebenslauf, die bedeutenden Begegnungen und die Werke des Dichters zueinander in Beziehung und vermag damit aufzuzeigen, dass in Eichendorffs Œuvre mehr zu finden ist als überbordende romantische Waldeslust.

Eichendorff, 1788 in Oberschlesien nahe Ratibor (heute: Racibórz, Polen) als Sohn eines katholischen Freiherrn geboren, erhält eine gute Erziehung und Ausbildung, obwohl seine Jugend von der katastrophalen Finanzlage der Familie geprägt ist. Zunächst wird er von einem Privatlehrer unterrichtet, dann besucht er das katholische Gymnasium in Breslau. Eichendorff studiert in Halle und Heidelberg Jura, unternimmt eine ausgedehnte Bildungsreise und beendet schließlich nach weiteren Intermezzi sein Studium in Wien. Als Freiwilliger nimmt er an den Befreiungskriegen teil. Seine Hoffnungen auf eine damit verbundene berufliche Perspektive erfüllen sich nicht. 1815 heiratet er seine große Liebe und ist nun mehr denn je auf eine Anstellung angewiesen. Bei seinen Bewerbungen stehen ihm immer seine Bescheidenheit und Zurückhaltung im Weg; er kommt zwar schließlich als Beamter unter, hat aber keinen Erfolg im Beruf. Vom Schreiben konnte er erst recht nicht leben, auch wenn sein erster Roman "Ahnung und Gegenwart" 1815 erscheint. Bekannt wird der Lyriker Eichendorff erst, als romantische Komponisten beginnen, seine Gedichte zu vertonen. Seinen relativ regelmäßig erscheinenden Prosawerken und Theaterstücken ist zu Lebzeiten nur mäßiger Erfolg beschieden. Er begegnet vielen Größen aus Dichtung und Musik persönlich, doch nicht alle schätzen ihn.
Seine letzten Lebensjahre verbringt Eichendorff mit der Familie seiner Tochter; der Dichter stirbt 1857.
Das Buch enthält eine Zeittafel und ein ausführliches Personenregister.

Sachlich und so kompakt wie nötig schildert der Autor Eichendorffs Leben und bleibt in seiner Darstellung doch immer einfühlsam, sodass der Leser rasch mit Eichendorffs tiefer Gläubigkeit vertraut wird, die als Basis für seine romantische Sicht auf die Welt betrachtet werden kann, seine Überzeugung, dass man nur das Zauberwort treffen müsse, um die in allen Dingen - womit vor allem die Natur gemeint ist - verborgenen Lieder zum Tönen zu bringen. Anhand von persönlichen Aufzeichnungen, die häufig zitiert werden, lässt sich Eichendorffs Persönlichkeit ganz unmittelbar erfahren.

Böhmer widmet sich aber auch Eichendorffs nicht selten
autobiografisch gefärbter Erzählprosa, dem Dramatiker und dem Satiriker; Eichendorff war keineswegs so weltfremd, wie man es heute den Romantikern unterstellen mag, und er hatte manches an der Politik auszusetzen. Gut ist dem Autor darüber hinaus die Einbindung jener Personen gelungen, die auf Eichendorffs Entwicklung und Werk Einfluss nahmen, darunter zum Beispiel Lehrer wie Joseph von Görres und Freunde wie Otto Heinrich Graf von Loeben.

Eichendorffs Scheitern im Brotberuf wird dank der kurzen Beschreibung der Situation des preußischen Beamtentums ebenfalls verständlich. Eichendorff, Romantiker und keineswegs untypischer Vertreter des Landadels, dennoch kühner und unkonventioneller Denker: diese Biografie vermittelt einen interessanten, den Leser berührenden Eindruck von einer ausgesprochen facettenreichen, auch heute häufig unterschätzten Persönlichkeit.

(Regina Károlyi; 08/2007)


Otto A. Böhmer: "Joseph von Eichendorff. Sein Leben erzählt von Otto A. Böhmer"
Diogenes, 2007. 200 Seiten.
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