Lizzie Doron: "Ruhige Zeiten"
Dies ist die Geschichte von Leale, genannt Lea, einer Überlebenden der Shoah, die von Mordechai, einem Mitarbeiter der Jewish Agency, nach dem Krieg in einem polnischen Waisenhaus entdeckt und nach Israel gebracht wird.
Nach dem Tod von Srulik,
den sie als junges Mädchen heiratet und mit dem sie einen Sohn hat,
wird Lea Maniküre im Friseursalon von Sajtschik. Auch Sajtschik kommt
von "dort" und lebt mit Mordechai in einer versteckten homosexuellen
Beziehung, die Lea aber nicht wahrhaben will. Sie liebt Sajtschik all
die langen Jahre, die sie bei ihm arbeitet, und als auch er stirbt,
erinnert sich Lea in einer langen Zeit der Trauer an "Menschen, an die
sich niemand erinnern wird" (Widmung der Autorin).
Schon in ihrem ersten Buch, "Warum bist du nicht vor dem Krieg
gekommen?", ist es Lizzie Doron gelungen, das Unaussprechliche in eine
eigene Sprache zu fassen, das Schweigen hörbar zu machen und den
Überlebenden der Shoah eine ganz eigene Würde zu geben.
In ihrem neuen Buch "Ruhige Zeiten" lässt sie Lea in genau dem selben
Tel Aviver Viertel leben, in dem auch ihre Mutter Helena aus dem ersten
Buch ihr Leben verbracht hat. Die Rabbinerfrau Guta taucht wieder auf,
und auch "Frau Helena" wird in einer kurzen Sequenz erwähnt.
Und Lizzie Doron lässt die Menschen sprechen, erzählen von ihrem Leben
im neuen Land, von ihrem Kampf mit einem Gott, an den sie nicht mehr
glauben können und dessen Rituale sie dennoch befolgen, von ihrem
täglichen Kampf der Entscheidung zwischen Leben und Tod. Sie tut das
mit einer wundervollen Sprache, die von
Mirjam
Pressler, wie auch beim ersten Buch, sehr sensibel ins Deutsche übertragen wurde.
In Sajtschiks Friseursalon passieren seltsame Dinge mit den Menschen.
"Im
Friseursalon, hatte Sajtschik einmal zu mir gesagt, können die
Tauben hören, die Blinden sehen und die Stummen sprechen."
Mit
tiefer menschlicher Wärme und einem ganz eigenen Witz schildert Lizzie
Doron den schwierigen Balanceakt von Überlebenden, trotz aller
unaussprechlichen Erfahrungen sich den Herausforderungen und Zumutungen
des Lebens und Weiterlebens zu stellen und sich dabei gegenseitig zu
stützen.
Ich habe auch dieses zweite Buch von Lizzie Doron mit großer innerer
Erregung gelesen. Die Erschütterung, die es ausgelöst hat, wird lange
anhalten. Bleiben wird aber auch eine genuine Form von Hoffnung, die
diese beiden Bücher ausstrahlen. Hoffnung darauf, dass nichts und
niemand den Kern der menschlichen Seele wirklich auslöschen kann.
(Winfried Stanzick; 07/2005)
Lizzie Doron: "Ruhige Zeiten"
(Originaltitel "Jamim schel scheket")
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler.
Jüdischer Verlag, 2005. 176 Seiten.
ISBN 3-633-54218-3.
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Lizzie Doron, geboren 1953, lebt in Tel Aviv. 2003 wurde ihr
Roman "Ruhige Zeiten" mit dem von Yad Vashem vergebenen Buchman-Preis
ausgezeichnet.
Ein weiteres Buch der Autorin:
"Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen?"
Ihre Mutter Helena, das ist Elisabeths ganze Familie, sonst gibt es keine Verwandten.
Und Helena ist nicht wie andere Mütter. Sie kommt von "dort", und hier,
in
Tel Aviv, im gerade entstandenen Staat Israel, versucht sie für sich und
ihre Tochter ein neues Leben aufzubauen. Doch die Vergangenheit wirkt untergründig
fort: Helena malt für ihre Tochter ein Bild, um ihr bei den Hausaufgaben zu
helfen. "Landarbeit" lautet das gestellte Thema, und während sich auf den Bildern
der anderen Kinder Pioniere und Zitrusfrüchte tummeln, wachsen bei Helena nur
Grabsteine in den Himmel. In einer Folge von eindringlichen, zum Teil aberwitzigen
Episoden erinnert sich Elisabeth an ihre Mutter: eine
Überlebende der Shoah,
eine mutige und kämpferische Frau, entschieden auf ihre Würde bedacht, die sie
mit Witz und Einfallsreichtum zu wahren weiß. Es ist die Gegenwart von Mutter
und Tochter, von der Lizzie Doron erzählt, lakonisch und liebevoll - aus der
Sicht des Kindes, das aufwächst mit den Ängsten und der Trauer der Mutter, inmitten
einer neuen Welt, die davon wenig wissen will und Menschen wie Helena allenfalls
fragt: Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen? (Jüdischer Verlag)
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