Nelson DeMille: "An den Wassern von Babylon"
Eine gemeinsame Friedensmission von Palästinensern und Israelis ist heute etwas, was sich viele Beobachter des Konflikts im Nahen Osten sicherlich wünschen würden. Dies ist im Jahr 2003 genauso der Fall, wie es das schon im Jahr 1978 war, als dieser Roman geschrieben wurde
In diesem Roman soll eine Konferenz einer solchen Mission in Spanien stattfinden, und Vertreter beider Seiten sollen mit zwei El Al-Concordes dorthin geflogen werden. Das Ganze steht teilweise unter der Schirmherrschaft der USA. Alle Beteiligten sind verständlicherweise nervös und, wie sich bald herausstellt, auch gerechtfertigter Weise. Denn die beiden Concordes tragen eine unbekannte Fracht bereits ab Werk, die es einer Terroristengruppe ermöglicht, die Maschinen nach Gutdünken zu vernichten. Nachdem sie diese Fracht an der einen Concorde demonstriert haben, folgt ihnen die zweite brav, und die eskortierenden Militärflugzeuge drehen ab. Nach einem haarsträubenden Tiefflug über verschiedene Grenzen wird die Maschine zu einer Landung in der Nähe von Bagdad gezwungen. Im Zuge des Landemanövers zieht der Pilot die Maschine allerdings auf eine Mesa einige Kilometer vom Stützpunkt der Terroristen entfernt, und dort gelingt es der Besatzung, den Passagieren und den begleitenden Sicherheitskräften, sich zu verschanzen. Es entwickelt sich eine Belagerungssituation mit allen dazu gehörigen psychologischen und psychischen Problemen, während die israelische und amerikanische Regierung verzweifelt nach dem verschwundenen Flugzeug suchen und nach dem Auffinden desselben versuchen, die Regierung in Bagdad zur Hilfe bei der Rettung der Friedensmission zu bewegen.
Auch wenn dieser Roman schon sehr alt ist, gibt er der Leserin und dem Leser doch interessante Einblicke in das israelische Sicherheitsdenken und dessen Hintergründe, was sicherlich für viele eine Hilfe sein kann, einige Aktionen der Israelis in der heutigen Zeit besser zu verstehen. Vor dem Hintergrund ist "By the Rivers of Babylon" sicherlich von einem gewissen zeitlosen Wert. Daneben lernt man eine ganze Menge über die Situation von Menschen in einem Belagerungszustand; etwas, das den meisten heutzutage sicherlich - zum Glück - nicht besonders vertraut ist. Auch dies ist sicherlich ein interessanter Gesichtspunkt an diesem Roman. Was fehlt, ist die Beschreibung der Sichtweise der anderen Seite, was in dem aktuelleren Roman des Autors "Das Spiel des Löwen" wesentlich mehr Platz bekommt und hier die Motivationen weitaus verständlicher macht. Im Vergleich dieser beiden Romane zeigt sich, wie sehr DeMille in der dazwischen liegenden Zeit in thematischer und literarischer Hinsicht gewachsen ist. Ansonsten steht die Belagerungssituation sehr stark im Vordergrund des Romans, was für viele Leserinnen und Leser nach einiger Zeit etwas ermüdend sein dürfte.
Wichtig ist an diesem Roman allerdings im Bezug auf DeMilles Gesamtwerk
noch etwas anderes: Die Zusammenarbeit mit Thomas Block zur Funktion und Flugtechnik
der Concorde in diesem Buch war der Kern für den später geschriebenen Roman "Mayday", der
bereits auf diesen Seiten besprochen wurde. Stilistisch ist dieser Roman noch
etwas hölzern an einigen Stellen, aber er weist bereits auf die Qualität von DeMilles
späteren Romanen hin.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2003)
Nelson DeMille: "An den Wassern von Babylon"
Ullstein Taschenbuch, 2003. 496 Seiten.
ISBN 3-5482-5546-9.
ca. EUR 8,95.
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