Matthew Bunson: "Das Buch der Vampire.
Von
Dracula, Untoten und anderen
Fürsten der Finsternis. Ein Lexikon."

Eben schlug dumpf die Geisterstunde,
Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Nun den dunkel blutgefärbten Wein;
Doch vom Weizenbrot,
Das er freundlich bot,
Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.

Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,
Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens
Blut.
Ist's um den geschehn,
Muß nach andern gehn,
Und das junge Volk erliegt der Wut.

(aus "Die Braut von Korinth" von Goethe)


Fernsehserien wie Buffy - Im Bann der Dämonen und Angel - Jäger der Finsternis mögen mancherorts das Bild vom "modernen, telegen durchgestylten" Vampir prägen, der sich seines düsteren Daseins gefälligst zu schämen hat und tunlichst danach streben soll, ein "nützliches" Mitglied der sonnigen Harmlosgemeinschaft zu werden, und der - falls er sich nicht kooperativ zeigt - in "bester" Wildwest-Manier eins auf die Rübe bzw. einen Holzpflock ins Herz getrieben bekommt.

Dass man sich diesem Themenkreis auch anders, geradezu seriös annähern kann, beweisen Bücher wie dieses: Die Vampir-Enzyklopädie stellt ein Gegengewicht zur zeitgeistig tendenziell-einseitigen Interpretation eines Mythos, der in der einen oder anderen Form in vielen Kulturkreisen existiert, dar.

Matthew Bunson hat regionale Mythen, Legenden, Bräuche, Religionen, Historie, Literatur und Film aller Erdteile durchforstet, und ist dabei auf allerhand Bemerkenswertes gestoßen: Wer hätte beispielsweise gedacht, dass nach jüdischer Überlieferung Adams erste Frau, Lilith, als Strafe für Insubordination - (u.a. wollte sie beim Geschlechtsakt nicht unten liegen) - in eine unersättliche (!) Nachtdämonin verwandelt wurde, dass der Vampir von Kithnos aus luftiger Höhe, von der Kirchturmspitze nämlich, nach Lust und Laune auf die Untenstehenden urinierte, dass das gut bestückte Waffenarsenal eines Vampirjägers neben den bekannten Gegenständen (die da wären: Kruzifix, Knoblauch, Weihwasser) auch Brecheisen, geweihte Hostien, Würgehalsband oder Halseisen enthält, oder dass Bram Stokers Roman Dracula ursprünglich in der Steiermark spielen sollte?

So spannt sich ein hochinteressanter, unterhaltsamer Bogen über viele Jahrunderte menschlicher Kultur; von "A" wie "Abbott und Costello treffen Frankenstein" (eine 1948 gedrehte Vampir-Filmkomödie), über "K" wie "Krötenfrau" (eine bösartige Wiedergängerin bei einigen nordamerikanischen Indianerstämmen), "P" wie "Poenari, Burg" (eine der Residenzen des berüchtigten Vlad Tepes), bis "Z" wie "Zwillinge".

(kre; 11/2001)


Matthew Bunson: "Das Buch der Vampire.
Von Dracula, Untoten und anderen Fürsten der Finsternis. Ein Lexikon."
Aus dem Englischen von Anne Hellequin und Françoise Gello.
Titel der englischen Originalausgabe: "The Vampire Encyclopedia"
Wilhelm Heyne Verlag, 2001. 315 Seiten.
ISBN 3-453-18839-X. ca. EUR 8,95.
Buch bestellen