Dan Brown: "Diabolus"

Ein diabolischer Plan und ein Wettlauf gegen die Zeit


Es heißt, dass sich im Tode alles klärt. Ensei Tankado wusste jetzt, dass die Redensart stimmte. Im Fallen, die Hände an die schmerzende Brust gepresst, erkannte er seinen schrecklichen Fehler. ... (Auszug aus "Diabolus")

Die NSA und ihr Super-Computer

Die Kryptographische Abteilung des amerikanischen Geheimdienstes NSA (National Security Agency) setzt für Dechiffrierarbeiten einen Hochleistungscomputer namens TRANSLTR ein, mit dem weltweit jeder Code (und somit jede verschlüsselte Botschaft) innerhalb weniger Minuten entschlüsselt werden kann. Der Rechner ist im Dauereinsatz damit beschäftigt, codierte Texte von Terroristen, Drogenkurieren und sonstigen kriminellen Vereinigungen zu entschlüsseln. Ziel ist es, die Sicherheit der USA um jeden Preis zu wahren.

Eines Tages taucht ein mysteriöses Programm auf, welches den Super-Computer offenbar überfordert. Der TRANSLTR ist seit 16 Stunden mit dem Programm Diabolus beschäftigt, ohne es knacken zu können. Der Entwickler des Programms droht, Diabolus der Öffentlichkeit zugänglich zumachen. Durch eine Veröffentlichung würde Diabolus zum Verschlüsselungs-Standard werden, mit der Folge, dass der NSA und ihrem Hochleistungsrechner die Basis entzogen wäre.

Der mörderische Plan

Urheber des Programms ist der ehemalige Mitarbeiter der Kryptographischen Abteilung Ensei Tankado. Der Computerspezialist, körperlich gezeichnet durch Spätwirkungen der Atombombe auf Hiroshima, will der NSA demonstrieren, dass jedermann ein Recht auf Geheimnisse hat. Er enthüllt der ganzen Welt, dass die amerikanische Regierung die Öffentlichkeit mit einer geheimen Dechiffriermaschine (gemeint ist der TRANSLTR) hinters Licht führen will. Tankado wird mundtot gemacht und eine Verleumdungskampagne gegen ihn gestartet, mit der Folge, dass er in der Öffentlichkeit nicht mehr ernstgenommen wird. Er sinnt auf Rache und kreiert Diabolus.

Diabolus kann von Tankados Website im Internet heruntergeladen werden. Das Programm ist mit sich selbst verschlüsselt. Jeder kann es haben, aber keiner kann es öffnen. Tankado erpresst die NSA. Sie sollen öffentlich zugeben, dass der TRANSLTR existiert und die NSA jedermanns E-Mails lesen kann. Dann würde er Diabolus vernichten. Ansonsten wird das Programm gegen Höchstgebot versteigert. Der Sieger erhält den Schlüssel zum Öffnen des Programms.

Tankados Lebensmotto und der Versuch seiner Realisierung enthalten genügend gesellschaftlichen und politischen Sprengstoff, um nicht nur der NSA, sondern auch ihm persönlich zum Verhängnis zu werden. Sein Tod führt dazu, dass die Situation außer Kontrolle gerät. Keiner weiß, wo der Code zu finden ist und niemand kennt Tankados wirklichen Plan. Eine gnadenlose Jagd nach dem Schlüssel beginnt.

Handlungsort Fort Meade in Maryland (USA), Hauptsitz der NSA

Commander Strathmore, stellvertretender NSA-Direktor und verantwortlich für TRANSLTR, weiht seine enge Vertraute Susan Fletcher in die gefährliche Situation ein. Das drohende Desaster muss, unter gleichzeitiger strengster Geheimhaltung, um jeden Preis verhindert werden. Er hat Diabolus eigenmächtig unter Umgehung der Sicherheitsprogramme in den TRANSLTR eingegeben und will den Code entschlüsseln, um damit Zugang zu jeglichen Kommunikationsvorgängen auf der Welt zu haben.

Die Merkwürdigkeiten rund um den TRANSLTR bleiben auch anderen Mitarbeitern nicht verbogen und so beginnt ein Intrigenspiel zwecks Verschleierung der Fakten. Es sind einige markante Charaktere beim NSA beschäftigt, die sich nicht bluffen lassen und hartnäckig ihre Ziele verfolgen. Wer kann wem vertrauen? Die Lage spitzt sich zu und Opfer müssen gebracht werden.

Besonders kritisch wird die Situation, als deutlich wird, dass die zentrale Datenbank der NSA, die mit dem TRANSLTR in Verbindung steht, in Gefahr gerät. Die geheimsten Geheimnisse der Nation, wie Manöverpläne, Fernwaffencodes, Deckidentitäten, Pläne für modernste Waffentechnologie usw. sind in dieser Datenbank gespeichert. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Handlungsort Sevilla (Spanien)

Tankado stirbt in Sevilla und Strathmore beauftragt einen unverdächtigen Außenseiter damit, Tankados Habseligkeiten, die irgendwo den Code enthalten müssen, nach Fort Meade zu bringen. Bei dem unverdächtigen Außenseiter handelt es sich ausgerechnet um David Becker, den Verlobten von Susan Fletcher. Becker ist Professor an der Georgetown Universität und ein Genie für Sprachen. Er hat in der Vergangenheit schon mal für den NSA asiatische Texte übersetzt und ist Strathmore daher bekannt.

Becker steht vor einer Aufgabe, die unlösbar erscheint, da genau der Gegenstand, den er sucht und der aller Wahrscheinlichkeit nach den Code enthält, nicht mehr auffindbar ist. Natürlich ist nicht nur Becker auf der Suche nach dem Code. Der berüchtigte Killer Hulohot verfolgt ihn und hinterlässt eine Spur des Grauens. Becker muss über sich hinauswachsen, will er überleben.

Der Aufbau des Buches

Dan Brown versteht es, die Spannung ins Unendliche zu steigern. Kurze Kapitel mit jeweils wechselnden Handlungsorten tragen ihren Teil dazu bei. Auch wenn das Geschehen teilweise unglaubwürdig wirkt (Warum gelingt es einem Profikiller nicht, sein unerfahrenes Opfer zu töten?), handelt es sich um einen spannenden Thriller. Dazu tragen auch die Wendungen bei, die sich im Laufe der Geschichte ergeben.

Wo liegt der Unterschied zu Büchern wie "Illuminati" oder "Sakrileg"?
Während es Dan Brown in "Illuminati" gelungen ist, die Themen Wissenschaft und Religion zu verschneiden und der Leser nebenbei fundierte Informationen über Aufbau und Geschichte des Vatikans erhält, setzt er sich in "Sakrileg" mit spekulativen kirchengeschichtlichen Hypothesen und Geheimbünden auseinander, die Fragen über den Wahrheitsgehalt der offiziellen Geschichtsschreibung aufwerfen. Beide Bücher sind hinsichtlich der Handlungen abenteuerlich aber wirken sauber recherchiert. In "Diabolus" greift Dan Brown mit den realen Geheimdiensten und ihren technischen Hilfsmitteln ein ebenso spannendes und geheimnisumwittertes Thema auf. Nur diesmal wirkt die Aufbereitung des Themas im Vergleich zu seinen Büchern "Illuminati" und "Sakrileg" unausgereift. Nach 524 Seiten ist der Leser eher verwirrt und weiß nur wenig über die (realen) Möglichkeiten der Computertechnik und der Kryptographie.

Unabhängig von der Plausibilität der vermittelten Informationen wirft Dan Brown in "Diabolus" eine wichtige gesellschaftspolitische Frage auf: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure? Es wird deutlich, welche Macht die Geheimdienste besitzen. Ist die Überwachung privater Kommunikation zulässig? Ist das Sicherheitsinteresse eines Landes so groß, dass eine Überwachung nach Big Brother-Manier gerechtfertigt ist? Dieses wichtige Thema, welches in den 1980er Jahren (auch wegen des besonderen Jahres "1984") hochaktuell war, wird durch dieses Buch erneut ins Gespräch gebracht.

Manche Kritiker werfen Dan Brown vor, dass der Stil seiner Bücher ähnlich ist. Gilt gleiches nicht auch für Erfolgsautoren wie zum Beispiel Henning Mankell oder Paulo Coelho? Dan Browns Bücher sind allesamt extrem spannend geschrieben. Legt man als Maßstab an, dass Bücher unterhaltsam und informativ sein sollen, so kommt die zweite Kategorie in diesem Buch etwas zu kurz. Trotzdem handelt es sich um ein Werk welches man, einmal angelesen, nur ungern zur Seite legt.

"Diabolus" ist Dan Browns erster Roman und unter dem englischen Titel "Digital Fortress" bereits 1998 erschienen.

(Klemens Taplan; 03/2005)


Dan Brown: "Diabolus"
(Originaltitel "Digital Fortress")
Übersetzt von Peter A. Schmidt.
Lübbe, 2005. 528 Seiten.
ISBN 3-7857-2194-3.
ca. EUR 20,50.
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