Martin Brinkmann: "Heute gehen alle spazieren"
Mitten im Leben, der Schritt in das, was immer die Zukunft war und jetzt nur als Niemandsland empfunden wird, dort beginnt dieser Roman. Nach Durchleben der Kindheit, der Schulzeit und des Zivildienstes, beginnt für den Erzähler des Bandes nun der Beginn des Erwachsenenlebens, mit dem er sich so gar nicht identifizieren kann. Das Vergangene ist noch zu präsent, und das Werdende ohne Vorstellung. Auf die Zeit hinter ihm, blickt er nicht ohne Selbstironie, zuweilen auch Wut. Seine Haltung zur Vergangenheit ist ebenso distanziert wie der Blick in die Zukunft. Aber gerade diese Distanziertheit lässt in ihm einen Humor wachsen, der seine ganze Vitalität in dieser Hoffnungslosigkeit ausdrückt.
Als genauer Beobachter sieht der Erzähler die Dinge so, wie sie sind. Sieht die Arbeitswütigen, die Eiligen, die in ihrem Leben ziellos verstrickten und sieht den fehlenden Sinn darin. Dies schildert der Autor in einer Sprache, welche die Situation des Erzählers wiedergibt. Sie ist wenig elaboriert, aufgesetzt oder umschreibend, sondern, direkt, umgangssprachlich und offen heraus. In ihrem Stil verkörpert sie ihren Sprecher.
Dieses
unserer Zeit so gar nicht fremde Lebensgefühl bleibt den ganzen Roman über konstant,
so ist das Ende eigentlich gar kein Ende. Denn nichts hat sich verändert oder
verbessert, vielmehr spiegelt es nur noch einmal das Gefühl des Romans, das Gefühl
der ungewissen Zukunft wieder.
Dies auf dem Punkt stehen, dies Fortschieben der
Zukunft, die scheinbare Leere
des Kopfes und die Suche nach einem Sinn, verkörpert in unserer heutigen Gesellschaft
so etwas wie einen Antitypus gegen die zielstrebigen, karrierebewussten Banker,
Broker, Controller, Juristen,
Mediziner,
und doch scheint dieser Typus nicht ganz unbekannt zu sein. Der Typus des herumgammelnden,
gelangweilten, der Gesellschaft gegenüber generell anti-eingestellten,
mitunter in Haschträumen
versinkenden Herangewachsenen, der neben der Norm zu stehen scheint.
Heute gehen alle spazieren ist der erste Roman des in Bremen lebenden Autors und Journalisten Martin Brinkmann. Mit dieser so zeitgenössischen Schilderung der scheinbar desperaten Situation des Erzählers in diesem Werk dürfte ihm ein Platz in den Reihen der neuen deutschen Literaten sicher sein.
(Verena Hellenthal)
Martin
Brinkmann: "Heute gehen alle spazieren"
Deutsche Verlags-Anstalt
Stuttgart München 2001
160 Seiten
ca. EUR 16,40.
Buch bestellen