Dr. Thomas Müller: "Bestie Mensch"
Tarnung. Lüge. Strategie.
"Bestie Mensch" - eine Gedankenreise
in Grenzbereiche |
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Europas führender Kriminalpsychologe Dr. Thomas Müller ermöglicht in
"Bestie Mensch" Einblicke in sein faszinierendes Tätigkeitsfeld, indem er den
Leser quasi als Zuhörer und Beobachter in entscheidenden Momenten an Gesprächen
mit verurteilten Straftätern teilhaben und dadurch in fremdartige
Befindlichkeitswelten eintauchen lässt, Grundbegriffe der Kriminalpsychologie
und den grenzübergreifenden Aufbau der interdisziplinären Zusammenarbeit von
Spezialisten zum Zweck der Verbrechensaufklärung und -prävention erschließt.
Beispielsweise resultieren aus derartigen wissenschaftlichen Kooperationen
Fahndungsstrategien oder auch zusätzliche Hilfestellungen für Psychiater bei der
Erstellung von Gutachten im Zusammenhang mit vorzeitigen Haftentlassungen. (Wie
gefährlich ist der Verurteilte? Besteht Wiederholungsgefahr nach der
Entlassung?)
Die - wenn der Ausdruck gestattet ist - "Rahmenhandlung" von "Bestie
Mensch" liefert ein Interview, das Dr. Müller am 17. Oktober 2003 im
Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttl mit dem zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Straftäter Lutz Reinstrom führte, und
das aufgrund der Dynamik des Verlaufes für hochgradige Spannung während der
gesamten Lektüre sorgt, denn Dr. Thomas Müller bedient sich der Rückblenden als
Stilmittel, um die Ereignisse der vergangenen Jahre chronologisch geordnet
darzustellen. Zwischendurch kehrt man immer wieder zur durchaus beunruhigenden
Interviewsituation zurück.
Rein äußerlich betrachtet erscheint alles
verhältnismäßig sicher: Der Gefängnisinsasse bietet mitgebrachten Tee an, die
Männer sitzen einander gegenüber. Doch der Schein trügt: Ein nervenaufreibendes
Katz-und-Maus-Spiel nimmt seinen Lauf, wobei Lutz Reinstrom unmerklich die
Kontrolle über das Gespräch an sich zieht, indem er das Verhalten seines
Besuchers regelrecht vorhersieht, den Gesprächspartner zermürbt und manipuliert,
Macht ausübt, bis Dr. Müller schließlich mit einem verbal geführten
Befreiungsschlag Reinstroms "Spinnennetz" aus Tarnung, Lüge und Strategie
zerreißt.
Ein Leser, der leichtfertig oder voreilig meint, ihm könne so etwas
auf keinen Fall widerfahren, er könne "das Böse" zuverlässig erkennen, wird
rasch einsehen müssen, dass er einer Täuschung unterliegt.
Dr. Müller: "Die
Annahme zu wissen, was man jemandem zutrauen kann und was nicht, ist der größte
Irrtum und bestenfalls die Basis für Vorurteile. Dieser Irrtum ist der
Nährboden, in dem die Tarnung der Falschheit zu wachsen beginnt.", und
"Wer
glaubt erkennen zu können, was jemand in der Lage ist zu tun, hat die Tarnung
nicht erkannt und ist zum potenziellen Opfer einer klassischen Lüge geworden,
nämlich seiner eigenen."
Dr. Müller beschreibt seinen beruflichen
Werdegang ebenso wie aufsehenerregende Kriminalfälle, wobei er sich zugleich
ernsthaft und ironisch als "Zecke" und "übernachhaltig" bezeichnet, bezogen auf
seinen Wissensdurst und sein Bestreben, Zugang zu möglichst vielen Aspekten
menschlicher Entscheidungen, Bedürfnisse und damit verbundener Verhaltensweisen
zu finden, sich weiterzubilden, seine Erkenntnisse zu überprüfen, umfangreiche
Datensammlungen anzulegen und die Psychologie für die Kriminalistik systematisch
nutzbar zu machen.
Eine kuriose Anekdote enthüllt, wie eine 1982
stattgefundene polizeiliche Amtshandlung ausschlaggebend für Thomas Müllers
Berufswahl wurde.
Offenbar von Natur aus mit besonderer Wahrnehmungsfähigkeit
sowie regem Interesse für alles, was die nüchterne Analyse des menschlichen
Verhaltens in bestimmten Situationen betrifft, ausgestattet, erkundete Thomas
Müller bereits als Streifenpolizist in Tirol in intensiven Gesprächen die Welt
der Unterstandslosen, Prostituierten und Bettler, bisweilen argwöhnisch beäugt
von seinen Berufskollegen, wie er schreibt.
In den Jahren 1984 bis 1991 studierte er neben seiner Arbeit als Streifenpolizist
Psychologie,
verdingte sich kurzfristig - für Feldforschungsexperimente - als Teilzeitreiseleiter
("Ich wollte Menschen zu einem Zeitpunkt kennen lernen und beobachten, wenn
sie sich in einer Art freiwilliger Abhängigkeit befanden. Ich wollte nachvollziehen,
warum manche Leute dem Drang der eigentlichen Individualität, den freien Entscheidungen,
mehr Nachdruck verleihen und andere sich eher der Gruppe anschließen ...").
Im Jahr 1991 führte ein Gespräch mit einem Mann, der nach
einem untypisch verlaufenen Überfall auf ein Postamt damit gedroht hatte, sich
eine Kugel in den Kopf zu schießen, zur Erkenntnis, dass es nicht entscheidend
ist, was jemand sagt, sondern was er getan hat, auf welche Art und Weise und
inwiefern derjenige versucht hat, seine Umwelt zu verändern und dadurch seine
individuellen Bedürfnisse zu befriedigen ...
Die nächste Station in Dr.
Müllers beruflicher Laufbahn war 1992 die Bundeshauptstadt, konkret das Wiener
Sicherheitsbüro, wo er sich "wie ein riesiger Bücherwurm" durch Aktenberge
arbeitete und seinen Erfahrungsschatz mehrte.
Michael Sika, damals
Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, der für neue Methoden und
Ansätze offen war, erteilte Dr. Müller den Auftrag, den Kriminalpsychologischen
Dienst aufzubauen. Zu jener Zeit beriet Dr. Müller auch den Leiter der
Sonderkommission im Fall Jack Unterweger. In weiterer Folge erfüllte sich sein
langgehegter Wunsch, an der FBI-Akademie in Quantico mit erfahrenen Experten der
Verhaltensforschungseinheit zusammenzuarbeiten und von ihnen zu lernen;
Stichwort: Tatortanalyse (d.h. Aufarbeitung der Einzelentscheidungen des Täters
am Tatort).
1993 lernte Dr. Müller Robert K. Ressler, den ehemals führenden
Mitarbeiter in der FBI-Abteilung für Verhaltensforschung und Direktor der
Forensic Behavioral Services International, kennen; dies war der Beginn einer
für beide Seiten interessanten Zusammenarbeit.
Leitmotivisch ziehen
sich wirkungsvolle Aussagen wie
John
Steinbecks Satz "Es gibt Menschen, die in Erfahrungswelten leben, die wir
nicht betreten können", das sudanesische Sprichwort "Suche den Feind im Schatten
deiner Hütte", oder auch "Man kann das Verhalten eines anderen Menschen nicht
ändern" durch "Bestie Mensch", was dazu führt, dass man sich während der Lektüre
immer wieder mit eigenen Erwartungshaltungen, moralischen Vorstellungen und
vorgefassten Ansichten konfrontiert sieht und dazu angeregt wird, diese
zumindest kritisch zu hinterfragen.
Es ist nicht Aufgabe der
Kriminalpsychologen, zu urteilen. Ihr Metier ist das Vergleichen von
Verhaltensweisen von Personen unter ähnlich gelagerten Umständen. Es geht darum,
aus dem Verhalten einer unbekannten Person Ermittlungsansätze
abzuleiten.
Will man brauchbare Vergleichsmöglichkeiten erschließen, aufgrund
derer jeweils ähnlich gelagerte Kriminalfälle analysiert werden können, ist es
unabdingbar, mit verurteilten Tätern zu sprechen, um von ihnen Aufschluss über
am Tatort getroffene Entscheidungen zu erhalten, denn, so Dr. Müller: "Mord ist
nicht gleich Mord. Verhalten ist nicht gleich Verhalten und messen bedeutet
vergleichen."
Über die Jahre aus zahlreichen Interviews mit Insassen von
Strafvollzugsanstalten in Europa und den USA gewonnene Informationen ergeben
nach systematischer Auswertung in Summe ein hilfreiches Netzwerk, dessen sich
die Ermittler im Zuge ihrer Arbeit bedienen können.
Absolut lesenswert
sind Dr. Müllers Ausführungen zur Arbeitsplatzkriminalität wie auch zu
Gewaltfantasien und natürlich zu Kriminalfällen, die Österreich in Atem hielten
(wie beispielsweise Franz Fuchs, Jack Unterweger, Elfriede "die schwarze
Witwe")
- um nur einige Beispiele für die in "Bestie Mensch" gebotene Themenvielfalt
anzuführen.
Nicht fehlen darf auch das vielbeachtete Projekt "Theatertäter - Theaterklassiker
untersucht von Europas führendem Kriminal-Profiler", im Zuge dessen Dr. Thomas
Müller infolge "übernachhaltiger" Anregung seitens des Dramaturgen Jochen Herdieckerhoff
Schlüsselszenen aus Shakespeares Drama "Richard III." und
Schillers
"Die Räuber" analysierte, indem er diese mit Spielzeugfiguren nachstellte.
Beworben wurden die außergewöhnlichen Vorführungen übrigens folgendermaßen:
"In seiner einzigartigen Rekonstruktion des Theaterklassikers mit Playmobil-Figuren
und anhand von Fallbeispielen aus der eigenen Berufspraxis weist Müller spielerisch
nach, dass etwa seine ehemaligen Klienten Jack Unterweger und Franz Fuchs über
'bemerkenswerte Eigenschaften' verfügten, die bereits Shakespeare in seinem
Königsdrama 'Richard III.' detailliert beschrieben hat."
Mit detaillierten Falldokumentationen und
überwältigendem Faktenreichtum fesselt "Bestie Mensch" von der ersten bis zur
letzten Seite!
(kre; 09/2004)
Dr. Thomas Müller: "Bestie Mensch"
Ecowin,
2004. 192 Seiten.
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Ein weiteres Buch von Dr. Thomas
Müller:
"Gierige Bestie. Erfolg, Demütigung, Rache"
Am 10. Mai 2005 begann um 18:34 Uhr auf der Nordseite
der Pont-de-la-Machine, jener kleinen Eisenbrücke, die faktisch den Genfersee
von der Rhône abtrennt, eine Verhandlung, in der es um das Schicksal von
Tausenden Menschen ging. Der Abbruch, das Scheitern des Gespräches wäre einer
Katastrophe gleich gekommen. Es ging um Informationen, die in die falschen
Hände geraten waren und die unter gar keinen Umständen an die Öffentlichkeit
gelangen durften.
Thomas Müller fühlte sich sicher. Er war ausgebildet, solche Gespräche zu
führen und beauftragt, die Daten zurückzubringen - und das mit fast
uneingeschränkten Vollmachten. Doch je länger er sprach, desto mehr erkannte
er, dass sich seine Argumente in Luft aufzulösen begannen, er bereits gegen
sich selbst verhandelte. Er begann seine Standpunkte aufzugeben, vergaß seine
Ausbildung und versagte in seiner arroganten Gier, erfolgreich sein zu müssen.
Knapp zwei Stunden später, am südlichen Ende der Brücke, endete das Gespräch
in einem Desaster. Ab diesem Zeitpunkt blieben dem Kriminalpsychologen noch
wenige Minuten, um jenes Gesetz zu finden, welches einen gekränkten,
gedemütigten, verbitterten und hasserfüllten, hochgradig intelligenten, sieben
Sprachen mächtigen und hervorragend ausgebildeten EDV-Techniker davon abbringen
konnte, die Bombe zu zünden. Eine Bombe, die mit Sicherheit in mehreren Staaten
zu gesellschaftlichen Veränderungen geführt hätte. (Ecowin)
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Weitere Buchtipps:
Michael Newton, Jaques Buval: "Die große Enzyklopädie der
Serienmörder"
Serienmörder üben eine dunkle Faszination auf uns aus.
Unzählige Filme und Kriminalromane sind ihnen gewidmet, die oft in realen Fällen
ihre Vorbilder haben.
Charles Manson, Jeffrey Dahmer, Ted Bundy und Edward
Gein (der Mann, der das Vorbild für die Filme "Psycho" und "The Texas
Chainsaw-Massacre" war) zählen ebenso zu den bekanntesten amerikanischen
Serienmördern wie der Zodiac-Killer, der jahrelang mittels Botschaften in
Geheimschrift ein Versteckspiel mit der Polizei betrieb und bis heute nicht
gefasst werden konnte.
In Europa beginnt die Reihe der berühmtesten Fälle bei Gilles de Rais, der einer
der mächtigsten französischen Adeligen und Kampfgefährte Jeanne d'Arcs war und
Hunderte Knaben auf seinem Gewissen hatte. Über die österreichische Adelige Elisabeth Báthory und
Jack the Ripper führt sie zu Fritz Haarmann (verfilmt
mit Götz George) und Peter Kürten, den
Vampir
von Düsseldorf. Auch die bekannten Fälle der letzten Jahre, wie das Monster
von Florenz, Jack Unterweger, die Mordschwestern von Lainz, Elfriede Blauensteiner,
Jürgen Bartsch, Frank Gust, Fritz Honka, Dr. Shipman oder der sibirische Kannibale
Alexander Spesivtsev, werden behandelt. (Stocker)
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Kerstin Brückweh:
"Mordlust. Serienmorde, Gewalt und Emotionen im 20. Jahrhundert"
Serienmörder faszinieren. In Film, Fernsehen und
Kriminalliteratur morden sie fast täglich, aber kriminalstatistisch sind sie
nahezu bedeutungslos. Kerstin Brückweh untersucht vier Fälle von Serienmorden
(Haarmann, Seefeld, Hagedorn, Bartsch) aus der Weimarer Republik, dem
Nationalsozialismus, der DDR und der Bundesrepublik. Sie zeigt, wie Nachbarn und
Kollegen, Polizisten, Gutachter und Richter, Journalisten und Zeitungsleser die
Täter wahrnahmen und beurteilten. Besonders auf sexuell motivierte Kindermörder
entluden sich Abscheu und Hass, während zugleich in den Medien Voyeurismus und
Gewaltfantasien aktiviert wurden. (Campus)
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Kathrin
Kompisch, Frank Otto: "Teufel in Menschengestalt. Die Deutschen und ihre
Serienmörder"
Die Massenmedien unserer Tage küren den
Serienmörder zum Superstar und gewähren ihm in den Schlagzeilen einen
Vorzugsplatz. Denn der Mehrfachmörder ist Garant für steigende Auflagenzahlen
von Boulevardblättern. Anhand von zehn Beispielen untersuchen Kompisch und
Otto, welcher Stereotypen sich die deutschen Medien nach 1945 bedienen, um
Serienmörder darzustellen. Sie entschlüsseln, in welcher Weise sie das tun,
und schildern den medialen Umgang mit Aufsehen erregenden Serienmordfällen -
von Rudolf Pfeil (1950) bis hin zu Olaf Däter (2001). Eine Lektüre, die einen
garantiert gruseln lässt! (Lübbe)
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Hans
Girod: "Der Würger von Plauen. Und weitere spektakuläre Mordfälle"
Der Autor der Erfolgstitel "Das Ekel von
Rahnsdorf" und "Der Kannibale" untersucht in diesem Buch
fünfzehn Aufsehen erregende Kriminalfälle. Mit seinen realistischen,
spannungsgeladenen Schilderungen spricht der renommierte Kriminalist Hans Girod
ein breites Publikum an. (Knaur)
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Mark Benecke: "Dem Täter auf der Spur"
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