Farid ud-din Attar: "Vogelgespräche"


Farid ud-din Attar, genannt der Parfumhändler, war einer der großen Sufis, die im Persien des 12. Jahrhunderts wirkten, lehrten und dichteten. Rumi sagte von ihm, er sei die Seele selbst, und auch sonst hat Attar viele namhafte Bewunderer über die Jahrhunderte gefunden. Mit den "Vogelgesprächen" hat er eines der klassischen Bücher der Sufi-Literatur geschrieben, Sinnbild für die Sehnsucht nach und den mühsamen Weg zu Gott.

Auch der Held seines berühmten Buches, der Wiedehopf, jener ebenso seltene wie prachtvolle Singvogel, denkt und fühlt wie ein Sufi, für den das einzig wesentliche im Leben die direkte, unmittelbare Erfahrung Gottes ist.
Als sich eines Tages sämtliche bekannten und unbekannten Vogelarten der Erde versammeln und von der Notwendigkeit sprechen, einen eigenen König zu haben, weiß er Rat. Den König gebe es doch längst, den in größter Verborgenheit lebenden Vogel Simurgh, der den Vögeln ebenso nahe sei wie sie ihm fern. Zu ihm, ihrem König wolle der Wiedehopf seine Mitvögel führen, allein die Reise sei lang und gefährlich, und wenn man nicht bereit sei, vollständig auf sein bisheriges Leben der Routinen und Sicherheiten zu verzichten und mit all seiner Kraft dem Ziel seiner Sehnsucht zuzustreben, werde man ihn nicht finden.
Offensichtlich ist der Simurgh ein Symbol für Gott, die Vogelarten wiederum symbolisieren die verschiedenen Menschentypen. Sowie sie sich mit der so unerwarteten wie nachhaltigen Forderung des Wiedehopfes konfrontiert sehen, antworten sie zunächst ausweichend bis ablehnend. Entsprechend wird in der Argumentationslinie der Vögel, warum sie den Wiedehopf lieber nicht auf seiner (wohl langen und gefahrvollen) Suche nach dem Simurgh begleiten, ein guter Überblick über alle möglichen menschlichen Ausreden davor, sich dem wesentlichen zuzuwenden, geboten. Doch der Wiedehopf lässt nicht locker, zerpflückt die faulen, wenn auch manchmal sehr gewitzten Argumente der anderen Vögel und bringt zur Untermauerung seiner Kritik zahlreiche Beispiele und Geschichten aus der islamischen Geistesgeschichte. Schließlich gelingt es ihm die Vögel zu überreden, mit ihm die ungewisse Reise anzutreten.

Diese führt die Vögel nun durch sieben mystische Täler, die jedes einer Stufe auf dem Weg zu Gott, einem inneren Zustand des Gottsuchenden entspricht, durch Durst, Hunger, Hitze, Kälte, äußere und innere Feinde. Nach und nach gehen die meisten Vögel auf dieser Reise verloren, sterben oder erliegen den Verlockungen des Weges.
Schließlich sind es gerade dreißig, die ihrer Absicht treu geblieben sind und nun vor den Toren des sagenhaften Simurgh stehen. Ein gewaltiger Glanz durchdringt sie, der sie von allen ihren bisherigen Handlungen reinwäscht. Und in dieser Neugeburt erkennen sie, dass sie, die dreißig Vögel (persisch: "si-murgh") nicht getrennt vom großen Simurgh sind, dass er in ihnen ist, sie in ihm. Mit der Erkenntnis dieser fundamentalen Einheit, ausgedrückt in dem - wie gesagt worden ist  - berühmtesten Wortspiel der persischen Literatur, schließen Reise und Buch.

(stro; feb. 02)


Farid ud-din Attar: "Vogelgespräche"
W.Ludwig Verlag
179 Seiten
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