Jakob Arjouni: "Idioten. Fünf Märchen"

Fünf Menschen, fünf Wünsche ...

"Ich bin eine echte Fee, und Sie haben wirklich einen Wunsch frei. Folgende Bereiche sind allerdings ausgeschlossen: Unsterblichkeit, Gesundheit, Geld und Liebe", ratterte die Fee ihren Text herunter. Es war ihr zehnter Termin an diesem Tag und vielleicht ihr tausendster, seit der Chef sie vom Sternschnuppendienst in den Kreis der Feen befördert hatte.

Ein umwerfendes Buch, komisch, ironisch und originell erzählt. Fünf Menschen werden von einer Fee besucht und erhalten die einmalige Chance, einen Wunsch zu äußern, der auch in Erfüllung gehen wird. Bereits hier beginnt die Schwierigkeit, denn wie sich herausstellt, fällt es keinem der Protagonisten dieser Erzählungen leicht, den wirklich perfekten Wunsch ad hoc zu benennen. Doch es bleibt kaum Zeit zum Überlegen, denn die Fee, die diese Wünsche erfüllen soll ist permanent unter Zeitdruck und hat einen prall gefüllten Terminkalender. Also bleiben den vermeintlich Glücklichen nur wenige Minuten, um den wahren Wunsch innerhalb der von der Fee vorgegebenen Einschränkungen zu finden. Das Gute und Versöhnliche an der Geschichte ist, dass der Beglückte sich nachher nicht mehr an die Fee und auch nicht an den von ihm geäußerten Wunsch erinnern kann.
Denn erstens werden die Wünsche bei nicht konkreten Vorstellungen des Betroffenen nach Gutdünken der Fee bzw. deren Vorgesetzten erfüllt. Da bleibt oft zu zweifeln, ob der Wünschende die Folgen absehen konnte - und falls ja, ob sein Wunsch dann nicht besser doch eine Geschirrspülmaschine gewesen wäre, die so cirka das Teuerste zum Angreifen im Angebot der Fee darstellt. Viele Auserwählte befragen die Fee auch danach, was sich Andere in dieser Situation gewünscht hätten. Die Fee meint immer, dass die konkreten Wünsche, wie z.B. eine Geschirrspülmaschine oder keine Schmerzen beim Zahnarztbesuch ihre Klienten in jedem Fall glücklicher gemacht hat als Wünsche nach Ruhm und Ehre oder andere nicht klar zu umreißende Vorstellungen.

Und so kann sich jeder Leser darauf freuen, die Wünsche der fünf Hauptpersonen nachzulesen. Zuvor schadet es aber sicherlich nicht, für sich selbst spontan einen Wunsch zu formulieren. Voller Spannung darf man dann den Wunsch des Vizechefs einer Werbefirma, der sehr um Harmonie in der Belegschaft bemüht ist, erwarten. Auch der Wunsch des begabten Filmemachers, der vor lauter Versagensangst keine Szene mehr zustande bringt, nimmt ungeahnte Formen an. Ob die Mutter und reaktionäre Plattengeschäftsbesitzerin, deren Sohn, ein berühmter Sänger, sie quasi verstoßen hat, und der Groschenromanautor, der unbedingt im fortgeschrittenen Alter ein anerkanntes Werk auf den Markt bringen will, von der Erfüllung ihrer Wünsche begeistert sind, sei der Beurteilung jedes Lesers überlassen. Auch das sogenannte glückliche Ende eines ziemlich erfolglosen, versoffenen Journalisten ist mit Vorsicht zu genießen.

Wie oft im Leben wünscht sich jeder von uns insgeheim, einen Wunsch frei zu haben? Dieses Buch führt ziemlich anschaulich vor Augen, dass es erstens gar nicht so einfach ist, den ultimativen, einzigartigen Wunsch, der absolut glücklich macht zu finden und zweitens, dass man oft dazu tendiert, die Folgen eines Wunsches nicht allzu genau unter die Lupe zu nehmen. Jakob Arjouni hat die Folgen der einzelnen Wünsche ziemlich amüsant nachgezeichnet und dem Leser damit klar gemacht, dass auch eine Wunscherfüllung mindestens zwei Seiten hat. Sofern der Leser sich zu Beginn des Buches einen Wunsch überlegt hat, wäre jetzt sicher der geeignete Zeitpunkt, über die Konsequenzen bei dessen Erfüllung nachzudenken.
Ein faszinierendes Buch, welches trotz der Komik sehr viel Stoff zum Nachdenken beinhaltet. Ein Buch, das es mir unmöglich gemacht hat, es aus der Hand zu legen bis die letzte Seite gelesen war, und das ich wirklich jedem als Lektüre empfehlen kann. Fünf Märchen, die mir völlig klar gemacht haben, dass ein Wunsch und dessen Erfüllung nicht das Maß aller Dinge sein kann.

(margarete; 01/2003)

Jakob Arjouni: "Idioten. Fünf Märchen"
Diogenes, 2004. 160 Seiten.
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