Peter Ackroyd: "Die Clerkenwell-Erzählungen"
Die Verschwörung in der Verschwörung in der Verschwörung
Der englische Journalist und Romancier
Peter Ackroyd gilt seit langem als Garant dafür, komplexe historische Ereignisse
und Zusammenhänge literarisch so aufzubereiten, um ein breites Publikum anzusprechen,
ohne dass dabei die geschichtliche Substanz verloren ginge. Nicht selten beschäftigen
Ackroyd Personen, deren einstig brillantes Schaffen unserer Tage von einer Patina
des Vergessens überzogen ist. Wer außerhalb von Logen oder Esoterikzirkeln kennt
denn noch den Namen Doctor Dee? Diesem Medikus und
Hofastrologen
Elizabeths I. widmete Peter Ackroyd "Das Haus des Magiers". Ein wenig
ins Gedächtnis zurückgerufen hat er auch das Vermächtnis eines anderen in der
Vergessenheit Versunkenen, nämlich jenes des unter mysteriösen Umständen jung
verstorbenen Dichters Thomas Chatterton. Wirkliche Anerkennung erlangte Ackroyd
aber erst 2002 mit der Biografie über seine Heimatstadt, die den schlichten
Titel "London" trägt. Witziges, Lehrreiches und Makaberes wechseln sich
darin in einer Art von populärhistorischem Staffellauf fortgehend ab oder sprinten
auch schon mal nebeneinander her.
Ähnliches kann im Fall
der "Clerkenwell-Erzählungen" gesagt werden. Nur dass es sich dabei um
den Mikrokosmos eines Londoner Vororts im Jahre 1399 handelt. Nicht die weite
Welt einer Metropole steht im Zentrum der 23 interagierenden Episoden, sondern
Aberglaube, Kabale und Intrige im parochialen christlichen Mittelalter. Täuschen
darf sich der Leser freilich nicht. Was in diesem - mittlerweile längst von
London inkorporierten - Städtchen vor sich ging, hatte wesentlichen Einfluss auf
den englischen Thron, den Stuhl Petri in Rom und somit Bedeutung für ganz
Europa. Peter Ackroyd schildert die Hergänge - die so oder so ähnlich gewesen
sein könnten - im Stil seines Landsmannes Geoffrey Chaucer (ca. 1340-1400). Aus
den "Canterbury Tales" werden "The Clerkenwell Tales"
(Originaltitel).
Alle dreiundzwanzig Kapitel näher zu besprechen, würde
wohl vielen den Reiz nehmen, im Lesestuhl (oder der Ringelblumenwiese) versunken
selbst ins Mittelalter einzutauchen. Etliche Feinheiten gingen zudem der Kürze
wegen verloren, daher beschränkt sich der Rezensent auf den Kern des Szenarios,
garniert mit einigen amüsanten Therapien der damaligen
Quacksalberei.
Clarissa, die (gar nicht so) verrückte
Nonne
Alles nimmt seinen Anfang im Marienkloster zu Clerkenwell. Dort lebt Clarissa,
eine junge Klerikerin mit visionären Albträumen. König Richard II. wäre des
Todes, Klöster würden geschändet und Englands Kirchen allesamt zerstört werden,
warnt sie in der Klause wie auf öffentlichen Plätzen. Viele nennen sie nur die
verrückte Nonne von Clerkenwell, auch nicht gerade wenige verehren sie hingegen
als Heilige. Kurzum: Eine Braut Christi, die es versteht zu polarisieren. Um
Clarissas Geburt ranken sich wilde Gerüchte. Nur zweihundert Meter vom Nonnenkloster
entfernt steht die Priorei der
Tempelritter,
ein mächtiger Bau mit Obst- und Blumengärten samt Nebengebäuden. In dieser Anlage
soll sich gar "unheilvolles und dämonisches Ergötzen" zugetragen haben.
Die Nonnen von Clerkenwell wären nicht nur zur Beichte, wohl aber zu "Tanz
und lüsternem Spiel" hingekommen. Ob die wackren Templer den höllischen
Reizen eines Sukkubus erlagen oder die keuschen Betschwestern jenen des Inkubus,
böte wohl Gesprächsstoff für eine ganze Bischofssynode. Fest steht, einige der
Jungrauen waren nach ihren Beichtgängen froher Hoffnung. Clarissa soll ein solch
unheilig gezeugter Spross sein. Aufgezogen wurde sie in einem geheimen unterirdischen
Gang zwischen Kloster und Priorei. Eine Gepflogenheit, die auch bei anderen
auf diese Art empfangenen Kindern Sitte blieb. War der Nachwuchs erst mal alt
genug, trat er stillschweigend ins Kloster oder in den Ritterorden ein; je nachdem
ob Mädchen oder Junge.
Ein bitterböses Eröffnungskapitel,
das Ackroyd da zu Papier brachte. Doch weit mehr als der rege subterrane
gesellschaftliche Verkehr von Nonnen und Rittern verwirrt den Rezensenten die
als Tatsache beschriebene Behauptung, dass es 1399 ganz offiziell Templer
gegeben haben soll, die zu allem Überdruss auch noch trotzig in ihrer Priorei
sitzen als wäre 1307 ein Jahr wie jedes andere gewesen. Damals war den
Tempelrittern - vom französischen König angestiftet - ein Schauprozess nach dem
anderen bereitet, und ihr Orden 1312 vom dazu gezwungenen Papst aufgelöst
worden. Es stimmt zwar, dass die Tempelritter in Portugal, Schottland oder
England weit weniger Verfolgung zu dulden hatten als anderswo in Europa, jedoch
scheint eine Machtbasis wie die im Roman beschriebene anachronistisch. Ob es an
der Übersetzung liegt oder an Ackroyds erzählerischer Freiheit, kann wohl nur
das Lesen des englischen Originals beantworten.
Endzeitsekte mit
vielen Namen und wenigen Gesichtern
In Köln kannte man sie als die
"Verständigen", in Paris als "Apostoli", in Reims wiederum als "Humiliati".
Unter der Bezeichnung "Wahre Menschen", "Wissende" oder "Vorherbestimmte"
tauchen sie in den "Clerkenwell-Erzählungen" auf. Sie sehen sich als die
wahren Jünger Christi, dessen Bruder sie als ersten Anführer ihrer Vereinigung
in Anspruch nehmen. Sämtliche Zeremonien der römisch-katholischen Kirche schätzt
die Sekte als "Sattelschmuck Luzifers" mehr als gering. Prälaten und
Bischöfe verachten die "Wissenden" als Nachschub für das Höllenfeuer. All die
Gotteshäuser wären nichts als "Burgen Kains". Ziel der
"Vorherberstimmten" ist es, in der verderbten Welt die Apokalypse
herbeizuführen. Wilhelm Exmewe, Augustinerpater und Anführer des englischen
Sektenarms, unterbreitet hierfür einen wahrhaft pyromanischen Plan: Die fünf
Wundmale Christi müssen der Stadt London zugefügt werden. Oder einfacher
formuliert: Fünf Kirchen sollen in Flammen aufgehen, dann, so Exmewe, stehe der
Jüngste Tag bevor. Praktischerweise erlaubt das Dogma der Sekte Lüge und Mord.
Denn als wahre Nachfolger des Herrn können "Wissende" gar nicht sündigen, sie
sind "Innocentes", "Unschuldige". Allzu viele Mitglieder bekennen sich trotz der
großzügig konstruierten Moral nicht zu den "Wahren Menschen", dafür aber wenige
Fanatisierte.
Die Lollharden als Sündenbock
Als dann die erste
Kapelle durch griechisches Feuer zerstört wird, ist die Unruhe von Clerkenwell
bis nach London groß. Die Kunde von der Flammenbrunst gelangt wie ein
Flächenbrand in die entlegensten Teile des Inselreichs. Hatte die "verrückte
Nonne" nicht davor gewarnt, dass die Kirchen Englands zerstört würden? Der
Klerus poltert von Kanzeln und Marktplätzen sofort gegen die Lollharden los, die
für den Brandanschlag verantwortlich gemacht und mit
Flüchen belegt werden. Bei
jenen handelt es sich um eine weitere - wenngleich nur locker verbundene -
christliche Sekte, in der auch Frauen geachtet werden. Die Wirksamkeit
katholischer Rituale verneinen Lollharden. Brot könne nicht heiliger gemacht
werden, wenn Priester Sprüche darüber murmeln. Außerhalb des Lebens gebe es kein
Fegefeuer, Heiligenbilder zu verehren sei Sünde, Pilgern nach Canterbury ebenso
- all das macht das Credo der Lollharden aus. Natürlich hat der auf Pfründe,
Ablasshandel und Reliquienkult bedachte Amtsklerus wenig Freude mit dieser
egalitären Konkurrenz. Das Kloster von Clerkenwell rühmt sich schließlich, eine
Phiole mit Milch von den Brüsten der Jungfrau Maria, ein Stück Segeltuch vom
Boot des heiligen Petrus, ja sogar eine Feder aus der Flügelpracht des Erzengels
Gabriel zu besitzen. Schon bald nach dem Kirchenfeuer setzt ein Pogrom gegen
alle vermeintlichen Lollharden ein. Eine Entwicklung, mit der die klandestinen
"Wissenden" um Exmewe natürlich gerechnet hatten. Aber nicht nur sie
...
Die Dominanz des Dominus
"Die
Clerkenwell-Erzählungen" öffnen sich zum Kern der Verschwörung hin wie eines
dieser bunt bemalten russischen Folklorepüppchen. Unterhalb der ersten
Holzschicht steckt eine zweite Babuschka und in deren Bauch wieder eine dritte.
Die Außenschicht machen im Roman die für schuldig gehaltenen Lollharden aus. Die
"Wissenden" - als tatsächliche Brandleger - stecken dahinter. Doch auch sie
bleiben nur Mittel zum Zweck, benutzt von einer kleinen, hochkarätigen Gruppe
von Verschwörern, der einige der obersten Würdenträger von Staat und Kirche
angehören. Dominus heißt dieser elitäre Zirkel, in dem nur ein Ziel verfolgt
wird, nämlich König Richard II. vom Thron zu stoßen und durch den Haudegen Henry
Bolingbroke, Herzog von Lancaster, zu ersetzen. Richard hatte sich unbeliebt
gemacht, da er zur Finanzierung seines Irlandkrieges die Steuern konsequent
anhob und zudem auch noch auf den Papst in Rom setzt, während Bolingbroke
Steuernachlässe verspricht und sich Benedikt XIII. gegenüber loyal verhält, der
in Avignon als Pontifex Maximus amtiert. Einer, bei dem alle Fäden
zusammenlaufen, ist Pater Wilhelm Exmewe. Der Augustiner scheint agent
provocateur schlechthin zu sein. Doch wie passen Clarissas Visionen in das
Intrigengeflecht? Was weiß Robert Braybroke, Bischof von London? Ist der
Volksaufruhr von langer Hand geplant?
Im 23. Kapitel (wo sonst) gibt
Peter Ackroyd verschwörungstheoretische Erläuterungen über das mögliche
Fortwirken der Geheimorganisation Dominus. Bis in unsere Tage? Vielleicht
...
Der Medikus, der im Wasser enden wird
Besonders lebhaft
wurde die Figur von Thomas Gunter niedergeschrieben. Er ist Arzt - oder das, was
Ende des 14. Jahrhunderts darunter verstanden worden war. Stets hat er einen Rat
parat, wenn es um die Wehwehchen seiner Patientenschaft geht. Ein Tipp gefällig:
"Milch wirkt sehr gut gegen Melancholie. Enthaltet Euch der Haselnüsse. Sie
trüben das Gehirn: Stattdessen esst frischen Ingwer. Er beschleunigt das
Gedächtnis und macht vielleicht noch fröhlich." Rumort es danach im Bauch,
hilft gewiss eine Salbe aus dem Fett von Eber, Ratte, Pferd und Dachs. Bleiben
"üble Dünste", treibt diese nur der Nordwind von dannen. Wem
Schlaflosigkeit zu schaffen macht, dem sei Taubenkot empfohlen. Auf die
Fußsohlen gestrichen, bringt er den ersehnten Schlummer. Der betuchteren
Klientel empfiehlt Gunter die Kraft der Steine. Ein Saphir halte die Gliedmaßen
heil. Achat schütze vor Albträumen und Verzauberungen. Amethyst schenke Härte,
auch jene, die zur Mannhaftigkeit von Nutzen ist. Diamanten müssen immer auf der
linken Seite getragen werden, während ein Smaragd - mit Felsbröckchen im
Maientau getränkt - einfach nur größer werde. Hilft alles nichts, kann immer
noch purgiert oder geschröpft werden. Man könnte meinen, dass des Medikus’ Name
alleine schon aufgrund seiner Therapieansätze auf Todeslisten stünde, doch
Blutegel und Aberglaube sei Dank, dem ist nicht so. Was ihm letztendlich ein
nasses Grab im Fleet beschert, ist sein Spürsinn, der ihn Dominus zu nahe kommen
lässt. Eine letzte Botschaft seiner Zunge soll jedoch nicht den Fischen
anheimfallen: "Schon ein Blick auf Ringelblumen stärkt das Augenlicht.
Allerdings muss man sie pflücken, wenn der Mond im Zeichen Jungfrau
steht."
Wer also die 23 Kapitel von "Die
Clerkenwell-Erzählungen" ohne Augenschmerzen noch vor dem 23. September zu
lesen beginnen will, für die oder den stehen die Sterne gut. Buch kaufen, in der
Ringelblumenwiese Platz nehmen - los geht’s ins Mittelalter!
(lostlobo; 09/2004)
Peter Ackroyd: "Die
Clerkenwell-Erzählungen"
(Originaltitel "The Clerkenwell Tales")
Aus
dem Englischen von Eva L. Wahser.
Knaus, 2004. 252 Seiten.
ISBN
3-8135-0241-4.
ca. EUR 20,50.
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Peter Ackroyd wurde 1949 in London geboren,
wo er auch heute lebt. Er studierte Literaturwissenschaft in Yale und Cambridge
und arbeitete viele Jahre für den "Spectator" und die "Times". Er veröffentlichte
zahlreiche Romane und Biografien und erhielt den Somerset Maugham Award, den
Guardian Fiction Prize und den Whitbread Award.
Weitere Werke Peter Ackroyds:
"Das Tagebuch
des Oscar Wilde"
Paris im Jahre 1900. In einem schäbigen Zimmer des Hotel d'Alsace, das ihm
zur letzten Heimstätte werden soll, sitzt
Oscar Wilde am Schreibtisch und beginnt ein Tagebuch zu verfassen.
Doch es ist nicht der Oscar Wilde, als den ihn die Nachwelt in Erinnerung hat,
nicht der elegant gekleidete Dandy, dessen Theaterstücke auf den Bühnen Londons
Furore machten. Der Dichter ist ein gebrochener Mann: Seine homoerotischen Neigungen,
zu denen er sich offen bekannte, wurden ihm zum Verhängnis. Sein Schicksal ereilte
ihn in Gestalt des Marquis von Queensberry, dem Vater seines Geliebten Bosie.
Queensberry setzte alles daran, die Beziehung zwischen seinem Sohn und Wilde
zu beenden. Wilde sah sich der öffentlichen Verleumdung ausgesetzt und verklagte
seinen Widersacher. Aber er hatte die Macht der öffentlichen Meinung und den
rasenden Zorn Queensberrys unterschätzt. Nicht diesem, sondern ihm selbst wurde
schließlich der Prozess gemacht. Gossenjungen, käufliche Knaben und alte Weggefährten
sagten gegen ihn aus. Die Welt, die er einst zu erobern glaubte, zeigte ihm
ihre hässliche Fratze. Er verließ das Gericht in Ketten, verurteilt zu zwei
Jahren Zuchthaus.
Höchste Empfindung und tiefste Abgründe: das ganze Drama des Lebens von Oscar
Wilde offenbart sich dem Leser in diesem fiktiven Tagebuch. Mit bewundernswerter
Sensibilität hat sich Peter Ackroyd in die Sprache und den Stil Wildes eingefühlt.
Das Ergebnis ist ein Roman von großer sprachlicher Eleganz und äußerster Eindringlichkeit.
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"London. Die Biografie"
"London ist so groß und wild, dass es alles in sich enthält", schreibt Peter
Ackroyd und erkundet diese Stadt wie ein menschliches Wesen, das uns betört,
verwirrt, aber niemals gleichgültig lässt. Am sinnlichen Detail, am allgegenwärtigen
Rot der Sandsteine, an den Gerüchen der vielen Märkte oder am Klangbild, das
einst von Glockengeläut und "Balladenverkäufern" geprägt wurde, entschlüsselt
er die Epochen, die London geprägt haben. Ob St. Giles-in-the-Fields, dessen
mittelalterliche Bierhäuser den Kapitalverbrechern auf dem Weg zum Schafott
noch einen letzten Trunk gewährten, oder Clerkenwell, das erst hugenottische
Flüchtlinge und später politische Radikale anzog - London gleicht einem Palimpsest,
das immer wieder neu beschriftet wird. Nie zuvor wurde die Energie und Grausamkeit
dieser vibrierenden Metropole so lebendig eingefangen und so tiefschürfend erläutert
wie jetzt von Peter Ackroyd. Sein opulent und originell bebildertes London-Buch
ist nicht nur kultur- und zeitgeschichtliche Darstellung und Philosophie des
Großstadtlebens, sondern zugleich archäologische Studie, Reiseführer und psychologische
Analyse.
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"William Blake. Dichter, Maler, Visionär"
Schon als Kind verfügte
William Blake
über das zweite Gesicht und setzte seine Visionen von den
Engeln und Propheten
in Bilder und Verse um. Williams Vater, ein Strumpfwarenhändler, erkannte früh,
dass der Junge für einen Brotberuf untauglich war, und meldete den Zehnjährigen
in der bedeutendsten Londoner Zeichenschule an. Mit der Aufnahme in die Royal
Academy of Arts, zwölf Jahre später, schien für William Blake eine glänzende
Laufbahn als Maler vorgezeichnet. Aber er überwarf sich mit dem Akademiepräsidenten
und erfolgreichen Porträtmaler Sir Joshua Reynolds und wurde Kupferstecher,
eine damals beinahe schon altmodische Profession.
Blakes Leben ist immer reich an Widersprüchen gewesen. Er setzte sich demonstrativ
die rote Jakobinermütze auf, idealisierte aber als glühender Patriot Britanniens
Vergangenheit. Er mied die Öffentlichkeit, ließ sich jedoch durch einen Soldaten
in einen Skandalprozess verwickeln. Viele Zeitgenossen rühmten seine Sanftmut,
aber wehe dem Widersacher, der seinen Zorn erregte. Er schrieb Hymnen auf die
freie Liebe und brach in seinen Aquarellen und Zeichnungen erotische Tabus,
lebte aber 45 Jahre lang treu an der Seite seiner Frau: Catherine Boucher. Sie
stammte aus einfachsten Verhältnissen, bildete sich nach der Heirat (1782) durch
eigene Studien weiter und half Blake nicht zuletzt mit ihren technischen Fertigkeiten
bei der Vollendung seiner bekanntesten Werke: die Lieder der Unschuld und Erfahrung
(1789/94), die Ideenschrift "Die Hochzeit von Himmel und Hölle" (1793), die
Illustrationen zum Buch Hiob (1824) und
zu Dantes "Divina
Commedia" (1826) und die späten Versepen wie "Milton" (1809) und "Jerusalem"
(1804-20), in denen er hebräische, germanische und keltische Mythen zu einer
neuen Kosmologie verschmolz.
Peter Ackroyd stellt nicht nur Leben und Werk dieses oft verkannten Genies dar,
sondern hebt auch die vielfältigen Inspirationen hervor, die er von deutschen
Künstlern und Theoretikern empfing (Winckelmann, Lavater, Heinrich Füssli).
Er würdigt Blakes Bedeutung für spätere Generationen und arbeitet anschaulich
den zeitgeschichtlichen und politischen Hintergrund heraus, vor dem sich seine
Werke erschließen: die konservative Politik eines William Pitt d. J., die
Französische
Revolution, die Napoleonischen Kriege.
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"Venedig"
zur Rezension ...
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