Michael Pammesberger: "Abgefedert"

Karikaturen


Ein satirischer Rückblick auf vier schwarz-blaue Jahre

"Nicht der Zorn, das Lachen tötet." - diese Worte schrieb einst Nietzsche, doch ist diese mörderische Konsequenz wohl nicht das Ansinnen, welches Michael Pammesberger mit der Veröffentlichung seiner über die letzten vier Jahre in der Tageszeitung "Kurier" erschienenen Karikaturen zum politischen Zeitgeschehen verfolgt. Und das, obwohl so mancher Zeitgenosse vorweg vielleicht meinen möchte, ein Karikaturist sei - ähnlich einem Kabarettisten - faktisch Fachexperte für die Herstellung von Lachstoff; somit quasi ein Mann für das Derbe. Pammesberger dürfte es mit seinen Zeichnungen jedoch mehr um ein unterhaltsames Sichtbarmachen von unfreiwilliger Komik gehen, die dem politischen Geschehen allemal inhärent zu sein scheint. Es ist dann auch weniger ein Verhöhnen denn ein Scherzen über Geschmacklosigkeiten und Boshaftigkeiten, Ungeschicklichkeiten und aufgeblasene Banalitäten, wie es allem Ernst und Unernst im Leben anhaftet. Politik ist ja übrigens auch eine recht ernsthafte Sache; also eben immer auch eine Abfolge von so richtig bemühten Lebensäußerungen, die dem wachsamen Satiriker eine Fülle von intellektuellen Kontrasten und spürbaren Absurditäten offenbaren, deren jeweilige Situationskomik zwangsläufig Amüsement, wenn nicht überhaupt Gelächter erregt. Ein Gelächter, dem der Karikaturist über die Kunstfertigkeit seiner Federführung die figürliche Gestalt verbissener Starrsinnigkeit verleiht. Der Ernst des Dummen organisiert sich über die steife Pose, was dann allemal lächerlich aussieht und den Betrachter zum Lachen reizt.

Das Lachen als zwischenmenschliche Geste kann grausam sein und wird auch oft entsprechend empfunden. Etwa überhaupt dann, wenn es sich um ein Auslachen handelt. Fast immer ist Gelächter herzlos und derb, nie einfühlsam und schon gar nicht mitfühlend, doch in seiner harmloseren, weil eher nur angedeuteten Form, dem Schmunzeln, wirkt es auf das erzürnte Gemüt besänftigend und gegenüber dem Mitmenschen versöhnlich. Michael Pammesberger gibt mit seiner alltäglich im "Kurier" publizierten Zeichenkunst eigentlich wenig Grund zum Lachen. Eher noch leitet er zu einem nachdenklichen Schmunzeln an. Seine Karikaturen erheitern, das gewiss, doch ist ihnen eine heimliche Tragik zueigen, die selten lauthals aufbrüllen lässt. Manches stimmt sogar traurig. Und nicht so selten macht sich gar Betretenheit im sensibilisierten Publikum breit.

Gerupft und zur Kläglichkeit verhärmt blickt dann auch der Bundesadler vom Buchdeckel des erst kürzlich im österreichischen Traditionsverlag Carl Ueberreuter verlegten Sammelbands Pammesbergerscher Karikaturen. Ein vertrautes Motiv ist dieses misshandelte Vieh. Beliebt bei den Karikaturisten aller Metiers. Also handelt es sich eigentlich um ein abgeschmacktes Motiv, an dem man sich allerdings nicht satt sehen kann, solange es in trefflichster Weise die Wirklichkeit österreichischer Realverfassung symbolisiert. Lachhaft ist sein Anblick, traurig und erbärmlich zugleich, deswegen lacht ihn auch keiner aus. Angesichts lachhaften Elends bleibt das Lachen dem Kultivierten im Hals stecken. Nur der Barbar brüllt los, zur unfreiwilligen und dann wohl auch schon abgründig komischen Demonstration seiner ungehobelten Wesensart. Insgeheim dämmert schon der Verdacht, der seiner Federpracht beraubte König der Lüfte - eigentlich ein monarchisches Symbol zum Zwecke republikanischer Selbsterhöhung und ideeller Zusammenrottung - hätte etwas mit der Wirklichkeit in diesem Land der Berge und Seen zu tun, wo nicht von ungefähr Adlerpopulationen - egal ob Steinadler oder Seeadler - gerade noch mit Not überleben. Die gestutzten oder ohnedies immer schon verkümmerten Flügel (eigentlich sind es Flügelchen) halten das Bundeswappen krampfhaft vor die blank gelegte Scham. Panik brüllt aus den weit aufgerissenen Augen des Vogels dem Betrachter entgegen. Ausgerissene Federn streichen sanft durch die Luft. Gewalt liegt in der Atmosphäre, ein Geschöpf verlassen und allein, an den Rand seines Existenzrechts gedrängt.

Vier Jahre schwarz-blau, das will jetzt meinen: vier Jahre einer Wende zur neokonservativen Politik, symbolisiert sich über die Metapher des gerupften Wappentiers als Gewaltakt gegen die abgeschmackte Behaglichkeit kleinbürgerlicher Geruhsamkeit. Nicht Mitleidigkeit oder Bedauern ob eines unverdienten Schicksals, einfach nur die unerträgliche Empfindung von Peinigung und Peinlichkeit wird über die ausgefressene Vogelgestalt sichtbar, deren unförmige Leibesfülle in ihrer blanken Nacktheit wenig von Adel und Stolz republikanischer Majestät verrät. Von wegen Würde? Keine Spur. Ein unwürdiges Federvieh ist es, das da soeben gerupft wurde. Die Wirklichkeit des Österreichers ist nicht die des stolzen Greif, sondern die des gerupften Suppenhuhns aus Batteriehaltung, ist man geneigt zu assoziieren.

Ein gutes Jahr nach "Der Rest der Welt", jener erheiternden Persiflage auf den Selbstgefälligkeitskult österreichischer Provenienz, welche Pammesberger als sozusagen zeichnender Koautor illustrierte, erscheint nun mit "Abgefedert" das zweite Buchprojekt, aber eigentliche Erstlingswerk von Michael Pammesberger. Womit sofort einmal verkündet sei, dass der schmunzelnden Nestbeschmutzung noch lange nicht Genüge getan ist, denn der satirische Rückblick des Federvirtuosen, der mit spitzer Zeichenfeder bildliche Kommentare auf vier schwarz-blaue Regierungsjahre abfedert, auf dass die Federn fliegen, spart nicht mit Respektlosigkeiten, sowohl an die Adresse der politischen Elite seines Landes als auch an jene des sprichwörtlichen kleinen Mannes aus dem Volk. Was Herrn und Frau Österreicher während der vergangenen Jahre eins nach dem anderen sauer aufgestoßen und gleich wieder in Vergessenheit geraten ist, gerät nun über die Erhellung lächerlicher Aspekte in Erinnerung. Wobei dann aber eher selten das Amüsement den Betrachter überwältigt. Es ist eine stille Satire, die sich hier darbietet, oft bitter, wenn nicht sogar verbittert. Heiterkeit will nicht so recht aufkommen; der Scherz verkneift sich schon im Ansatz, etwa in der Satire lebenslangen Arbeitens bis zum Umfallen. Die Tragik des Lebens ist bei Pammesberger keineswegs ausgeblendet und so sind seine Zeichnungen auch nur selten Anlass für schenkelklopfende Ausgelassenheit. Manches macht vielmehr betroffen, als dass es erheitern könnte. So etwa, wenn Bundeskanzler Schüssel einem herzigen Wuffi die zusammengerollte Niederschrift zum bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz wie einen Spielstock wirft. Und das über den Rand zum Abgrund einer tiefen Schlucht hinab. Der Hund springt zwar nicht in sein Verderben, zeigt sich nur zutiefst verstört, doch ist anhand der Bilderfolge zu erahnen, wie fern diese über eine achtlose Handlungsweise in Erscheinung tretende Gesinnung des ersten Repräsentanten der großen bürgerlichen Volkspartei des Landes einer ernsthaften Idee von Tierschutz ist. Kann politischer Zynismus und - konkret - Ignoranz in Sachen Tierethik noch eindrücklicher zur Darstellung gebracht werden?

Abfangjäger und Bundespräsidenten, Sanktionen und Charmeoffensiven, Sparpakete und Wahlzuckerl, gestürzte Reformen und Abfederungsmaßnahmen, Koalitionskrisen und Oppositionsschwächen, Parteiführer und kleine Leute, Europa-Fans und Knittelfeld-Desperados, Bundeskanzler und Queraussteiger, die Aufzählung von Motiven aus Pammesbergers Bilderbuch umreißt schlagwortartig die alltagspolitischen Höhepunkte in einem historischen Prozess, der sich als Abschied von der guten alten österreichischen Tradition der Konsensdemokratie beschreiben lässt. Das politische Geschehen in der Alpenrepublik hat in der Ära von Schwarz-blau eine eigentümliche Dynamik entwickelt, denn das Politische als Wille zur Gestaltung von Gesellschaft ist nach einer jahrzehntelangen Praxis sozialpartnerschaftlichen Mauschelns in das Land zurückgekehrt. Schwarz-blau, so benennt die politische Farbenlehre jenes Regierungsbündnis bürgerlicher Rechtsparteien (ÖVP und FPÖ), bezeichnet einen endgültigen Bruch mit der Grundverfasstheit hiesiger Herrschaftsverhältnisse nach 1945, deren Hauptaugenmerk noch auf den Wiederaufbau und die Stabilisierung einer nach den Kriegsjahren von 1939 bis 1945 in Schutt und Asche liegenden Republik ausgerichtet war. Und dieses sicherlich gleichermaßen löbliche wie unumgängliche Aufbauwerk vollzog sich als große Bundesgenossenschaft der weltanschaulichen Lager Österreichs, gemeinsam Hand in Hand agierend, deren Teilhaber nach kollektiver Plagerei mit dem ruinierten Land in parteiübergreifender Solidarität dann zusehends so manche Pfründe augenzwinkernd unter sich aufteilten, um sie in weiterer Folge als Besitzstände diverser Funktionärs- und Standeseliten zu deklarieren. Gewohnheitsrechte wurden bei Zeiten verbrieft, die Tugend der Eintracht verkam zur Untugend parteipolitischen Proporzdenkens. Wichtige Positionen in Land, Stadt und Staat wurden schließlich wie Lehen gehandelt, als Erbgut einer politischen Klasse, welche weniger dem Dienst am Vaterland denn der Selbstversorgung zu frönen schien. So jedenfalls meinte man es wiederholt erkennen zu müssen und so prangerten es kritische Medien und Denker im Lande an. Was man in diesem Sinne also immer wieder zu sehen vermeinte, das stimmte den selbst doch gar so anständigen und hochbesteuerten Bürger argwöhnisch, ließ ihn gegenüber großkoalitionären Regierungen zürnen und gebar in ihm ein Verlangen nach einer grundlegenden Veränderung der politischen Kultur und der Praxis ihrer Herrschaft bzw. Regierungskunst. Die Inszenierung stetiger Beharrlichkeit steigerte sich derweilen zu einem Konsenskult, der sich in seinem Bemühen um Bewahrung wohllebiger Strukturen sukzessive einem jeden politischen Anspruchsdenken gestalterischer Wesensart entfremdete. Sowohl den abgesteckten Terrains politischen Handelns, als auch den Machtsphären von Kammern und sonstigen Zusammenschlüssen zur Sicherung und Durchsetzung gemeinsamer Interessenslagen wurde der Segen einer Sozialpartnerschaft erteilt, deren hauptsächliches Handlungsmotiv die Nichtpolitik war. Immer mehr Bürger erkannten das althergebrachte Österreich somit in seiner ursprünglichen Idealität als korrumpiert und deswegen als reformbedürftig. Die Bereitschaft, sich auf das Wagnis einer politischen Wende einzulassen, nahm folglich laufend zu, und in der Tat, mit dem Antritt von Schwarz-blau fand der eingewöhnte innerstaatliche Burgfrieden sein abruptes Ende. Politik kehrte wieder in die allzu befriedete Alpenrepublik ein, die Zeiten wurden spannender, aber auch unruhiger, rasanter und vor allem - was die gewohnte Behaglichkeit im Sozialstaat angeht - grausamer, ja grausamer, um jetzt auch noch einem Kärntner Landeshauptmann und Kritiker grausamer Sozialreformen aus seiner politischen Umgangssprache ein gar griffiges Wort zu entlehnen.

Soviel zur historischen Vorgeschichte und zu den gesellschaftlichen Umständen, unter welchen Pammesberger während der vergangenen Jahre sein Gewerbe der Aufdeckung von Lächerlichkeiten betrieben hat. Sein Werk der letzten vier Jahre illustriert die Phase nach dem Umbruch der politischen Kultur in Österreich, als es nun galt, weg zu kommen von einer Kultur des Beharrens auf sozialer Stabilität hin zu einer Kultur der Veränderung und des weltanschaulich motivierten Wagnisses. Eigentlich sind diese Zeiten einer Wiedergeburt von ideologisch vermittelter Politik ja ein gefundenes Fressen für jeden Satiriker, will man meinen. Und in der Tat, Pammesberger greift ins Volle und labt sich von der reichlich gedeckten Tafel politischer Leckereien. In seinen Bild gewordenen Polemiken erhält die bürgerliche Wendezeit ihren ultimativen Ausdruck als Epoche ironischer Überzeichnungen, was zuweilen das Lachen gefrieren lässt. Und das alles vollzieht sich kunstvoll und feinsinnig in seiner Gestaltung, garniert mit abgründigem Humor.

Als Karikaturist der Tageszeitung "Kurier" ist Pammesberger gewissermaßen ein Chronist von alltagswirklichen Befindlichkeiten, die sich aus dem Zeitgeschehen her ableiten. Wobei nicht die sachliche Analyse sein Handwerk ist, sondern das ironische Überzeichnen festgefahrener Situationen. Das Komische wird aus dem Trivialen herausgehoben und in seiner hölzernen Mechanik akzentuiert. Der im Pathos seines stereotypen Gehabens zur Lächerlichkeit stilisierte Staatspolitiker ist genauso Sujet jenes Panoptikums des Komischen wie Situationen sprichwörtlicher Ausweglosigkeit, in welchen sich zum Erstaunen der Mitwelt nur zu oft politische Betriebsblindheit manifestiert. Die berufliche Lächerlichkeit inszeniert sich allemal in versteifter Körperlichkeit, und geistige Erstarrung wird sichtbar in maskenhafter Mimik. Der Lächerlichkeit haftet etwas Mechanisches an, dem kaum noch Lebendigkeit innewohnt. Das Leben im politischen Alltag verkommt solcherart zur traurigen Posse, die sich als eingewöhnter Dienst an dem Guten und Edlen inszeniert.

Pammesberger demaskiert die Rituale politischer Alltagskultur über seine Skizzen erstarrenden Geists und typisierter Körperlichkeit. Es sind Karikaturen, deren ganze Komik sich über die Tragik ihrer physischen Versteifung dokumentiert. Der Lebendigkeit intellektuellen und seelischen Lebens sind sie verlustig gegangen, weshalb sie zu Witzfiguren verkommen sind, deren zur Erhabenheit aufgeblähter Starrsinn einfach lächerlich wirkt, überhaupt dann, wenn die eifernde Pose über ihr eigenes Anspruchsdenken stolpert. Pammesbergers Karikaturen sind denn auch im Wesentlichen simple Studien realer Selbstkarikaturen. Dass es sich hierbei um Stilisierungen handelt, sollte allerdings auch nie - allein schon aus Respekt vor den Porträtierten - in Vergessenheit geraten. In diesem Sinne nimmt Pammesberger zwar gerne den Politiker als Amtsträger in öffentlicher Sache auf die Schaufel, gegenüber der Privatperson, die der öffentlichen Figur des Politikers ihre Gestalt leiht, enthält er sich jedoch tunlichst eines jeglichen Verrats an dem sittlichen Gebot diskreter Verhaltenheit. Bei aller Lust an der satirischen Erhellung von Komik und Tragik in der Situation, die Würde und Integrität des porträtierten Einzelmenschen bleibt allemal gewahrt.

(Harald Schulz; 09/2004)


Michael Pammesberger: "Abgefedert"
Ueberreuter, 2004. 176 Seiten, 300 farbige sowie 300 s/w-Abbildungen,
ISBN 3-8000-7035-9.
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