Ronit Matalon: "Und die Braut schloss die Tür"


"Und die Braut schloss die Tür" ist der letzte zu Lebzeiten der Autorin Ronit Matalon veröffentlichte Roman. Sie starb am 27. Dezember 2017 an den Folgen von Krebs und konnte den "Brenner Preis", der ihr einen Tag davor verliehen wurde, nicht mehr entgegennehmen. An ihrer Statt übernahm ihre Tochter den Preis und hielt ihre Rede. ("Haaretz Online", 28. Dezember 2017)

Die Autorin war als Reporterin für die Zeitung "Haaretz" tätig und lehrte u.A. an der Universität Haifa Kreatives Schreiben ("NZZ Online", 28. Dezember 2017). Ronit Matalon engagierte sich auch als Aktivistin für die Rechte der Mishrahi-Juden in Israel. Die Zeitung "Haareetz" kündigte ihr Buch als Sammelsurium unterschiedlicher Charaktere an, in der neben dem Brautpaar u.A. eine Psychiaterin russischen Ursprungs, ein Onkel als Drag Queen und ein Palästinensischer Arbeiter auftauchen. ("Haaretz Online", 29. Dezember 2016)

Der Beginn dieses Romans schildert auf nüchterne Art und Weise, dass "die junge Braut, die sich vor mehr als fünf Stunden ganz still im Schlafzimmer ihres Elternhauses eingeschlossen hatte, verkündete (...) 'Ich heirate nicht, heirate nicht, heirate nicht'" (S. 7) Der Ort der Handlung ist das Haus der Brauteltern und zeigt die Verstrickung arabischer Juden in Israel, da die Familie der Braut Mishrahi und die des Bräutigams Ashkenazi Israeli sind.
Die Beschreibung, mit der dieser Roman beginnt, fängt eine Momentaufnahme ein. Zeugen, genauer Ohrenzeugen sind vier Personen.

Vier Augenpaare, die auf die Tür gerichtet sind; die Mutter der Braut, Nadja, der Bräutigam, Matti, die Großmutter der Braut, Sabtuna, und ein Onkel der Braut, Ilan, sind nicht darauf vorbereitet, dass sich die Braut eingeschlossen hat. Nach und nach sickert diese Erklärung in ihr Bewusstsein, und sie fangen an zu begreifen, was vor sich geht. Verstärkt wird dies dadurch, dass Nadja, die Mutter der Braut, einen Kälteschauer verspürt. Die schwerhörige Großmutter, die den Wortlaut, nicht verstanden hat, fragt nach, was Margalit, die Braut, eigentlich gesagt hat. Es beginnt sich das Räderwerk langsam in Bewegung zu setzen, und die anfängliche Distanz schlägt schnell ins Gegenteil um.

Eine facettenreiche Sprache, die sich manchmal in ihren Nebensätzen zu verlieren droht, gibt die Stimmungen der anwesenden Personen wieder. In Nebensätzen werden auch Dinge angesprochen, welche die Protagonisten verschweigen. Beispiele hierfür sind die Bedeutung des Militärdienstes, die Schwester der Braut, die vor Jahren verschwunden und möglicherweise Opfer eines Anschlags geworden ist (S. 88 ff), die Abhängigkeiten finanzieller Natur, die Bedeutung der Namen. (Die Stiefmutter des Bräutigams heißt Pninit, eine Abwandlung von Pnina, was "Perle" bedeutet (S. 37). Der Name der Braut bedeutet ebenso Perle, dies wird aber nur angedeutet, u.A. in der Beschreibung ihres Aussehens auf einem Foto, auf dem sie ihr Brautkleid "mit einer einzigen, schimmernden Perle in der Mitte geschmückt" (...) "(und) fünf bunte Perlenarmbänder" (S. 97) an ihrem Unterarm trägt. Die Nebensätze stechen derart hervor, dass deren Details in den Vordergrund rücken.

Die Handlung des Romans gewährt einen Einblick in diese Kluft zwischen den Personen. Perspektivenwechsel versuchen einerseits, die Folgen der Entscheidung der Braut zu erörtern, andererseits wird auch ein Einblick gegeben, wie sehr alle in ihren Konventionen verstrickt sind. Angezeigt wird dies beispielsweise dadurch, dass Gedanken, die sich die Personen nicht offen auszusprechen trauen, in Klammer gesetzt sind.

Die Szenerie bleibt der Mikrokosmos, der aber immer weitere Kreise zieht. Der Ort der Handlung verbleibt zwar die Wohnung, jedoch drängen immer mehr Personen hinein und versuchen, etwas zu tun und die Initiative zu ergreifen. Das Zentrum des Romans lässt sich zwar als die nicht anwesende Braut bestimmen, da sie durch ihre Abwesenheit ununterbrochen anwesend ist. Verschiedene Personen versuchen diese Aufmerksamkeit davon abzulenken. Die Eltern des Bräutigams, die eine Psychiaterin aus dem "Büro für 'Bereuende Bräute'" (S. 76) anrufen, und mit deren Hilfe die Situation zu retten versuchen. Sie organisieren ebenso einen Lastwagen mit Hebekran, um damit an das Fenster jenes Zimmers, in dem sich Margalit befindet, zu gelangen. Diese Rettungsversuche gehen ins Leere. Die Psychiaterin kann zwar mit der Braut sprechen, aber dies ändert nichts am Entschluss der Braut, im Zimmer zu bleiben. Darüberhinaus sind auf dem Lastwagen, der "dem Energiekonzern der Autonomiebehörde (gehört)" (S.126), arabische Zeichen sichtbar, so dass die Nachbarn in Angst und Schrecken geraten und die Polizei rufen. Der Fahrer, ein Bekannter des Vaters des Bräutigams, muss die Polizisten zur Wache begleiten.

Die Braut selbst erscheint nur zweimal und dies nur bruchstückhaft. Das eine Mal gibt sie unbemerkt ein Gedicht von Leah Goldberg, einer israelischen Schriftstellerin, mit dem Titel "Aus den Liedern der verlorenen Tochter" (S. 71) vor ihre Tür. Der zweite Auftritt passiert aus der Entfernung am Fenster des Zimmers, an dem sie sich mit der Psychiaterin für die Protagonisten nicht hörbar unterhält und einen Karton mit dem Wort "Entschuldigung" für alle sichtbar vor sich hält (S.123). Margalit erscheint vor allem in Erinnerungspassagen von Matti, der verunsichert ist und an der Liebe zu Margalit zu zweifeln beginnt.

Die Hochzeit und die Feierlichkeiten werden abgesagt, und Matti gibt Sabtuna, die Großmutter der Braut, ein Versprechen, das ihn wohler in die Zukunft blicken lässt. Sabtuna stimmt am Ende ein Lied an, dessen Inhalt mit der Stimmung von Margalit übereinstimmen und der Schlüssel zu ihr sein mag.

Der Roman besticht durch seine Sprache, und die Autorin weiß gezielt Ironie einzusetzen, um die Tiefe der Kluft zwischen den in Israel lebenden Menschen sichtbar zu machen. Sie erzählt auf angenehme Weise, was es bedeutet, in Israel mit dieser Vieldeutigkeit zu leben.

(Christian Rohracher; 08/2018)


Ronit Matalon: "Und die Braut schloss die Tür"
(Originaltitel "And the Bride Closed the Door")
Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer.
Luchterhand, 2018. 160 Seiten.
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